der am Pole lebt, wo die Temperatur 40 -- 50 Grade nie- driger ist.
Trotzt diesem so höchst ungleichen Wärmeverlust, zeigt die Erfahrung, daß das Blut des Polarländers keine nie- drigere Temperatur besitzt, als das des Südländers, der in einer so verschiedenen Umgebung lebt.
Diese Thatsache ihrer wahren Bedeutung nach anerkannt, beweis't, daß die nach Außen hin abgegebene Wärme in dem Thierkörper mit großer Schnelligkeit ersetzt wird; im Winter erfolgt diese Erneuerung schneller wie im Sommer, am Pole rascher wie am Aequator.
In verschiedenen Klimaten wechselt nun die Menge des durch die Respiration in den Körper tretenden Sauerstoffs nach der Temperatur der äußern Luft; mit dem Wärmeverlust durch Abkühlung steigt die Menge des eingeathmeten Sauer- stoffs; die zur Verbindung mit diesem Sauerstoff nöthige Menge Kohlenstoff oder Wasserstoff, sie muß in einem ähn- lichen Verhältniß zunehmen.
Es ist klar, daß der Wärmeersatz bewirkt wird durch die Wechselwirkung der Bestandtheile der Speisen, die sich mit dem eingeathmeten Sauerstoff verbinden. Um einen trivialen aber deswegen nicht minder richtigen Vergleich anzuwenden, verhält sich in dieser Beziehung der Thierkörper, wie ein Ofen, den wir mit Brennmaterial versehen. Gleichgültig, welche Formen die Speisen nach und nach im Körper an- nehmen, welche Veränderungen sie auch erleiden mögen, die letzte Veränderung, die sie erfahren, ist eine Verwandlung
Reſpiration und Ernährung.
der am Pole lebt, wo die Temperatur 40 — 50 Grade nie- driger iſt.
Trotzt dieſem ſo höchſt ungleichen Wärmeverluſt, zeigt die Erfahrung, daß das Blut des Polarländers keine nie- drigere Temperatur beſitzt, als das des Südländers, der in einer ſo verſchiedenen Umgebung lebt.
Dieſe Thatſache ihrer wahren Bedeutung nach anerkannt, beweiſ’t, daß die nach Außen hin abgegebene Wärme in dem Thierkörper mit großer Schnelligkeit erſetzt wird; im Winter erfolgt dieſe Erneuerung ſchneller wie im Sommer, am Pole raſcher wie am Aequator.
In verſchiedenen Klimaten wechſelt nun die Menge des durch die Reſpiration in den Körper tretenden Sauerſtoffs nach der Temperatur der äußern Luft; mit dem Wärmeverluſt durch Abkühlung ſteigt die Menge des eingeathmeten Sauer- ſtoffs; die zur Verbindung mit dieſem Sauerſtoff nöthige Menge Kohlenſtoff oder Waſſerſtoff, ſie muß in einem ähn- lichen Verhältniß zunehmen.
Es iſt klar, daß der Wärmeerſatz bewirkt wird durch die Wechſelwirkung der Beſtandtheile der Speiſen, die ſich mit dem eingeathmeten Sauerſtoff verbinden. Um einen trivialen aber deswegen nicht minder richtigen Vergleich anzuwenden, verhält ſich in dieſer Beziehung der Thierkörper, wie ein Ofen, den wir mit Brennmaterial verſehen. Gleichgültig, welche Formen die Speiſen nach und nach im Körper an- nehmen, welche Veränderungen ſie auch erleiden mögen, die letzte Veränderung, die ſie erfahren, iſt eine Verwandlung
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Reſpiration und Ernährung.
der am Pole lebt, wo die Temperatur 40 — 50 Grade nie-
driger iſt.
Trotzt dieſem ſo höchſt ungleichen Wärmeverluſt, zeigt
die Erfahrung, daß das Blut des Polarländers keine nie-
drigere Temperatur beſitzt, als das des Südländers, der in
einer ſo verſchiedenen Umgebung lebt.
Dieſe Thatſache ihrer wahren Bedeutung nach anerkannt,
beweiſ’t, daß die nach Außen hin abgegebene Wärme in
dem Thierkörper mit großer Schnelligkeit erſetzt wird; im
Winter erfolgt dieſe Erneuerung ſchneller wie im Sommer,
am Pole raſcher wie am Aequator.
In verſchiedenen Klimaten wechſelt nun die Menge des
durch die Reſpiration in den Körper tretenden Sauerſtoffs
nach der Temperatur der äußern Luft; mit dem Wärmeverluſt
durch Abkühlung ſteigt die Menge des eingeathmeten Sauer-
ſtoffs; die zur Verbindung mit dieſem Sauerſtoff nöthige
Menge Kohlenſtoff oder Waſſerſtoff, ſie muß in einem ähn-
lichen Verhältniß zunehmen.
Es iſt klar, daß der Wärmeerſatz bewirkt wird durch die
Wechſelwirkung der Beſtandtheile der Speiſen, die ſich mit
dem eingeathmeten Sauerſtoff verbinden. Um einen trivialen
aber deswegen nicht minder richtigen Vergleich anzuwenden,
verhält ſich in dieſer Beziehung der Thierkörper, wie ein
Ofen, den wir mit Brennmaterial verſehen. Gleichgültig,
welche Formen die Speiſen nach und nach im Körper an-
nehmen, welche Veränderungen ſie auch erleiden mögen, die
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/45>, abgerufen am 16.07.2024.
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