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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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führen, namentlich wenn nicht die flache Erde, sondern ein
erhöhter Sitzpunkt gewählt ist.

Haben wir uns hiermit einen allgemeinen Überblick über
die verschiedenen Flugarten verschafft, so können wir die
Fliegebewegungen hiernach in betreff der erforderlichen Kraft-
leistung in 3 Gruppen eintheilen.

Die erste derselben besteht in dem Fliegen ohne Vorwärts-
bewegung, aber auch ohne Windwirkung, also genauer aus-
gedrückt in dem Fliegen, wo der Vogel gegen die ihn um-
gebende Luft keine wesentliche Ortsveränderung erfährt.
Dieses wäre dann auch der Fall, wenn ein Vogel mit dem
Winde fliegt und zwar genau so schnell, wie der Wind weht.
In diesen Fällen ist die vorkommende grösste Flugarbeit er-
forderlich, abgesehen davon, wenn der Vogel noch ausserdem
senkrecht sich schnell erheben will. Zu der Bewältigung
dieser Arbeitsgrösse findet eine Ausnutzung des grossen Muskel-
materials der Vögel statt. Jeder Vogel kommt auch in die
Lage, sowohl beim Auffliegen als bei seinen Jagdmanövern
diese auf seiner Brust gelagerte Muskelmasse auszunutzen, er
braucht dieselbe daher, um in sein Element hineinzukommen
und sich darin zu ernähren.

Die zweite Fliegeart ist die, welche von den meisten
Vögeln zu ihrer gewöhnlichen Fortbewegung angewendet wird.
Sie besteht in dem gewöhnlichen Ruderflug mit mässig
schnellem Flügelschlag. Diesen Flug können alle Vögel aus-
führen. Er ist immer mit Ausnahme des Fliegens gegen
starken Wind mit einer schnellen Ortsveränderung verbunden.
Der Ruderflug verursacht den Vögeln eine mässige Anstren-
gung und viele derselben entwickeln hierbei eine bedeutende
Ausdauer, woraus zu schliessen ist, dass die dazu in Thätig-
keit kommenden Muskeln nicht bis auf das äusserste Mass
ihrer Spannkraft beansprucht werden.

Die dritte Art des Fliegens endlich ist diejenige, welche
wir mit Schwebeflug zu bezeichnen haben, und welche fast
einem passiven Schweben in der Luft gleicht, indem dabei

führen, namentlich wenn nicht die flache Erde, sondern ein
erhöhter Sitzpunkt gewählt ist.

Haben wir uns hiermit einen allgemeinen Überblick über
die verschiedenen Flugarten verschafft, so können wir die
Fliegebewegungen hiernach in betreff der erforderlichen Kraft-
leistung in 3 Gruppen eintheilen.

Die erste derselben besteht in dem Fliegen ohne Vorwärts-
bewegung, aber auch ohne Windwirkung, also genauer aus-
gedrückt in dem Fliegen, wo der Vogel gegen die ihn um-
gebende Luft keine wesentliche Ortsveränderung erfährt.
Dieses wäre dann auch der Fall, wenn ein Vogel mit dem
Winde fliegt und zwar genau so schnell, wie der Wind weht.
In diesen Fällen ist die vorkommende gröſste Flugarbeit er-
forderlich, abgesehen davon, wenn der Vogel noch auſserdem
senkrecht sich schnell erheben will. Zu der Bewältigung
dieser Arbeitsgröſse findet eine Ausnutzung des groſsen Muskel-
materials der Vögel statt. Jeder Vogel kommt auch in die
Lage, sowohl beim Auffliegen als bei seinen Jagdmanövern
diese auf seiner Brust gelagerte Muskelmasse auszunutzen, er
braucht dieselbe daher, um in sein Element hineinzukommen
und sich darin zu ernähren.

Die zweite Fliegeart ist die, welche von den meisten
Vögeln zu ihrer gewöhnlichen Fortbewegung angewendet wird.
Sie besteht in dem gewöhnlichen Ruderflug mit mäſsig
schnellem Flügelschlag. Diesen Flug können alle Vögel aus-
führen. Er ist immer mit Ausnahme des Fliegens gegen
starken Wind mit einer schnellen Ortsveränderung verbunden.
Der Ruderflug verursacht den Vögeln eine mäſsige Anstren-
gung und viele derselben entwickeln hierbei eine bedeutende
Ausdauer, woraus zu schlieſsen ist, daſs die dazu in Thätig-
keit kommenden Muskeln nicht bis auf das äuſserste Maſs
ihrer Spannkraft beansprucht werden.

Die dritte Art des Fliegens endlich ist diejenige, welche
wir mit Schwebeflug zu bezeichnen haben, und welche fast
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[31/0047] führen, namentlich wenn nicht die flache Erde, sondern ein erhöhter Sitzpunkt gewählt ist. Haben wir uns hiermit einen allgemeinen Überblick über die verschiedenen Flugarten verschafft, so können wir die Fliegebewegungen hiernach in betreff der erforderlichen Kraft- leistung in 3 Gruppen eintheilen. Die erste derselben besteht in dem Fliegen ohne Vorwärts- bewegung, aber auch ohne Windwirkung, also genauer aus- gedrückt in dem Fliegen, wo der Vogel gegen die ihn um- gebende Luft keine wesentliche Ortsveränderung erfährt. Dieses wäre dann auch der Fall, wenn ein Vogel mit dem Winde fliegt und zwar genau so schnell, wie der Wind weht. In diesen Fällen ist die vorkommende gröſste Flugarbeit er- forderlich, abgesehen davon, wenn der Vogel noch auſserdem senkrecht sich schnell erheben will. Zu der Bewältigung dieser Arbeitsgröſse findet eine Ausnutzung des groſsen Muskel- materials der Vögel statt. Jeder Vogel kommt auch in die Lage, sowohl beim Auffliegen als bei seinen Jagdmanövern diese auf seiner Brust gelagerte Muskelmasse auszunutzen, er braucht dieselbe daher, um in sein Element hineinzukommen und sich darin zu ernähren. Die zweite Fliegeart ist die, welche von den meisten Vögeln zu ihrer gewöhnlichen Fortbewegung angewendet wird. Sie besteht in dem gewöhnlichen Ruderflug mit mäſsig schnellem Flügelschlag. Diesen Flug können alle Vögel aus- führen. Er ist immer mit Ausnahme des Fliegens gegen starken Wind mit einer schnellen Ortsveränderung verbunden. Der Ruderflug verursacht den Vögeln eine mäſsige Anstren- gung und viele derselben entwickeln hierbei eine bedeutende Ausdauer, woraus zu schlieſsen ist, daſs die dazu in Thätig- keit kommenden Muskeln nicht bis auf das äuſserste Maſs ihrer Spannkraft beansprucht werden. Die dritte Art des Fliegens endlich ist diejenige, welche wir mit Schwebeflug zu bezeichnen haben, und welche fast einem passiven Schweben in der Luft gleicht, indem dabei

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/47>, abgerufen am 25.11.2024.