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Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

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Als ich auf dem Rückweg an dieselbe Brücke kam, lag
noch immer der Garde mobile da. Ich sprang vom Pferde,
und mir den Trensenzügel über die Schulter hängend, kniete
ich nieder, um ihm aufzuhelfen. Doch zu spät; aus seinen
Augen lachte mich der Tod an, und die Urmutter Erde sog
gierig sein Blut. Der Tag ward heller, wenn er auch trübe
blieb. Der Himmel zeigte dem Schlachttage ein widerwärtiges,
heimatforderndes Graueinerlei. Schwach klang vom linken
Flügel Gewehrfeuer her. Ich nahm den Krimstecher. Doch
kaum hielt ich ihn vor den Augen, als mich ein heftiges
Knattern schnell zum Umsehn zwang. Vor einem durch-
sichtigen, nahen Wäldchen lagen graue Wölkchen im Ringel-
tanze. Da knallte es wieder. Wetter! Das galt mir. Klipp,
klapp, schlug's um mich ein in die nackten Zweige einer Eiche.
Ich schoß wie die Schwalbe davon, nach rückwärts, zum
Wäldchen, Abschiedshandkußgrüße sendend.

Dann, im ruhigen, englischen Trabe weiter reitend, stieß
ich plötzlich auf einen Zug Husaren, der um die Ecke eines
Häuschens bog. Voran mein Freund, ein junger Offizier
mit schiefem Kolpak. Ihm gehörte schon seit Jahren mein
Herz; wir hatten uns manchen Tag und manche Nacht zu-
sammengefunden. Wie immer war er a quatre epingles.
Im rechten Auge glitzerte die Scherbe, von der ich behauptete,
daß er sie auch Nachts nicht ablege. "Wo willst du hin?"
"Und du?" Er deutete auf das Wäldchen, das sich mir eben
so freundschaftlich gezeigt, und berichtete, daß er auf Kund-
schaft ausgesandt sei: man habe das Schießen gehört. Zu-
gleich solle er erforschen, ob sich Kolonnen hinter dem Walde
gesammelt hätten.

Ich bot mich an, ihm den Weg zu zeigen. Wir schlichen,
Indianern gleich, hinter Knick und Wall, jede Terrainfalte
sorgsam benutzend. Voran wir zwei, nach allen Seiten
spähend. Neben uns blieb der bärtige Trompeter, die unzer-
trennliche Begleitung des Lieutenants. Dann folgten zwanzig
frische, blonde, blauäugige Bauerburschen.


10

Als ich auf dem Rückweg an dieſelbe Brücke kam, lag
noch immer der Garde mobile da. Ich ſprang vom Pferde,
und mir den Trenſenzügel über die Schulter hängend, kniete
ich nieder, um ihm aufzuhelfen. Doch zu ſpät; aus ſeinen
Augen lachte mich der Tod an, und die Urmutter Erde ſog
gierig ſein Blut. Der Tag ward heller, wenn er auch trübe
blieb. Der Himmel zeigte dem Schlachttage ein widerwärtiges,
heimatforderndes Graueinerlei. Schwach klang vom linken
Flügel Gewehrfeuer her. Ich nahm den Krimſtecher. Doch
kaum hielt ich ihn vor den Augen, als mich ein heftiges
Knattern ſchnell zum Umſehn zwang. Vor einem durch-
ſichtigen, nahen Wäldchen lagen graue Wölkchen im Ringel-
tanze. Da knallte es wieder. Wetter! Das galt mir. Klipp,
klapp, ſchlug’s um mich ein in die nackten Zweige einer Eiche.
Ich ſchoß wie die Schwalbe davon, nach rückwärts, zum
Wäldchen, Abſchiedshandkußgrüße ſendend.

Dann, im ruhigen, engliſchen Trabe weiter reitend, ſtieß
ich plötzlich auf einen Zug Huſaren, der um die Ecke eines
Häuschens bog. Voran mein Freund, ein junger Offizier
mit ſchiefem Kolpak. Ihm gehörte ſchon ſeit Jahren mein
Herz; wir hatten uns manchen Tag und manche Nacht zu-
ſammengefunden. Wie immer war er a quatre epingles.
Im rechten Auge glitzerte die Scherbe, von der ich behauptete,
daß er ſie auch Nachts nicht ablege. „Wo willſt du hin?“
„Und du?“ Er deutete auf das Wäldchen, das ſich mir eben
ſo freundſchaftlich gezeigt, und berichtete, daß er auf Kund-
ſchaft ausgeſandt ſei: man habe das Schießen gehört. Zu-
gleich ſolle er erforſchen, ob ſich Kolonnen hinter dem Walde
geſammelt hätten.

Ich bot mich an, ihm den Weg zu zeigen. Wir ſchlichen,
Indianern gleich, hinter Knick und Wall, jede Terrainfalte
ſorgſam benutzend. Voran wir zwei, nach allen Seiten
ſpähend. Neben uns blieb der bärtige Trompeter, die unzer-
trennliche Begleitung des Lieutenants. Dann folgten zwanzig
friſche, blonde, blauäugige Bauerburſchen.


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[145/0153] Als ich auf dem Rückweg an dieſelbe Brücke kam, lag noch immer der Garde mobile da. Ich ſprang vom Pferde, und mir den Trenſenzügel über die Schulter hängend, kniete ich nieder, um ihm aufzuhelfen. Doch zu ſpät; aus ſeinen Augen lachte mich der Tod an, und die Urmutter Erde ſog gierig ſein Blut. Der Tag ward heller, wenn er auch trübe blieb. Der Himmel zeigte dem Schlachttage ein widerwärtiges, heimatforderndes Graueinerlei. Schwach klang vom linken Flügel Gewehrfeuer her. Ich nahm den Krimſtecher. Doch kaum hielt ich ihn vor den Augen, als mich ein heftiges Knattern ſchnell zum Umſehn zwang. Vor einem durch- ſichtigen, nahen Wäldchen lagen graue Wölkchen im Ringel- tanze. Da knallte es wieder. Wetter! Das galt mir. Klipp, klapp, ſchlug’s um mich ein in die nackten Zweige einer Eiche. Ich ſchoß wie die Schwalbe davon, nach rückwärts, zum Wäldchen, Abſchiedshandkußgrüße ſendend. Dann, im ruhigen, engliſchen Trabe weiter reitend, ſtieß ich plötzlich auf einen Zug Huſaren, der um die Ecke eines Häuschens bog. Voran mein Freund, ein junger Offizier mit ſchiefem Kolpak. Ihm gehörte ſchon ſeit Jahren mein Herz; wir hatten uns manchen Tag und manche Nacht zu- ſammengefunden. Wie immer war er a quatre epingles. Im rechten Auge glitzerte die Scherbe, von der ich behauptete, daß er ſie auch Nachts nicht ablege. „Wo willſt du hin?“ „Und du?“ Er deutete auf das Wäldchen, das ſich mir eben ſo freundſchaftlich gezeigt, und berichtete, daß er auf Kund- ſchaft ausgeſandt ſei: man habe das Schießen gehört. Zu- gleich ſolle er erforſchen, ob ſich Kolonnen hinter dem Walde geſammelt hätten. Ich bot mich an, ihm den Weg zu zeigen. Wir ſchlichen, Indianern gleich, hinter Knick und Wall, jede Terrainfalte ſorgſam benutzend. Voran wir zwei, nach allen Seiten ſpähend. Neben uns blieb der bärtige Trompeter, die unzer- trennliche Begleitung des Lieutenants. Dann folgten zwanzig friſche, blonde, blauäugige Bauerburſchen. 10

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Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/153>, abgerufen am 24.11.2024.