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Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.

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-- Die vorstehend -- mit wenigen unwesentlichen Abänder-
ungen ganz wortgetreu -- abgedruckten Artikel sind in genauem Zu-
sammenhang miteinander und bilden ein Ganzes. Berichtigend, er-
klärend und ergänzend habe ich nux wenig hinzuzufügen. Daß man,
mitten im Drang und Sturm der Ereignisse, die Bedeutung der ein-
zelnen Thatsachen nicht immer genau abwägen kann, liegt auf der Hand
-- im Allgemeinen wird man mir aber zugestehn müssen, daß der
Gang der Ereignisse meiner Auffassung Recht gegeben hat.

Die deutsche "Neutralität" hat im englischen Parlament
soeben eine grelle Beleuchtung gefunden: das Vermittlungsgesuch, wel-
ches die Pforte nach dem Falle vom Plewna an die "neutralen" euro-
päischen Mächte richtete, ist nach der amtlichen Erklärung des englischen
Ministeriums an dem Widerstande der deutschen Reichsregierung
gescheitert. Hätte unsere Reichsregierung sich England, welches die Jni-
tiative ergriff, und den übrigen Mächten, die bereit waren "mitzu-
machen", nicht mit aller Energie in den Weg gestellt, um Rußland
einen Separatfrieden mit der Türkei zu ermöglichen, so wären un-
zweifelhaft die entsetzlichen Kriegsgräuel der letzten 5 Wochen uns er-
spart geblieben. Ein Commentar ist überflüssig.

Und nicht bloß wären der Menschheit diese Gräuel -- unserer "na-
tionalen" Politik wäre auch die Beschämung erspart worden, daß,
während das allmächtige Deutsche Reich keine deutschen "Jnteressen"
im Orient und darum keinen Grund zur Einmischung entdecken konnte,
das gehöhnte verspottete England es war, welches den Vorkampf
gegen die russische Barbarei übernahm, und die russischen Eroberer-
horden zum Stehn brachte. "Es gibt kein Europa mehr" -- nur
noch ein England, der Rest ist Schweigen oder -- Rußland.
Nichtsdestoweniger wird unsere Reptilienpresse allem Vermuthen nach
den Versuch machen, dem Fürsten Bismarck das Verdienst des Waffen-
stillstands und Friedenschlusses, falls derselbe zu Stande kommen

— Die vorſtehend — mit wenigen unweſentlichen Abänder-
ungen ganz wortgetreu — abgedruckten Artikel ſind in genauem Zu-
ſammenhang miteinander und bilden ein Ganzes. Berichtigend, er-
klärend und ergänzend habe ich nux wenig hinzuzufügen. Daß man,
mitten im Drang und Sturm der Ereigniſſe, die Bedeutung der ein-
zelnen Thatſachen nicht immer genau abwägen kann, liegt auf der Hand
— im Allgemeinen wird man mir aber zugeſtehn müſſen, daß der
Gang der Ereigniſſe meiner Auffaſſung Recht gegeben hat.

Die deutſche „Neutralität‟ hat im engliſchen Parlament
ſoeben eine grelle Beleuchtung gefunden: das Vermittlungsgeſuch, wel-
ches die Pforte nach dem Falle vom Plewna an die „neutralen‟ euro-
päiſchen Mächte richtete, iſt nach der amtlichen Erklärung des engliſchen
Miniſteriums an dem Widerſtande der deutſchen Reichsregierung
geſcheitert. Hätte unſere Reichsregierung ſich England, welches die Jni-
tiative ergriff, und den übrigen Mächten, die bereit waren „mitzu-
machen‟, nicht mit aller Energie in den Weg geſtellt, um Rußland
einen Separatfrieden mit der Türkei zu ermöglichen, ſo wären un-
zweifelhaft die entſetzlichen Kriegsgräuel der letzten 5 Wochen uns er-
ſpart geblieben. Ein Commentar iſt überflüſſig.

Und nicht bloß wären der Menſchheit dieſe Gräuel — unſerer „na-
tionalen‟ Politik wäre auch die Beſchämung erſpart worden, daß,
während das allmächtige Deutſche Reich keine deutſchen „Jntereſſen‟
im Orient und darum keinen Grund zur Einmiſchung entdecken konnte,
das gehöhnte verſpottete England es war, welches den Vorkampf
gegen die ruſſiſche Barbarei übernahm, und die ruſſiſchen Eroberer-
horden zum Stehn brachte. „Es gibt kein Europa mehr‟ — nur
noch ein England, der Reſt iſt Schweigen oder — Rußland.
Nichtsdeſtoweniger wird unſere Reptilienpreſſe allem Vermuthen nach
den Verſuch machen, dem Fürſten Bismarck das Verdienſt des Waffen-
ſtillſtands und Friedenſchluſſes, falls derſelbe zu Stande kommen

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Zitationshilfe: Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878, S. [39]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebknecht_frage_1878/43>, abgerufen am 21.11.2024.