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Lindemann, Anna: Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland. Leipzig und Berlin, 1913.

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Frauenstimmrecht im Bund Deutscher Frauenvereine
das Verständnis für alle diese Fragen vertieft. Das vorzüglichste Mittel
aber, den Gedanken des Frauenstimmrechts zu verbreiten, sind die
"Frauentage", die einem Beschluß der Kopenhagener Jnternationalen
Frauenkonferenz zufolge auch in Deutschland alljährlich zur Demon-
stration für das allgemeine Frauenwahlrecht veranstaltet werden. Schon
einige Wochen vorher werden in den "Leseabenden" im ganzen Reiche
die Fragen des Frauenwahlrechtes besprochen. Ein vorbereitendes Flug-
blatt wurde in diesem Jahre in etwa 2 Millionen Exemplaren ver-
breitet, meist durch die Frauen selbst. Von der im Verlag der "Gleich-
heit" herausgegebenen Zeitung "Frauenwahlrecht" wurden 109000
Exemplare verkauft, weil die Frauentage, obwohl in Deutschland or-
ganisiert durch den Parteivorstand, doch ein Willensausdruck und eine
Tat der Frauen selbst sein sollen, so beteiligen sich überall in erster
Linie Frauen an den Vorbereitungen für die vielen Hunderte von öf-
fentlichen Versammlungen. Jn den meisten der dieses Jahr am 12. Mai
in allen deutschen Bundesstaaten stattgehabten Versammlungen waren
Frauen die Rednerinnen, Frauen die Leiterinnen. Nicht nur in großen
Städten, sondern auch in mittleren und kleinen Orten waren die Ver-
sammlungen außerordentlich stark besucht. Diese Veranstaltungen sind
nicht nur für die ganze Frauenstimmrechtsbewegung wichtig durch ihren
machtvollen Eindruck nach außen, sie sind auch ein Zeugnis dafür, wie
sehr es in der kurzen Zeit seit dem Fallen der vereinsgesetzlichen Schran-
ken den sozialdemokratischen Frauen gelungen ist, den Gedanken des
Frauenstimmrechtes auch der einfachsten Arbeiterfrau zum Lebensinter-
esse zu machen.

Der Bund Deutscher Frauenvereine nahm in Wiesbaden
1902 einstimmig die folgende Resolution an: "Es ist dringend zu wün-
schen, daß die Bundesvereine das Verständnis für den Gedanken des
Frauenstimmrechts nach Kräften fördern, weil alle Bestrebungen des
Bundes erst durch das Frauenstimmrecht eines dauernden Erfolges sicher
sind." Jn dem 1907 verfaßten Programm des Bundes heißt der letzte
Satz der Abteilung D. Öffentliches Leben: "Die Erlangung und dauernde
Behauptung aller dieser Ämter und Arbeitsgebiete und die Sicherung
eines dem männlichen gleichwertigen Einflusses auf die Kultur ist an
folgende öffentliche Rechte gebunden: a) das unbeschränkte Vereins-
und Versammlungsrecht; b) das volle Stimmrecht in der kirchlichen
Gemeinde; c) das aktive und passive kommunale Wahlrecht; d) das
aktive und passive politische Wahlrecht. Jn so hohem Grade auch die
Frauenbewegung eine Bewegung der Geister ist, soviel andererseits darauf
ankommt, daß jede einzelne Frau in ihrer Persönlichkeit und in ihrem

Frauenstimmrecht im Bund Deutscher Frauenvereine
das Verständnis für alle diese Fragen vertieft. Das vorzüglichste Mittel
aber, den Gedanken des Frauenstimmrechts zu verbreiten, sind die
„Frauentage“, die einem Beschluß der Kopenhagener Jnternationalen
Frauenkonferenz zufolge auch in Deutschland alljährlich zur Demon-
stration für das allgemeine Frauenwahlrecht veranstaltet werden. Schon
einige Wochen vorher werden in den „Leseabenden“ im ganzen Reiche
die Fragen des Frauenwahlrechtes besprochen. Ein vorbereitendes Flug-
blatt wurde in diesem Jahre in etwa 2 Millionen Exemplaren ver-
breitet, meist durch die Frauen selbst. Von der im Verlag der „Gleich-
heit“ herausgegebenen Zeitung „Frauenwahlrecht“ wurden 109000
Exemplare verkauft, weil die Frauentage, obwohl in Deutschland or-
ganisiert durch den Parteivorstand, doch ein Willensausdruck und eine
Tat der Frauen selbst sein sollen, so beteiligen sich überall in erster
Linie Frauen an den Vorbereitungen für die vielen Hunderte von öf-
fentlichen Versammlungen. Jn den meisten der dieses Jahr am 12. Mai
in allen deutschen Bundesstaaten stattgehabten Versammlungen waren
Frauen die Rednerinnen, Frauen die Leiterinnen. Nicht nur in großen
Städten, sondern auch in mittleren und kleinen Orten waren die Ver-
sammlungen außerordentlich stark besucht. Diese Veranstaltungen sind
nicht nur für die ganze Frauenstimmrechtsbewegung wichtig durch ihren
machtvollen Eindruck nach außen, sie sind auch ein Zeugnis dafür, wie
sehr es in der kurzen Zeit seit dem Fallen der vereinsgesetzlichen Schran-
ken den sozialdemokratischen Frauen gelungen ist, den Gedanken des
Frauenstimmrechtes auch der einfachsten Arbeiterfrau zum Lebensinter-
esse zu machen.

Der Bund Deutscher Frauenvereine nahm in Wiesbaden
1902 einstimmig die folgende Resolution an: „Es ist dringend zu wün-
schen, daß die Bundesvereine das Verständnis für den Gedanken des
Frauenstimmrechts nach Kräften fördern, weil alle Bestrebungen des
Bundes erst durch das Frauenstimmrecht eines dauernden Erfolges sicher
sind.“ Jn dem 1907 verfaßten Programm des Bundes heißt der letzte
Satz der Abteilung D. Öffentliches Leben: „Die Erlangung und dauernde
Behauptung aller dieser Ämter und Arbeitsgebiete und die Sicherung
eines dem männlichen gleichwertigen Einflusses auf die Kultur ist an
folgende öffentliche Rechte gebunden: a) das unbeschränkte Vereins-
und Versammlungsrecht; b) das volle Stimmrecht in der kirchlichen
Gemeinde; c) das aktive und passive kommunale Wahlrecht; d) das
aktive und passive politische Wahlrecht. Jn so hohem Grade auch die
Frauenbewegung eine Bewegung der Geister ist, soviel andererseits darauf
ankommt, daß jede einzelne Frau in ihrer Persönlichkeit und in ihrem

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[168/0011] Frauenstimmrecht im Bund Deutscher Frauenvereine das Verständnis für alle diese Fragen vertieft. Das vorzüglichste Mittel aber, den Gedanken des Frauenstimmrechts zu verbreiten, sind die „Frauentage“, die einem Beschluß der Kopenhagener Jnternationalen Frauenkonferenz zufolge auch in Deutschland alljährlich zur Demon- stration für das allgemeine Frauenwahlrecht veranstaltet werden. Schon einige Wochen vorher werden in den „Leseabenden“ im ganzen Reiche die Fragen des Frauenwahlrechtes besprochen. Ein vorbereitendes Flug- blatt wurde in diesem Jahre in etwa 2 Millionen Exemplaren ver- breitet, meist durch die Frauen selbst. Von der im Verlag der „Gleich- heit“ herausgegebenen Zeitung „Frauenwahlrecht“ wurden 109000 Exemplare verkauft, weil die Frauentage, obwohl in Deutschland or- ganisiert durch den Parteivorstand, doch ein Willensausdruck und eine Tat der Frauen selbst sein sollen, so beteiligen sich überall in erster Linie Frauen an den Vorbereitungen für die vielen Hunderte von öf- fentlichen Versammlungen. Jn den meisten der dieses Jahr am 12. Mai in allen deutschen Bundesstaaten stattgehabten Versammlungen waren Frauen die Rednerinnen, Frauen die Leiterinnen. Nicht nur in großen Städten, sondern auch in mittleren und kleinen Orten waren die Ver- sammlungen außerordentlich stark besucht. Diese Veranstaltungen sind nicht nur für die ganze Frauenstimmrechtsbewegung wichtig durch ihren machtvollen Eindruck nach außen, sie sind auch ein Zeugnis dafür, wie sehr es in der kurzen Zeit seit dem Fallen der vereinsgesetzlichen Schran- ken den sozialdemokratischen Frauen gelungen ist, den Gedanken des Frauenstimmrechtes auch der einfachsten Arbeiterfrau zum Lebensinter- esse zu machen. Der Bund Deutscher Frauenvereine nahm in Wiesbaden 1902 einstimmig die folgende Resolution an: „Es ist dringend zu wün- schen, daß die Bundesvereine das Verständnis für den Gedanken des Frauenstimmrechts nach Kräften fördern, weil alle Bestrebungen des Bundes erst durch das Frauenstimmrecht eines dauernden Erfolges sicher sind.“ Jn dem 1907 verfaßten Programm des Bundes heißt der letzte Satz der Abteilung D. Öffentliches Leben: „Die Erlangung und dauernde Behauptung aller dieser Ämter und Arbeitsgebiete und die Sicherung eines dem männlichen gleichwertigen Einflusses auf die Kultur ist an folgende öffentliche Rechte gebunden: a) das unbeschränkte Vereins- und Versammlungsrecht; b) das volle Stimmrecht in der kirchlichen Gemeinde; c) das aktive und passive kommunale Wahlrecht; d) das aktive und passive politische Wahlrecht. Jn so hohem Grade auch die Frauenbewegung eine Bewegung der Geister ist, soviel andererseits darauf ankommt, daß jede einzelne Frau in ihrer Persönlichkeit und in ihrem

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-01-26T16:17:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-01-26T16:17:50Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Lindemann, Anna: Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland. Leipzig und Berlin, 1913, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lindemann_frauenstimmrechtsbewegung_1913/11>, abgerufen am 23.11.2024.