Honig, so sieht man, daß sie nach 48 Stunden Wachsblätt- chen auf den Schuppen haben, und daß deren auch schon einige abgefallen sind. Das Wabenbauen ist also etwas Will- kürliches und an gewisse Bedingungen geknüpft; das Wachs- ausschwitzen aber etwas Unwillkürliches.
Man sollte glauben, daß eine große Menge dieser Wachs- blättchen verloren gingen, da sie ja den Bienen eben so gut außer dem Stocke als in demselben abfallen könnten; allein der Schöpfer hat weise dafür gesorgt, daß solche nicht ver- loren gehen. Stellt man den Bienen, welche im Bauen be- griffen sind, Honig in einem flachen Gefäße unter und be- deckt diesen, damit die Bienen nicht in den Honig einsinken, mit einem durchlöcherten Papier, so sieht man am andern Morgen, daß der Honig aufgetragen ist, und daß auf dem Papier eine große Menge Wachsblättchen liegen. Man sollte wohl glauben, daß die Bienen, welche den Honig aufgetra- gen haben, diese Blättchen hätten fallen lassen; allein es ist nicht so. Legt man über das Honiggefäß zwei dünne Stäb- chen und auf diese ein Brett, welches das Gefäß von allen Seiten überragt, so also, daß die Bienen unter dem Brette durchkriechen und den Honig holen können, aber nichts von oben aus dem Stocke auf den Honig fallen kann, so findet man am andern Morgen den Honig aufgetragen, aber keine Wachsblättchen auf dem Papier liegen; wohl aber liegen deren auf dem das Gefäß überragenden Brettchen. Die Bie- nen, welche den Honig holen, lassen also keine Blättchen fallen, sondern es thun dieses nur die Bienen, welche oben
Analytiſche Belege.
Honig, ſo ſieht man, daß ſie nach 48 Stunden Wachsblätt- chen auf den Schuppen haben, und daß deren auch ſchon einige abgefallen ſind. Das Wabenbauen iſt alſo etwas Will- kürliches und an gewiſſe Bedingungen geknüpft; das Wachs- ausſchwitzen aber etwas Unwillkürliches.
Man ſollte glauben, daß eine große Menge dieſer Wachs- blättchen verloren gingen, da ſie ja den Bienen eben ſo gut außer dem Stocke als in demſelben abfallen könnten; allein der Schöpfer hat weiſe dafür geſorgt, daß ſolche nicht ver- loren gehen. Stellt man den Bienen, welche im Bauen be- griffen ſind, Honig in einem flachen Gefäße unter und be- deckt dieſen, damit die Bienen nicht in den Honig einſinken, mit einem durchlöcherten Papier, ſo ſieht man am andern Morgen, daß der Honig aufgetragen iſt, und daß auf dem Papier eine große Menge Wachsblättchen liegen. Man ſollte wohl glauben, daß die Bienen, welche den Honig aufgetra- gen haben, dieſe Blättchen hätten fallen laſſen; allein es iſt nicht ſo. Legt man über das Honiggefäß zwei dünne Stäb- chen und auf dieſe ein Brett, welches das Gefäß von allen Seiten überragt, ſo alſo, daß die Bienen unter dem Brette durchkriechen und den Honig holen können, aber nichts von oben aus dem Stocke auf den Honig fallen kann, ſo findet man am andern Morgen den Honig aufgetragen, aber keine Wachsblättchen auf dem Papier liegen; wohl aber liegen deren auf dem das Gefäß überragenden Brettchen. Die Bie- nen, welche den Honig holen, laſſen alſo keine Blättchen fallen, ſondern es thun dieſes nur die Bienen, welche oben
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Analytiſche Belege.
Honig, ſo ſieht man, daß ſie nach 48 Stunden Wachsblätt-
chen auf den Schuppen haben, und daß deren auch ſchon
einige abgefallen ſind. Das Wabenbauen iſt alſo etwas Will-
kürliches und an gewiſſe Bedingungen geknüpft; das Wachs-
ausſchwitzen aber etwas Unwillkürliches.
Man ſollte glauben, daß eine große Menge dieſer Wachs-
blättchen verloren gingen, da ſie ja den Bienen eben ſo gut
außer dem Stocke als in demſelben abfallen könnten; allein
der Schöpfer hat weiſe dafür geſorgt, daß ſolche nicht ver-
loren gehen. Stellt man den Bienen, welche im Bauen be-
griffen ſind, Honig in einem flachen Gefäße unter und be-
deckt dieſen, damit die Bienen nicht in den Honig einſinken,
mit einem durchlöcherten Papier, ſo ſieht man am andern
Morgen, daß der Honig aufgetragen iſt, und daß auf dem
Papier eine große Menge Wachsblättchen liegen. Man ſollte
wohl glauben, daß die Bienen, welche den Honig aufgetra-
gen haben, dieſe Blättchen hätten fallen laſſen; allein es iſt
nicht ſo. Legt man über das Honiggefäß zwei dünne Stäb-
chen und auf dieſe ein Brett, welches das Gefäß von allen
Seiten überragt, ſo alſo, daß die Bienen unter dem Brette
durchkriechen und den Honig holen können, aber nichts von
oben aus dem Stocke auf den Honig fallen kann, ſo findet
man am andern Morgen den Honig aufgetragen, aber keine
Wachsblättchen auf dem Papier liegen; wohl aber liegen
deren auf dem das Gefäß überragenden Brettchen. Die Bie-
nen, welche den Honig holen, laſſen alſo keine Blättchen
fallen, ſondern es thun dieſes nur die Bienen, welche oben
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/334>, abgerufen am 16.02.2025.
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