Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite

Ich flog indessen, das war nichts gewagt,
Unter sich kreuzendem Geschoß in Mitten.
Rechts reden unsre Rohre, ungefragt,
Links wollen feindliche sich das verbitten.
Gezänk und Anspuken, ich bin hindurchgeritten.

Plötzlich erkenn' ich einen Johanniter
Am roten Kreuz auf seiner weißen Binde.
Wo kommst du her, du schneidiger Samariter,
Was trieb dich, daß ich hier im Kampf dich finde?
Er aber riß vom Haupt den Hut geschwinde,
Und schwang ihn viel, den seltnen Lüftekreiser,
Und schwang ihn hoch im schwachen Abendwinde,
Und rief, vom Reiten angestrengt und heiser,
Gestern ward unser greiser, großer König Kaiser.
Und zum Salute donnern die Batterieen
Den Kaisergruß, wie niemals er gebracht.
Zweihundertfünfzig heiße Munde schrieen
Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht.
Scheu schielt aus gelbgesäumter Wolkennacht
Zum ersten Mal die weiße Wintersonne,
Und schwefelfarben leuchtete die Schlacht
Bis auf die fernst marschierende Kolonne --
Daß hoch mein jung Soldatenherze schlug in Wonne.
Tot lag vor mir ein Garde mobile du Nord,
Es scharrt mein Fuchs und blies ihm in die Haare.
Da klang ein Ton herüber an mein Ohr,
Den Höllenlärm durchstieß der Ton, der klare.
Nüchtern, nicht wie die schmetternde Fanfare,
Klang her das Horn von jenen Musketieren.
Daß dir, mein Vaterland, es Gott bewahre,
Das Infanterie Signal zum Avancieren.
Dann bist du sicher vor Franzosen und Baschkiren.

Ich flog indeſſen, das war nichts gewagt,
Unter ſich kreuzendem Geſchoß in Mitten.
Rechts reden unſre Rohre, ungefragt,
Links wollen feindliche ſich das verbitten.
Gezänk und Anſpuken, ich bin hindurchgeritten.

Plötzlich erkenn’ ich einen Johanniter
Am roten Kreuz auf ſeiner weißen Binde.
Wo kommſt du her, du ſchneidiger Samariter,
Was trieb dich, daß ich hier im Kampf dich finde?
Er aber riß vom Haupt den Hut geſchwinde,
Und ſchwang ihn viel, den ſeltnen Lüftekreiſer,
Und ſchwang ihn hoch im ſchwachen Abendwinde,
Und rief, vom Reiten angeſtrengt und heiſer,
Geſtern ward unſer greiſer, großer König Kaiſer.
Und zum Salute donnern die Batterieen
Den Kaiſergruß, wie niemals er gebracht.
Zweihundertfünfzig heiße Munde ſchrieen
Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht.
Scheu ſchielt aus gelbgeſäumter Wolkennacht
Zum erſten Mal die weiße Winterſonne,
Und ſchwefelfarben leuchtete die Schlacht
Bis auf die fernſt marſchierende Kolonne —
Daß hoch mein jung Soldatenherze ſchlug in Wonne.
Tot lag vor mir ein Garde mobile du Nord,
Es ſcharrt mein Fuchs und blies ihm in die Haare.
Da klang ein Ton herüber an mein Ohr,
Den Höllenlärm durchſtieß der Ton, der klare.
Nüchtern, nicht wie die ſchmetternde Fanfare,
Klang her das Horn von jenen Musketieren.
Daß dir, mein Vaterland, es Gott bewahre,
Das Infanterie Signal zum Avancieren.
Dann biſt du ſicher vor Franzoſen und Baſchkiren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0163" n="155"/>
              <l> <hi rendition="#et">Ich flog inde&#x017F;&#x017F;en, das war nichts gewagt,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Unter &#x017F;ich kreuzendem Ge&#x017F;choß in Mitten.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Rechts reden un&#x017F;re Rohre, ungefragt,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Links wollen feindliche &#x017F;ich das verbitten.</hi> </l><lb/>
              <l>Gezänk und An&#x017F;puken, ich bin hindurchgeritten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l> <hi rendition="#et">Plötzlich erkenn&#x2019; ich einen Johanniter</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Am roten Kreuz auf &#x017F;einer weißen Binde.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Wo komm&#x017F;t du her, du &#x017F;chneidiger Samariter,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Was trieb dich, daß ich hier im Kampf dich finde?</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Er aber riß vom Haupt den Hut ge&#x017F;chwinde,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Und &#x017F;chwang ihn viel, den &#x017F;eltnen Lüftekrei&#x017F;er,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Und &#x017F;chwang ihn hoch im &#x017F;chwachen Abendwinde,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Und rief, vom Reiten ange&#x017F;trengt und hei&#x017F;er,</hi> </l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;tern ward un&#x017F;er grei&#x017F;er, großer König Kai&#x017F;er.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l> <hi rendition="#et">Und zum Salute donnern die Batterieen</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Den Kai&#x017F;ergruß, wie niemals er gebracht.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Zweihundertfünfzig heiße Munde &#x017F;chrieen</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Scheu &#x017F;chielt aus gelbge&#x017F;äumter Wolkennacht</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Zum er&#x017F;ten Mal die weiße Winter&#x017F;onne,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Und &#x017F;chwefelfarben leuchtete die Schlacht</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Bis auf die fern&#x017F;t mar&#x017F;chierende Kolonne &#x2014;</hi> </l><lb/>
              <l>Daß hoch mein jung Soldatenherze &#x017F;chlug in Wonne.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l> <hi rendition="#et">Tot lag vor mir ein Garde mobile du Nord,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Es &#x017F;charrt mein Fuchs und blies ihm in die Haare.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Da klang ein Ton herüber an mein Ohr,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Den Höllenlärm durch&#x017F;tieß der Ton, der klare.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Nüchtern, nicht wie die &#x017F;chmetternde Fanfare,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Klang her das Horn von jenen Musketieren.</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Daß dir, mein Vaterland, es Gott bewahre,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Das Infanterie Signal zum Avancieren.</hi> </l><lb/>
              <l>Dann bi&#x017F;t du &#x017F;icher vor Franzo&#x017F;en und Ba&#x017F;chkiren.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0163] Ich flog indeſſen, das war nichts gewagt, Unter ſich kreuzendem Geſchoß in Mitten. Rechts reden unſre Rohre, ungefragt, Links wollen feindliche ſich das verbitten. Gezänk und Anſpuken, ich bin hindurchgeritten. Plötzlich erkenn’ ich einen Johanniter Am roten Kreuz auf ſeiner weißen Binde. Wo kommſt du her, du ſchneidiger Samariter, Was trieb dich, daß ich hier im Kampf dich finde? Er aber riß vom Haupt den Hut geſchwinde, Und ſchwang ihn viel, den ſeltnen Lüftekreiſer, Und ſchwang ihn hoch im ſchwachen Abendwinde, Und rief, vom Reiten angeſtrengt und heiſer, Geſtern ward unſer greiſer, großer König Kaiſer. Und zum Salute donnern die Batterieen Den Kaiſergruß, wie niemals er gebracht. Zweihundertfünfzig heiße Munde ſchrieen Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht. Scheu ſchielt aus gelbgeſäumter Wolkennacht Zum erſten Mal die weiße Winterſonne, Und ſchwefelfarben leuchtete die Schlacht Bis auf die fernſt marſchierende Kolonne — Daß hoch mein jung Soldatenherze ſchlug in Wonne. Tot lag vor mir ein Garde mobile du Nord, Es ſcharrt mein Fuchs und blies ihm in die Haare. Da klang ein Ton herüber an mein Ohr, Den Höllenlärm durchſtieß der Ton, der klare. Nüchtern, nicht wie die ſchmetternde Fanfare, Klang her das Horn von jenen Musketieren. Daß dir, mein Vaterland, es Gott bewahre, Das Infanterie Signal zum Avancieren. Dann biſt du ſicher vor Franzoſen und Baſchkiren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/163
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/163>, abgerufen am 24.11.2024.