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Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

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auf triefenden Pferden Adjutanten, Ordonnanzoffiziere und
Ordonnanzen, um zu melden. Den Letzteren war die Meldung
schriftlich mit Blei gegeben. Der General schob die kleinen
vierkantigen Zettel in die Satteltasche, ohne einen der hinter
ihm haltenden Offiziere heranzuwinken. Noch immer hielt
er regungslos; nur zuweilen den Krimstecher gebrauchend
oder in die Karte blickend. Sein großer Dunkelbrauner kaute
unaufhörlich den linken Trensenzügel, ab und zu mit dem
Kopfe nickend. Eine Granate krepierte zwischen uns und
riß einen Hauptmann vom Stabe in Stücke. Sein Pferd
bäumte hoch auf, schlug mit den Vorderhufen in die Luft,
und brach dann, gräßlich zerschmettert, zusammen. Wir
waren alle unwillkürlich auf einen Augenblick auseinander-
gesprengt. Ein Offizier eilte zum General, um ihm den Tod
des von ihm sehr hoch gehaltenen Hauptmanns zu melden.
Der General blieb regungslos; nur klopfte er seinem, durch
den furchtbaren Knall unruhig gewordenem Pferde den Hals,
und ritt einmal eine liegende Acht.

Die Suite stand wieder auf demselben Fleck. Auf die
entsetzlich verstümmelte Leiche breitete eine Stabsordonnanz ein
vor dem brennenden Gebäude liegendes buntes Bettlaken.
Um das Bettlaken herum waren hingeworfen eine Kaffe-
mühle, ein Bauer mit einem Kanarienvogel, der piepte und
lustig, selbst in der schiefen Lage, sein halb verstreutes Futter
nahm. Vor dem Hause lagen ferner Bücher, Tassen, eine
Frauenmütze, zerbrochene Vasen, Bilder, Kissen, eine Cigarren-
tasche mit einer Stickerei, ein Kamm, eine Zuckerdose und
tausenderlei sonstige Hausgeräte und nützliche und nicht-
nützliche Gegenstände.

Verwundet war sonst keiner von uns. Die Granate
mußte auf dem Sattelknopf des Pferdes des Hauptmanns
zerplatzt sein. Ab und zu schwirrte eine verlorene Gewehr-
kugel mit pfeifendem Tone über unsere Köpfe. Eine schlug
in den Gartenzaun ein. Klapp! klang es leicht. Wie ein
Spechtschnabelhieb.


auf triefenden Pferden Adjutanten, Ordonnanzoffiziere und
Ordonnanzen, um zu melden. Den Letzteren war die Meldung
ſchriftlich mit Blei gegeben. Der General ſchob die kleinen
vierkantigen Zettel in die Satteltaſche, ohne einen der hinter
ihm haltenden Offiziere heranzuwinken. Noch immer hielt
er regungslos; nur zuweilen den Krimſtecher gebrauchend
oder in die Karte blickend. Sein großer Dunkelbrauner kaute
unaufhörlich den linken Trenſenzügel, ab und zu mit dem
Kopfe nickend. Eine Granate krepierte zwiſchen uns und
riß einen Hauptmann vom Stabe in Stücke. Sein Pferd
bäumte hoch auf, ſchlug mit den Vorderhufen in die Luft,
und brach dann, gräßlich zerſchmettert, zuſammen. Wir
waren alle unwillkürlich auf einen Augenblick auseinander-
geſprengt. Ein Offizier eilte zum General, um ihm den Tod
des von ihm ſehr hoch gehaltenen Hauptmanns zu melden.
Der General blieb regungslos; nur klopfte er ſeinem, durch
den furchtbaren Knall unruhig gewordenem Pferde den Hals,
und ritt einmal eine liegende Acht.

Die Suite ſtand wieder auf demſelben Fleck. Auf die
entſetzlich verſtümmelte Leiche breitete eine Stabsordonnanz ein
vor dem brennenden Gebäude liegendes buntes Bettlaken.
Um das Bettlaken herum waren hingeworfen eine Kaffe-
mühle, ein Bauer mit einem Kanarienvogel, der piepte und
luſtig, ſelbſt in der ſchiefen Lage, ſein halb verſtreutes Futter
nahm. Vor dem Hauſe lagen ferner Bücher, Taſſen, eine
Frauenmütze, zerbrochene Vaſen, Bilder, Kiſſen, eine Cigarren-
taſche mit einer Stickerei, ein Kamm, eine Zuckerdoſe und
tauſenderlei ſonſtige Hausgeräte und nützliche und nicht-
nützliche Gegenſtände.

Verwundet war ſonſt keiner von uns. Die Granate
mußte auf dem Sattelknopf des Pferdes des Hauptmanns
zerplatzt ſein. Ab und zu ſchwirrte eine verlorene Gewehr-
kugel mit pfeifendem Tone über unſere Köpfe. Eine ſchlug
in den Gartenzaun ein. Klapp! klang es leicht. Wie ein
Spechtſchnabelhieb.


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[148/0156] auf triefenden Pferden Adjutanten, Ordonnanzoffiziere und Ordonnanzen, um zu melden. Den Letzteren war die Meldung ſchriftlich mit Blei gegeben. Der General ſchob die kleinen vierkantigen Zettel in die Satteltaſche, ohne einen der hinter ihm haltenden Offiziere heranzuwinken. Noch immer hielt er regungslos; nur zuweilen den Krimſtecher gebrauchend oder in die Karte blickend. Sein großer Dunkelbrauner kaute unaufhörlich den linken Trenſenzügel, ab und zu mit dem Kopfe nickend. Eine Granate krepierte zwiſchen uns und riß einen Hauptmann vom Stabe in Stücke. Sein Pferd bäumte hoch auf, ſchlug mit den Vorderhufen in die Luft, und brach dann, gräßlich zerſchmettert, zuſammen. Wir waren alle unwillkürlich auf einen Augenblick auseinander- geſprengt. Ein Offizier eilte zum General, um ihm den Tod des von ihm ſehr hoch gehaltenen Hauptmanns zu melden. Der General blieb regungslos; nur klopfte er ſeinem, durch den furchtbaren Knall unruhig gewordenem Pferde den Hals, und ritt einmal eine liegende Acht. Die Suite ſtand wieder auf demſelben Fleck. Auf die entſetzlich verſtümmelte Leiche breitete eine Stabsordonnanz ein vor dem brennenden Gebäude liegendes buntes Bettlaken. Um das Bettlaken herum waren hingeworfen eine Kaffe- mühle, ein Bauer mit einem Kanarienvogel, der piepte und luſtig, ſelbſt in der ſchiefen Lage, ſein halb verſtreutes Futter nahm. Vor dem Hauſe lagen ferner Bücher, Taſſen, eine Frauenmütze, zerbrochene Vaſen, Bilder, Kiſſen, eine Cigarren- taſche mit einer Stickerei, ein Kamm, eine Zuckerdoſe und tauſenderlei ſonſtige Hausgeräte und nützliche und nicht- nützliche Gegenſtände. Verwundet war ſonſt keiner von uns. Die Granate mußte auf dem Sattelknopf des Pferdes des Hauptmanns zerplatzt ſein. Ab und zu ſchwirrte eine verlorene Gewehr- kugel mit pfeifendem Tone über unſere Köpfe. Eine ſchlug in den Gartenzaun ein. Klapp! klang es leicht. Wie ein Spechtſchnabelhieb.

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Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/156>, abgerufen am 24.11.2024.