nur die Pflanzenstoffe, von denen die ersteren sich ernährt haben; Pflanzenfibrin und -Albumin nehmen in dem Magen des pflanzenfressenden Thiers genau die nämliche Form an, wie Thierfibrin und Thieralbumin in dem Magen der Car- nivoren.
Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, daß die Entwicke- lung der Organe eines Thiers, ihre Vergrößerung und Zu- nahme an Masse an die Aufnahme gewisser Stoffe geknüpft ist, die identisch sind mit den Hauptbestandtheilen ihres Blutes.
In diesem Sinne kann man sagen, daß der Thierorga- nismus sein Blut nur der Form nach schafft, daß ihm die Fähigkeit mangelt, es aus anderen Stoffen zu erzeugen, die nicht identisch sind mit seinen Hauptbestandtheilen. Damit kann freilich nicht behauptet werden, daß ihm die Fähigkeit, andere Verbindungen zu erzeugen, abgehe, wir wissen im Gegentheil, daß sein Organismus eine große Reihe von seinen Blutbestandtheilen in ihrer Zusammensetzung abweichender Verbindungen hervorbringt, aber den Anfangs- punkt der Reihe, seine Blutbestandtheile, diese kann er sich nicht bilden.
Der Thierorganismus ist eine höhere Pflanze, deren Ent- wickelung mit denjenigen Materien beginnt, mit deren Er- zeugung das Leben der gewöhnlichen Pflanze aufhört; so- bald diese Samen getragen hat, stirbt sie ab, oder es hört damit eine Periode ihres Lebens auf.
In der unendlichen Reihe von Verbindungen, welche mit den Nahrungsstoffen der Pflanzen, mit Kohlensäure und Am-
Der chemiſche Proceß der
nur die Pflanzenſtoffe, von denen die erſteren ſich ernährt haben; Pflanzenfibrin und -Albumin nehmen in dem Magen des pflanzenfreſſenden Thiers genau die nämliche Form an, wie Thierfibrin und Thieralbumin in dem Magen der Car- nivoren.
Aus dem Vorhergehenden ergiebt ſich, daß die Entwicke- lung der Organe eines Thiers, ihre Vergrößerung und Zu- nahme an Maſſe an die Aufnahme gewiſſer Stoffe geknüpft iſt, die identiſch ſind mit den Hauptbeſtandtheilen ihres Blutes.
In dieſem Sinne kann man ſagen, daß der Thierorga- nismus ſein Blut nur der Form nach ſchafft, daß ihm die Fähigkeit mangelt, es aus anderen Stoffen zu erzeugen, die nicht identiſch ſind mit ſeinen Hauptbeſtandtheilen. Damit kann freilich nicht behauptet werden, daß ihm die Fähigkeit, andere Verbindungen zu erzeugen, abgehe, wir wiſſen im Gegentheil, daß ſein Organismus eine große Reihe von ſeinen Blutbeſtandtheilen in ihrer Zuſammenſetzung abweichender Verbindungen hervorbringt, aber den Anfangs- punkt der Reihe, ſeine Blutbeſtandtheile, dieſe kann er ſich nicht bilden.
Der Thierorganismus iſt eine höhere Pflanze, deren Ent- wickelung mit denjenigen Materien beginnt, mit deren Er- zeugung das Leben der gewöhnlichen Pflanze aufhört; ſo- bald dieſe Samen getragen hat, ſtirbt ſie ab, oder es hört damit eine Periode ihres Lebens auf.
In der unendlichen Reihe von Verbindungen, welche mit den Nahrungsſtoffen der Pflanzen, mit Kohlenſäure und Am-
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Der chemiſche Proceß der
nur die Pflanzenſtoffe, von denen die erſteren ſich ernährt
haben; Pflanzenfibrin und -Albumin nehmen in dem Magen
des pflanzenfreſſenden Thiers genau die nämliche Form an,
wie Thierfibrin und Thieralbumin in dem Magen der Car-
nivoren.
Aus dem Vorhergehenden ergiebt ſich, daß die Entwicke-
lung der Organe eines Thiers, ihre Vergrößerung und Zu-
nahme an Maſſe an die Aufnahme gewiſſer Stoffe geknüpft
iſt, die identiſch ſind mit den Hauptbeſtandtheilen ihres Blutes.
In dieſem Sinne kann man ſagen, daß der Thierorga-
nismus ſein Blut nur der Form nach ſchafft, daß ihm die
Fähigkeit mangelt, es aus anderen Stoffen zu erzeugen, die
nicht identiſch ſind mit ſeinen Hauptbeſtandtheilen. Damit
kann freilich nicht behauptet werden, daß ihm die Fähigkeit,
andere Verbindungen zu erzeugen, abgehe, wir wiſſen
im Gegentheil, daß ſein Organismus eine große Reihe
von ſeinen Blutbeſtandtheilen in ihrer Zuſammenſetzung
abweichender Verbindungen hervorbringt, aber den Anfangs-
punkt der Reihe, ſeine Blutbeſtandtheile, dieſe kann er ſich
nicht bilden.
Der Thierorganismus iſt eine höhere Pflanze, deren Ent-
wickelung mit denjenigen Materien beginnt, mit deren Er-
zeugung das Leben der gewöhnlichen Pflanze aufhört; ſo-
bald dieſe Samen getragen hat, ſtirbt ſie ab, oder es hört
damit eine Periode ihres Lebens auf.
In der unendlichen Reihe von Verbindungen, welche mit
den Nahrungsſtoffen der Pflanzen, mit Kohlenſäure und Am-
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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