kreist, so werden wir annehmen müssen, dass seine Muskel- thätigkeit dabei eine verschwindend kleine ist.
Aber auch einen ungefähren Zahlenwert für die Flug- arbeit der Vögel können wir ohne Schwierigkeiten erhalten. Wir können die Flügelschläge zählen, welche vom Vogel in der Sekunde gemacht werden; wir können uns die Kenntnis vom Gewichte des Vogels und von der Form seiner aus- gebreiteten Flügel verschaffen; wir können aus letzterer auch auf die ungefähre Lage desjenigen Flügelpunktes schliessen, an welchem die Mittelkraft des hebenden Luftwiderstandes angreift, und nach Feststellung des Flügelausschlages den ungefähren Hub dieses Luftwiderstandscentrums in Metern gemessen angeben.
Durch unsere Sinneswahrnehmungen an einem fliegenden Vogel können wir daher mit einem gewissen Grad von Ge- nauigkeit die Fliegearbeit herleiten, welche in der Überschrift "Der sichtbare Kraftaufwand der Vögel" genannt ist.
Es sei angenommen, was ja annähernd der Fall ist, dass der Vogel die Flügel gleich schnell hebt und senkt, dass also für die Flügelaufschläge in Summa dieselbe Zeit verbraucht wird als zu den Niederschlägen. Es sei ferner angenommen, dass der Flügelaufschlag verschwindend wenig auf Hebung und Senkung des Vogels einwirkt und auch verschwindend wenig Muskelarbeit erfordert. Die Fliegearbeit des Vogels besteht dann nur im Herunterschlagen der Flügel, und nur die hierbei pro Sekunde zurückgelegte relativ zum Vogel gemessene Wegstrecke des Luftwiderstandscentrums ist für die Rechnung in Anschlag zu bringen.
Wenn der Vogel G kg wiegt, wird beim Flügelaufschlag diese Kraft ihn herunterdrücken, denn sie wirkt während dieser Zeit allein auf den Vogel. Damit der Vogel aber beim Flügelniederschlag sich wieder ebensoviel hebt, wie er beim Flügelheben sank, muss auch beim Flügelniederschlag eine Kraft von G kg hebend auf den Vogel wirken. Der Vogel muss daher durch Niederschlagen seiner Flügel einen nach oben wirkenden Luftwiderstand erzeugen von der Grösse 2 G,
kreist, so werden wir annehmen müssen, daſs seine Muskel- thätigkeit dabei eine verschwindend kleine ist.
Aber auch einen ungefähren Zahlenwert für die Flug- arbeit der Vögel können wir ohne Schwierigkeiten erhalten. Wir können die Flügelschläge zählen, welche vom Vogel in der Sekunde gemacht werden; wir können uns die Kenntnis vom Gewichte des Vogels und von der Form seiner aus- gebreiteten Flügel verschaffen; wir können aus letzterer auch auf die ungefähre Lage desjenigen Flügelpunktes schlieſsen, an welchem die Mittelkraft des hebenden Luftwiderstandes angreift, und nach Feststellung des Flügelausschlages den ungefähren Hub dieses Luftwiderstandscentrums in Metern gemessen angeben.
Durch unsere Sinneswahrnehmungen an einem fliegenden Vogel können wir daher mit einem gewissen Grad von Ge- nauigkeit die Fliegearbeit herleiten, welche in der Überschrift „Der sichtbare Kraftaufwand der Vögel“ genannt ist.
Es sei angenommen, was ja annähernd der Fall ist, daſs der Vogel die Flügel gleich schnell hebt und senkt, daſs also für die Flügelaufschläge in Summa dieselbe Zeit verbraucht wird als zu den Niederschlägen. Es sei ferner angenommen, daſs der Flügelaufschlag verschwindend wenig auf Hebung und Senkung des Vogels einwirkt und auch verschwindend wenig Muskelarbeit erfordert. Die Fliegearbeit des Vogels besteht dann nur im Herunterschlagen der Flügel, und nur die hierbei pro Sekunde zurückgelegte relativ zum Vogel gemessene Wegstrecke des Luftwiderstandscentrums ist für die Rechnung in Anschlag zu bringen.
Wenn der Vogel G kg wiegt, wird beim Flügelaufschlag diese Kraft ihn herunterdrücken, denn sie wirkt während dieser Zeit allein auf den Vogel. Damit der Vogel aber beim Flügelniederschlag sich wieder ebensoviel hebt, wie er beim Flügelheben sank, muſs auch beim Flügelniederschlag eine Kraft von G kg hebend auf den Vogel wirken. Der Vogel muſs daher durch Niederschlagen seiner Flügel einen nach oben wirkenden Luftwiderstand erzeugen von der Gröſse 2 G,
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kreist, so werden wir annehmen müssen, daſs seine Muskel-
thätigkeit dabei eine verschwindend kleine ist.
Aber auch einen ungefähren Zahlenwert für die Flug-
arbeit der Vögel können wir ohne Schwierigkeiten erhalten.
Wir können die Flügelschläge zählen, welche vom Vogel in
der Sekunde gemacht werden; wir können uns die Kenntnis
vom Gewichte des Vogels und von der Form seiner aus-
gebreiteten Flügel verschaffen; wir können aus letzterer auch
auf die ungefähre Lage desjenigen Flügelpunktes schlieſsen,
an welchem die Mittelkraft des hebenden Luftwiderstandes
angreift, und nach Feststellung des Flügelausschlages den
ungefähren Hub dieses Luftwiderstandscentrums in Metern
gemessen angeben.
Durch unsere Sinneswahrnehmungen an einem fliegenden
Vogel können wir daher mit einem gewissen Grad von Ge-
nauigkeit die Fliegearbeit herleiten, welche in der Überschrift
„Der sichtbare Kraftaufwand der Vögel“ genannt ist.
Es sei angenommen, was ja annähernd der Fall ist, daſs
der Vogel die Flügel gleich schnell hebt und senkt, daſs also
für die Flügelaufschläge in Summa dieselbe Zeit verbraucht
wird als zu den Niederschlägen. Es sei ferner angenommen,
daſs der Flügelaufschlag verschwindend wenig auf Hebung
und Senkung des Vogels einwirkt und auch verschwindend
wenig Muskelarbeit erfordert. Die Fliegearbeit des Vogels
besteht dann nur im Herunterschlagen der Flügel, und nur
die hierbei pro Sekunde zurückgelegte relativ zum Vogel
gemessene Wegstrecke des Luftwiderstandscentrums ist für
die Rechnung in Anschlag zu bringen.
Wenn der Vogel G kg wiegt, wird beim Flügelaufschlag
diese Kraft ihn herunterdrücken, denn sie wirkt während
dieser Zeit allein auf den Vogel. Damit der Vogel aber beim
Flügelniederschlag sich wieder ebensoviel hebt, wie er beim
Flügelheben sank, muſs auch beim Flügelniederschlag eine
Kraft von G kg hebend auf den Vogel wirken. Der Vogel
muſs daher durch Niederschlagen seiner Flügel einen nach
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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/39>, abgerufen am 03.07.2024.
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