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Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

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Der General hielt regungslos. Sein ernstes, durch-
geistigtes, feines Gesicht war blaß. Je mehr es in ihm
arbeitete, je mehr beherrschte er sich äußerlich. Wir Offiziere
blickten fortwährend durch unsere Gläser und tauschten Be-
merkungen.

Verwundete hinkten bei uns vorüber oder wurden vor-
beigetragen.

Der Tag war trüb und grau, doch die Übersicht nur
zuweilen durch den sich schwer verziehenden Pulverdampf
behindert. Wir konnten deutlich vor uns und rechts und
links die gegenseitigen Schützenlinien und die Kolonnen, die,
wenn sie ins Granatfeuer kamen, sich teilten, sehen.

Auf drei Infanterie-Bataillone westlich von uns richtete
sich plötzlich unsere ganze Aufmerksamkeit. Sie zogen neben
einander in einer engen Mulde, wie ratlos, hin und her,
ohne sich entwickeln zu können. Wie uns schien, marschierten
sie in aufgeschlossener Kolonne nach der Mitte; Kompagnie-
Kolonnen zu formieren, hinderten die steilen Wände des Ein-
schnitts. Ein Füllhorn von Granaten schüttete sich über
sie aus. Auch der General bemerkte es. Er wandte den
Kopf zu uns und rief meinen Namen. Ich war mit bei-
nahe einem einzigen Sprunge von der Stelle an seiner Seite:
"Excellenz?" "Sehen Sie die kleine Kuppe halbrechts vor
uns?" Er deutete, den Krimstecher in der Hand behaltend,
auf diese. "Es steht dort ein einzelner Baum; sehen Sie ihn?"
"Zu Befehl, Excellenz." Ich hatte zu thun, mein lebhaft
drängendes Pferd zu beruhigen. "Reiten Sie zur 97. leichten
Batterie; sie soll unverzüglich dort Stellung nehmen und
feuern. Haben wir uns verstanden?" "Zu Befehl, Excellenz."
"Reiten Sie selbst mit der Batterie auf den Hügel und
klären Sie dem Batterie-Chef die Situation auf." "Zu Be-
fehl, Excellenz." ... und ich war schon unterwegs zu der
nur wenige Minuten hinter uns haltenden, vom Oberbefehls-
haber zu seiner speciellen Verfügung gestellten Batterie. Es
war ein schauderhafter Weg. Gräben und Wälle mußten

Der General hielt regungslos. Sein ernſtes, durch-
geiſtigtes, feines Geſicht war blaß. Je mehr es in ihm
arbeitete, je mehr beherrſchte er ſich äußerlich. Wir Offiziere
blickten fortwährend durch unſere Gläſer und tauſchten Be-
merkungen.

Verwundete hinkten bei uns vorüber oder wurden vor-
beigetragen.

Der Tag war trüb und grau, doch die Überſicht nur
zuweilen durch den ſich ſchwer verziehenden Pulverdampf
behindert. Wir konnten deutlich vor uns und rechts und
links die gegenſeitigen Schützenlinien und die Kolonnen, die,
wenn ſie ins Granatfeuer kamen, ſich teilten, ſehen.

Auf drei Infanterie-Bataillone weſtlich von uns richtete
ſich plötzlich unſere ganze Aufmerkſamkeit. Sie zogen neben
einander in einer engen Mulde, wie ratlos, hin und her,
ohne ſich entwickeln zu können. Wie uns ſchien, marſchierten
ſie in aufgeſchloſſener Kolonne nach der Mitte; Kompagnie-
Kolonnen zu formieren, hinderten die ſteilen Wände des Ein-
ſchnitts. Ein Füllhorn von Granaten ſchüttete ſich über
ſie aus. Auch der General bemerkte es. Er wandte den
Kopf zu uns und rief meinen Namen. Ich war mit bei-
nahe einem einzigen Sprunge von der Stelle an ſeiner Seite:
„Excellenz?“ „Sehen Sie die kleine Kuppe halbrechts vor
uns?“ Er deutete, den Krimſtecher in der Hand behaltend,
auf dieſe. „Es ſteht dort ein einzelner Baum; ſehen Sie ihn?“
„Zu Befehl, Excellenz.“ Ich hatte zu thun, mein lebhaft
drängendes Pferd zu beruhigen. „Reiten Sie zur 97. leichten
Batterie; ſie ſoll unverzüglich dort Stellung nehmen und
feuern. Haben wir uns verſtanden?“ „Zu Befehl, Excellenz.“
„Reiten Sie ſelbſt mit der Batterie auf den Hügel und
klären Sie dem Batterie-Chef die Situation auf.“ „Zu Be-
fehl, Excellenz.“ … und ich war ſchon unterwegs zu der
nur wenige Minuten hinter uns haltenden, vom Oberbefehls-
haber zu ſeiner ſpeciellen Verfügung geſtellten Batterie. Es
war ein ſchauderhafter Weg. Gräben und Wälle mußten

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[149/0157] Der General hielt regungslos. Sein ernſtes, durch- geiſtigtes, feines Geſicht war blaß. Je mehr es in ihm arbeitete, je mehr beherrſchte er ſich äußerlich. Wir Offiziere blickten fortwährend durch unſere Gläſer und tauſchten Be- merkungen. Verwundete hinkten bei uns vorüber oder wurden vor- beigetragen. Der Tag war trüb und grau, doch die Überſicht nur zuweilen durch den ſich ſchwer verziehenden Pulverdampf behindert. Wir konnten deutlich vor uns und rechts und links die gegenſeitigen Schützenlinien und die Kolonnen, die, wenn ſie ins Granatfeuer kamen, ſich teilten, ſehen. Auf drei Infanterie-Bataillone weſtlich von uns richtete ſich plötzlich unſere ganze Aufmerkſamkeit. Sie zogen neben einander in einer engen Mulde, wie ratlos, hin und her, ohne ſich entwickeln zu können. Wie uns ſchien, marſchierten ſie in aufgeſchloſſener Kolonne nach der Mitte; Kompagnie- Kolonnen zu formieren, hinderten die ſteilen Wände des Ein- ſchnitts. Ein Füllhorn von Granaten ſchüttete ſich über ſie aus. Auch der General bemerkte es. Er wandte den Kopf zu uns und rief meinen Namen. Ich war mit bei- nahe einem einzigen Sprunge von der Stelle an ſeiner Seite: „Excellenz?“ „Sehen Sie die kleine Kuppe halbrechts vor uns?“ Er deutete, den Krimſtecher in der Hand behaltend, auf dieſe. „Es ſteht dort ein einzelner Baum; ſehen Sie ihn?“ „Zu Befehl, Excellenz.“ Ich hatte zu thun, mein lebhaft drängendes Pferd zu beruhigen. „Reiten Sie zur 97. leichten Batterie; ſie ſoll unverzüglich dort Stellung nehmen und feuern. Haben wir uns verſtanden?“ „Zu Befehl, Excellenz.“ „Reiten Sie ſelbſt mit der Batterie auf den Hügel und klären Sie dem Batterie-Chef die Situation auf.“ „Zu Be- fehl, Excellenz.“ … und ich war ſchon unterwegs zu der nur wenige Minuten hinter uns haltenden, vom Oberbefehls- haber zu ſeiner ſpeciellen Verfügung geſtellten Batterie. Es war ein ſchauderhafter Weg. Gräben und Wälle mußten

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Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/157>, abgerufen am 24.11.2024.