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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Die Bewegungserscheinungen
welche, wie das Herz und die Eingeweide, die bewegende
Kraft nicht in sich selbst erzeugen, sondern von anderen Sei-
ten her empfangen.

Wir kennen mit zweifelloser Gewißheit in den Nerven die
Leiter und Verbreiter mechanischer Effecte, wir wissen, daß
durch sie die Bewegung nach allen Seiten hin fortgepflanzt
wird. Für jede Bewegung kennen wir einen besondern Ner-
ven, einen besondern Leiter, mit dessen Leitungsvermögen,
mit dessen Unterbrechung sich die Fortpflanzung verändert
oder eine Grenze findet.

Durch die Nerven empfangen alle Theile des Thierkör-
pers, die Glieder, die zu ihren Functionen, zum Ortswech-
sel, zur Hervorbringung mechanischer Effecte unentbehrliche
Kraft der Bewegung, wo die Nerven fehlen, vermissen wir
Bewegung; die an einem Orte im Ueberfluß erzeugte Kraft
wird den anderen durch die Nerven zugeleitet, was das eine
Organ in sich selbst an Kraft nicht zu erzeugen vermag, wird
ihm von anderen Seiten zugeführt, was ihm an Lebenskraft
fehlt, um Widerstand zu leisten gegen äußere Ursachen von
Störungen, um Widerstände aufzuheben, empfängt es als
Ueberschuß von einem andern Organe, welches ihn für sich
selbst nicht zu verwenden vermag.

Wir beobachten ferner, daß die willkührlichen und un-
willkührlichen Bewegungen, daß alle mechanischen Effecte im
Thierorganismus begleitet, daß sie abhängig sind von einer
eigenthümlichen Form- und Beschaffenheitsänderung in der
Substanz gewisser belebter Körpertheile, deren Zu- oder Ab-

Die Bewegungserſcheinungen
welche, wie das Herz und die Eingeweide, die bewegende
Kraft nicht in ſich ſelbſt erzeugen, ſondern von anderen Sei-
ten her empfangen.

Wir kennen mit zweifelloſer Gewißheit in den Nerven die
Leiter und Verbreiter mechaniſcher Effecte, wir wiſſen, daß
durch ſie die Bewegung nach allen Seiten hin fortgepflanzt
wird. Für jede Bewegung kennen wir einen beſondern Ner-
ven, einen beſondern Leiter, mit deſſen Leitungsvermögen,
mit deſſen Unterbrechung ſich die Fortpflanzung verändert
oder eine Grenze findet.

Durch die Nerven empfangen alle Theile des Thierkör-
pers, die Glieder, die zu ihren Functionen, zum Ortswech-
ſel, zur Hervorbringung mechaniſcher Effecte unentbehrliche
Kraft der Bewegung, wo die Nerven fehlen, vermiſſen wir
Bewegung; die an einem Orte im Ueberfluß erzeugte Kraft
wird den anderen durch die Nerven zugeleitet, was das eine
Organ in ſich ſelbſt an Kraft nicht zu erzeugen vermag, wird
ihm von anderen Seiten zugeführt, was ihm an Lebenskraft
fehlt, um Widerſtand zu leiſten gegen äußere Urſachen von
Störungen, um Widerſtände aufzuheben, empfängt es als
Ueberſchuß von einem andern Organe, welches ihn für ſich
ſelbſt nicht zu verwenden vermag.

Wir beobachten ferner, daß die willkührlichen und un-
willkührlichen Bewegungen, daß alle mechaniſchen Effecte im
Thierorganismus begleitet, daß ſie abhängig ſind von einer
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Subſtanz gewiſſer belebter Körpertheile, deren Zu- oder Ab-

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[224/0248] Die Bewegungserſcheinungen welche, wie das Herz und die Eingeweide, die bewegende Kraft nicht in ſich ſelbſt erzeugen, ſondern von anderen Sei- ten her empfangen. Wir kennen mit zweifelloſer Gewißheit in den Nerven die Leiter und Verbreiter mechaniſcher Effecte, wir wiſſen, daß durch ſie die Bewegung nach allen Seiten hin fortgepflanzt wird. Für jede Bewegung kennen wir einen beſondern Ner- ven, einen beſondern Leiter, mit deſſen Leitungsvermögen, mit deſſen Unterbrechung ſich die Fortpflanzung verändert oder eine Grenze findet. Durch die Nerven empfangen alle Theile des Thierkör- pers, die Glieder, die zu ihren Functionen, zum Ortswech- ſel, zur Hervorbringung mechaniſcher Effecte unentbehrliche Kraft der Bewegung, wo die Nerven fehlen, vermiſſen wir Bewegung; die an einem Orte im Ueberfluß erzeugte Kraft wird den anderen durch die Nerven zugeleitet, was das eine Organ in ſich ſelbſt an Kraft nicht zu erzeugen vermag, wird ihm von anderen Seiten zugeführt, was ihm an Lebenskraft fehlt, um Widerſtand zu leiſten gegen äußere Urſachen von Störungen, um Widerſtände aufzuheben, empfängt es als Ueberſchuß von einem andern Organe, welches ihn für ſich ſelbſt nicht zu verwenden vermag. Wir beobachten ferner, daß die willkührlichen und un- willkührlichen Bewegungen, daß alle mechaniſchen Effecte im Thierorganismus begleitet, daß ſie abhängig ſind von einer eigenthümlichen Form- und Beſchaffenheitsänderung in der Subſtanz gewiſſer belebter Körpertheile, deren Zu- oder Ab-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/248>, abgerufen am 24.11.2024.