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Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915.

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wie die bürgerlichen Frauen mit Tränen in den Augen den rein
sachlichen Berichten über Löhne und Arbeitszeit lauschten. Auch
hier, gegenüber dem harten Los ihrer Schwestern, wurde die große
Parole: "Frauenstimmrecht!" ausgegeben und verständnisvoll
weitergetragen.

Jn der Bildungsfrage waren die Stimmrechtlerinnen
ebenso energisch tätig. Die klassische Forderung der Gegner und
lauen Freunde: "Gleichwertig, aber nicht gleichartig" wurde ent-
schieden abgelehnt und die ersten Versammlungen zur "Gemein-
samen Erziehung der Geschlechter" berufen.

So ging die Frauenstimmrechtsbewegung in die Tiefe. Aber
freilich, die Feindschaft wuchs nun auch an allen Ecken und Enden.
Eine feste organisatorische Zusammenfassung war notwendig. Da-
her wurde im Oktober 1899 in Berlin der "Verband fort-
schrittlicher Frauenvereine"
geschaffen. Er nahm als
erster Frauenverband in Deutschland die Forderung des Frauen-
stimmrechts in sein Programm auf. Da jeder politische Frauen-
verein der Auflösung verfallen mußte, wurde die Forderung
auf Rat eines anwesenden Juristen vorsichtig ausgedrückt: "Der
Verband will die Frauen zur Wertschätzung politischer Rechte, ins-
besondere des Frauenstimmrechtes, führen." Der Verband ist
dabei kräftig gediehen, obgleich seine Vereine in den Provinzen
neben den "gemäßigten", die nie Anstoß erregten, oft einen
schweren Stand hatten. Aber sie waren der Sauerteig und
sorgten energisch für Ausbreitung des Stimmrechtsgedankens.

Der Bund deutscher Frauenvereine.

Die kräftige Agitationsarbeit, die in der Presse und in öffent-
lichen Versammlungen bisher geschehen war, hatte von Anfang an
ihre Wirkung auf die sozial arbeitenden Frauen nicht verfehlt.
Einzelne hatten die Bedeutung der neuen Jdeen erkannt und
standen den radikalen Frauen freundlich gegenüber. Die organi-
sierte Masse aber zog eine scharfe Grenzlinie und lehnte Vorträge
zum Frauenstimmrecht in ihrem Kreise entschieden ab. Noch in
der Zeit von 1900 bis 1905 konnte man es erleben, daß aus einer
Großstadt mit vielen sozial tüchtig wirkenden Vereinen, wenn man
sich anbot, über die Frauenstimmrechtsfrage zu sprechen, die Ant-
wort erfolgte: "Wenn Sie bei uns über das Frauenstimmrecht
sprechen, zerstören Sie alles, was wir geschaffen haben." So groß
war die Angst der Organisationen.

wie die bürgerlichen Frauen mit Tränen in den Augen den rein
sachlichen Berichten über Löhne und Arbeitszeit lauschten. Auch
hier, gegenüber dem harten Los ihrer Schwestern, wurde die große
Parole: „Frauenstimmrecht!‟ ausgegeben und verständnisvoll
weitergetragen.

Jn der Bildungsfrage waren die Stimmrechtlerinnen
ebenso energisch tätig. Die klassische Forderung der Gegner und
lauen Freunde: „Gleichwertig, aber nicht gleichartig‟ wurde ent-
schieden abgelehnt und die ersten Versammlungen zur „Gemein-
samen Erziehung der Geschlechter‟ berufen.

So ging die Frauenstimmrechtsbewegung in die Tiefe. Aber
freilich, die Feindschaft wuchs nun auch an allen Ecken und Enden.
Eine feste organisatorische Zusammenfassung war notwendig. Da-
her wurde im Oktober 1899 in Berlin der „Verband fort-
schrittlicher Frauenvereine‟
geschaffen. Er nahm als
erster Frauenverband in Deutschland die Forderung des Frauen-
stimmrechts in sein Programm auf. Da jeder politische Frauen-
verein der Auflösung verfallen mußte, wurde die Forderung
auf Rat eines anwesenden Juristen vorsichtig ausgedrückt: „Der
Verband will die Frauen zur Wertschätzung politischer Rechte, ins-
besondere des Frauenstimmrechtes, führen.‟ Der Verband ist
dabei kräftig gediehen, obgleich seine Vereine in den Provinzen
neben den „gemäßigten‟, die nie Anstoß erregten, oft einen
schweren Stand hatten. Aber sie waren der Sauerteig und
sorgten energisch für Ausbreitung des Stimmrechtsgedankens.

Der Bund deutscher Frauenvereine.

Die kräftige Agitationsarbeit, die in der Presse und in öffent-
lichen Versammlungen bisher geschehen war, hatte von Anfang an
ihre Wirkung auf die sozial arbeitenden Frauen nicht verfehlt.
Einzelne hatten die Bedeutung der neuen Jdeen erkannt und
standen den radikalen Frauen freundlich gegenüber. Die organi-
sierte Masse aber zog eine scharfe Grenzlinie und lehnte Vorträge
zum Frauenstimmrecht in ihrem Kreise entschieden ab. Noch in
der Zeit von 1900 bis 1905 konnte man es erleben, daß aus einer
Großstadt mit vielen sozial tüchtig wirkenden Vereinen, wenn man
sich anbot, über die Frauenstimmrechtsfrage zu sprechen, die Ant-
wort erfolgte: „Wenn Sie bei uns über das Frauenstimmrecht
sprechen, zerstören Sie alles, was wir geschaffen haben.‟ So groß
war die Angst der Organisationen.

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[6/0006] wie die bürgerlichen Frauen mit Tränen in den Augen den rein sachlichen Berichten über Löhne und Arbeitszeit lauschten. Auch hier, gegenüber dem harten Los ihrer Schwestern, wurde die große Parole: „Frauenstimmrecht!‟ ausgegeben und verständnisvoll weitergetragen. Jn der Bildungsfrage waren die Stimmrechtlerinnen ebenso energisch tätig. Die klassische Forderung der Gegner und lauen Freunde: „Gleichwertig, aber nicht gleichartig‟ wurde ent- schieden abgelehnt und die ersten Versammlungen zur „Gemein- samen Erziehung der Geschlechter‟ berufen. So ging die Frauenstimmrechtsbewegung in die Tiefe. Aber freilich, die Feindschaft wuchs nun auch an allen Ecken und Enden. Eine feste organisatorische Zusammenfassung war notwendig. Da- her wurde im Oktober 1899 in Berlin der „Verband fort- schrittlicher Frauenvereine‟ geschaffen. Er nahm als erster Frauenverband in Deutschland die Forderung des Frauen- stimmrechts in sein Programm auf. Da jeder politische Frauen- verein der Auflösung verfallen mußte, wurde die Forderung auf Rat eines anwesenden Juristen vorsichtig ausgedrückt: „Der Verband will die Frauen zur Wertschätzung politischer Rechte, ins- besondere des Frauenstimmrechtes, führen.‟ Der Verband ist dabei kräftig gediehen, obgleich seine Vereine in den Provinzen neben den „gemäßigten‟, die nie Anstoß erregten, oft einen schweren Stand hatten. Aber sie waren der Sauerteig und sorgten energisch für Ausbreitung des Stimmrechtsgedankens. Der Bund deutscher Frauenvereine. Die kräftige Agitationsarbeit, die in der Presse und in öffent- lichen Versammlungen bisher geschehen war, hatte von Anfang an ihre Wirkung auf die sozial arbeitenden Frauen nicht verfehlt. Einzelne hatten die Bedeutung der neuen Jdeen erkannt und standen den radikalen Frauen freundlich gegenüber. Die organi- sierte Masse aber zog eine scharfe Grenzlinie und lehnte Vorträge zum Frauenstimmrecht in ihrem Kreise entschieden ab. Noch in der Zeit von 1900 bis 1905 konnte man es erleben, daß aus einer Großstadt mit vielen sozial tüchtig wirkenden Vereinen, wenn man sich anbot, über die Frauenstimmrechtsfrage zu sprechen, die Ant- wort erfolgte: „Wenn Sie bei uns über das Frauenstimmrecht sprechen, zerstören Sie alles, was wir geschaffen haben.‟ So groß war die Angst der Organisationen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-05-11T12:53:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-05-11T12:53:44Z)

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Zitationshilfe: Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lischnewska_frauenstimmrechtsbewegung_1915/6>, abgerufen am 24.11.2024.