Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.eigentlich mit der Flugfrage zu dem alten Standpunkte zurück, In Zahlen lassen sich solche Fragen nicht beantworten, Wir dürfen wohl somit annehmen, dass der Ballon der Diese falsche Richtung ist aber hauptsächlich darin zu Es giebt nun einmal kein brauchbares Mittelding zwischen eigentlich mit der Flugfrage zu dem alten Standpunkte zurück, In Zahlen lassen sich solche Fragen nicht beantworten, Wir dürfen wohl somit annehmen, daſs der Ballon der Diese falsche Richtung ist aber hauptsächlich darin zu Es giebt nun einmal kein brauchbares Mittelding zwischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0173" n="157"/> eigentlich mit der Flugfrage zu dem alten Standpunkte zurück,<lb/> den sie vor der Erfindung des Ballons eingenommen hat, und<lb/> unwillkürlich drängt sich uns die Frage auf, wieviel die Fliege-<lb/> kunst hätte gefördert werden können, wenn die Aufmerksam-<lb/> keit nicht hundert Jahre von ihr abgelenkt worden wäre, und<lb/> wenn jene auſserordentlichen Mittel des Geistes wie des Geld-<lb/> beutels, welche in die Lenkbarkeit des Luftballons hinein-<lb/> gesteckt wurden, ihr hätten zu gute kommen können.</p><lb/> <p>In Zahlen lassen sich solche Fragen nicht beantworten,<lb/> aber <hi rendition="#g">jener</hi> Überzeugung können wir uns nicht verschlieſsen,<lb/> daſs ohne den Luftballon die Energie in Verfolgung der Ziele<lb/> der eigentlichen Aviatik jetzt ungleich gröſser sein würde,<lb/> weil erst durch die Enttäuschungen, welche der Luftballon<lb/> herbeiführte, dieser leidige Skepticismus um sich griff, der<lb/> die eigentlich Berufenen der Fliegeidee so sehr entfremdete,<lb/> und daſs auf diesem Forschungsgebiet, wo fast jeder systema-<lb/> tisch ausgeführte Spatenstich Neues zu Tage fördern muſs,<lb/> manches erschlossen sein würde, über das wir uns jetzt noch<lb/> in vollkommener Unwissenheit befinden.</p><lb/> <p>Wir dürfen wohl somit annehmen, daſs der Ballon der<lb/> freien Fliegekunst eigentlich nicht genützt hat, wenn man nicht<lb/> so weit gehen will, den Luftballon geradezu als einen Hemm-<lb/> schuh für die freie Entwickelung der Flugtechnik anzusehen,<lb/> weil er die Interessen zersplitterte und diejenige Forschung,<lb/> welche dem freien Fliegen dienen sollte, auf eine falsche Bahn<lb/> verwies.</p><lb/> <p>Diese falsche Richtung ist aber hauptsächlich darin zu<lb/> erblicken, daſs man einen allmählichen Übergang suchte von<lb/> dem Ballon zu der für schnelle, freie Bewegung in der Luft<lb/> geeignete Flugvorrichtung. Der Ballon blieb immer der Aus-<lb/> gangspunkt und zerstörte durch sein schwerfälliges Volumen<lb/> jeden Erfolg.</p><lb/> <p>Es giebt nun einmal kein brauchbares Mittelding zwischen<lb/> Ballon und Flugmaschine. Wenn uns noch etwas zum wirk-<lb/> lichen freien Fliegen verhelfen kann, so ist es <hi rendition="#g">kein</hi> allmäh-<lb/> licher Übergang vom Auftrieb leichter Gase zum Auftrieb<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [157/0173]
eigentlich mit der Flugfrage zu dem alten Standpunkte zurück,
den sie vor der Erfindung des Ballons eingenommen hat, und
unwillkürlich drängt sich uns die Frage auf, wieviel die Fliege-
kunst hätte gefördert werden können, wenn die Aufmerksam-
keit nicht hundert Jahre von ihr abgelenkt worden wäre, und
wenn jene auſserordentlichen Mittel des Geistes wie des Geld-
beutels, welche in die Lenkbarkeit des Luftballons hinein-
gesteckt wurden, ihr hätten zu gute kommen können.
In Zahlen lassen sich solche Fragen nicht beantworten,
aber jener Überzeugung können wir uns nicht verschlieſsen,
daſs ohne den Luftballon die Energie in Verfolgung der Ziele
der eigentlichen Aviatik jetzt ungleich gröſser sein würde,
weil erst durch die Enttäuschungen, welche der Luftballon
herbeiführte, dieser leidige Skepticismus um sich griff, der
die eigentlich Berufenen der Fliegeidee so sehr entfremdete,
und daſs auf diesem Forschungsgebiet, wo fast jeder systema-
tisch ausgeführte Spatenstich Neues zu Tage fördern muſs,
manches erschlossen sein würde, über das wir uns jetzt noch
in vollkommener Unwissenheit befinden.
Wir dürfen wohl somit annehmen, daſs der Ballon der
freien Fliegekunst eigentlich nicht genützt hat, wenn man nicht
so weit gehen will, den Luftballon geradezu als einen Hemm-
schuh für die freie Entwickelung der Flugtechnik anzusehen,
weil er die Interessen zersplitterte und diejenige Forschung,
welche dem freien Fliegen dienen sollte, auf eine falsche Bahn
verwies.
Diese falsche Richtung ist aber hauptsächlich darin zu
erblicken, daſs man einen allmählichen Übergang suchte von
dem Ballon zu der für schnelle, freie Bewegung in der Luft
geeignete Flugvorrichtung. Der Ballon blieb immer der Aus-
gangspunkt und zerstörte durch sein schwerfälliges Volumen
jeden Erfolg.
Es giebt nun einmal kein brauchbares Mittelding zwischen
Ballon und Flugmaschine. Wenn uns noch etwas zum wirk-
lichen freien Fliegen verhelfen kann, so ist es kein allmäh-
licher Übergang vom Auftrieb leichter Gase zum Auftrieb
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