Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

teil ist aber zum Tragen wohl geeignet, weil er nahe am
Körper liegend durch den kürzeren Hebelarm des Luftwider-
standes ein kleineres, den ganzen Flügelbau weniger bean-
spruchendes Biegungsmoment ergiebt. Die Flügelhand dagegen
ist federleicht, weil sie eigentlich fast nur aus Federn besteht.
Sie ist nicht an einem schnellen Heben und Senken gehindert.
Der durch sie verursachte Luftwiderstand würde aber, wenn
er dem grösseren Flügelausschlag entsprechend zunähme, so-
wohl eine unvorteilhaft starke Beanspruchung der Flügel, als
auch einen grossen Arbeitsaufwand verursachen. Es ist eben
zu vermuten, dass die Funktion der Flügelspitzen weniger in

[Abbildung] Fig. 68.
[Abbildung]
[Abbildung]

Fliegende Möwe

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 69.
[Abbildung]

Aufschlag

[Abbildung]

Niederschlag

der Erzeugung eines grösseren hebenden als vielmehr eines
kleineren, aber vor allen Dingen vorwärts ziehenden Luft-
widerstandes besteht.

Und in der That, die Beobachtung hinterlässt hierüber
keinen Zweifel; man braucht nur bei Sonnenschein die Möwen
zu beobachten und wird an den Lichteffekten die wechselnde
Neigung der Flügelspitzen deutlich wahrnehmen, die ein förm-
liches Aufblitzen bei jedem Flügelschlag hervorruft. Es bietet
sich ein veränderliches Bild, wie die 2 Figuren 68 und 69 es
zeigen, an denen einmal die Flügelstellung beim Aufschlag,
das andere Mal beim Niederschlag angegeben ist. Die von
uns fortfliegende Möwe zeigt uns beim Aufschlag Fig. 68 die
Oberseite ihrer Flügelspitzen hell von der Sonne beschienen,
während wir beim Niederschlag Fig. 69 die schattige Höhlung
von hinten erblicken. Offenbar geht also die Flügelspitze mit

teil ist aber zum Tragen wohl geeignet, weil er nahe am
Körper liegend durch den kürzeren Hebelarm des Luftwider-
standes ein kleineres, den ganzen Flügelbau weniger bean-
spruchendes Biegungsmoment ergiebt. Die Flügelhand dagegen
ist federleicht, weil sie eigentlich fast nur aus Federn besteht.
Sie ist nicht an einem schnellen Heben und Senken gehindert.
Der durch sie verursachte Luftwiderstand würde aber, wenn
er dem gröſseren Flügelausschlag entsprechend zunähme, so-
wohl eine unvorteilhaft starke Beanspruchung der Flügel, als
auch einen groſsen Arbeitsaufwand verursachen. Es ist eben
zu vermuten, daſs die Funktion der Flügelspitzen weniger in

[Abbildung] Fig. 68.
[Abbildung]
[Abbildung]

Fliegende Möwe

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 69.
[Abbildung]

Aufschlag

[Abbildung]

Niederschlag

der Erzeugung eines gröſseren hebenden als vielmehr eines
kleineren, aber vor allen Dingen vorwärts ziehenden Luft-
widerstandes besteht.

Und in der That, die Beobachtung hinterläſst hierüber
keinen Zweifel; man braucht nur bei Sonnenschein die Möwen
zu beobachten und wird an den Lichteffekten die wechselnde
Neigung der Flügelspitzen deutlich wahrnehmen, die ein förm-
liches Aufblitzen bei jedem Flügelschlag hervorruft. Es bietet
sich ein veränderliches Bild, wie die 2 Figuren 68 und 69 es
zeigen, an denen einmal die Flügelstellung beim Aufschlag,
das andere Mal beim Niederschlag angegeben ist. Die von
uns fortfliegende Möwe zeigt uns beim Aufschlag Fig. 68 die
Oberseite ihrer Flügelspitzen hell von der Sonne beschienen,
während wir beim Niederschlag Fig. 69 die schattige Höhlung
von hinten erblicken. Offenbar geht also die Flügelspitze mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="139"/>
teil ist aber zum Tragen wohl geeignet, weil er nahe am<lb/>
Körper liegend durch den kürzeren Hebelarm des Luftwider-<lb/>
standes ein kleineres, den ganzen Flügelbau weniger bean-<lb/>
spruchendes Biegungsmoment ergiebt. Die Flügelhand dagegen<lb/>
ist federleicht, weil sie eigentlich fast nur aus Federn besteht.<lb/>
Sie ist nicht an einem schnellen Heben und Senken gehindert.<lb/>
Der durch sie verursachte Luftwiderstand würde aber, wenn<lb/>
er dem grö&#x017F;seren Flügelausschlag entsprechend zunähme, so-<lb/>
wohl eine unvorteilhaft starke Beanspruchung der Flügel, als<lb/>
auch einen gro&#x017F;sen Arbeitsaufwand verursachen. Es ist eben<lb/>
zu vermuten, da&#x017F;s die Funktion der Flügelspitzen weniger in<lb/><figure><head>Fig. 68.</head></figure><lb/><figure/> <figure><p><hi rendition="#i">Fliegende Möwe</hi></p></figure><lb/><figure/> <figure><head>Fig. 69.</head></figure><lb/><figure><p><hi rendition="#i">Aufschlag</hi></p></figure><lb/><figure><p><hi rendition="#i">Niederschlag</hi></p></figure><lb/>
der Erzeugung eines grö&#x017F;seren hebenden als vielmehr eines<lb/>
kleineren, aber vor allen Dingen vorwärts ziehenden Luft-<lb/>
widerstandes besteht.</p><lb/>
        <p>Und in der That, die Beobachtung hinterlä&#x017F;st hierüber<lb/>
keinen Zweifel; man braucht nur bei Sonnenschein die Möwen<lb/>
zu beobachten und wird an den Lichteffekten die wechselnde<lb/>
Neigung der Flügelspitzen deutlich wahrnehmen, die ein förm-<lb/>
liches Aufblitzen bei jedem Flügelschlag hervorruft. Es bietet<lb/>
sich ein veränderliches Bild, wie die 2 Figuren 68 und 69 es<lb/>
zeigen, an denen einmal die Flügelstellung beim Aufschlag,<lb/>
das andere Mal beim Niederschlag angegeben ist. Die von<lb/>
uns fortfliegende Möwe zeigt uns beim Aufschlag Fig. 68 die<lb/>
Oberseite ihrer Flügelspitzen hell von der Sonne beschienen,<lb/>
während wir beim Niederschlag Fig. 69 die schattige Höhlung<lb/>
von hinten erblicken. Offenbar geht also die Flügelspitze mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0155] teil ist aber zum Tragen wohl geeignet, weil er nahe am Körper liegend durch den kürzeren Hebelarm des Luftwider- standes ein kleineres, den ganzen Flügelbau weniger bean- spruchendes Biegungsmoment ergiebt. Die Flügelhand dagegen ist federleicht, weil sie eigentlich fast nur aus Federn besteht. Sie ist nicht an einem schnellen Heben und Senken gehindert. Der durch sie verursachte Luftwiderstand würde aber, wenn er dem gröſseren Flügelausschlag entsprechend zunähme, so- wohl eine unvorteilhaft starke Beanspruchung der Flügel, als auch einen groſsen Arbeitsaufwand verursachen. Es ist eben zu vermuten, daſs die Funktion der Flügelspitzen weniger in [Abbildung Fig. 68.] [Abbildung] [Abbildung Fliegende Möwe] [Abbildung] [Abbildung Fig. 69.] [Abbildung Aufschlag] [Abbildung Niederschlag] der Erzeugung eines gröſseren hebenden als vielmehr eines kleineren, aber vor allen Dingen vorwärts ziehenden Luft- widerstandes besteht. Und in der That, die Beobachtung hinterläſst hierüber keinen Zweifel; man braucht nur bei Sonnenschein die Möwen zu beobachten und wird an den Lichteffekten die wechselnde Neigung der Flügelspitzen deutlich wahrnehmen, die ein förm- liches Aufblitzen bei jedem Flügelschlag hervorruft. Es bietet sich ein veränderliches Bild, wie die 2 Figuren 68 und 69 es zeigen, an denen einmal die Flügelstellung beim Aufschlag, das andere Mal beim Niederschlag angegeben ist. Die von uns fortfliegende Möwe zeigt uns beim Aufschlag Fig. 68 die Oberseite ihrer Flügelspitzen hell von der Sonne beschienen, während wir beim Niederschlag Fig. 69 die schattige Höhlung von hinten erblicken. Offenbar geht also die Flügelspitze mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/155
Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/155>, abgerufen am 24.11.2024.