Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Der chemische Proceß der
zu Anknüpfungspunkten dienen, um zu richtigeren Vorstel-
lungen über das Entstehen und Zerfallen der Substanzen zu
gelangen, woraus die thierischen Gebilde bestehen. Es sind
die ersten Versuche zur Auffindung des Weges, den wir ein-
zuschlagen haben, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, und
dieses Ziel, nach dem wir streben, es kann und muß er-
reichbar sein.

Die Erfahrungen von Allen, die sich mit der Erfor-
schung der Naturerscheinungen beschäftigt haben, kommen zu-
letzt darin überein, daß diese durch weit einfachere Mittel und
Ursachen bedingt und hervorgebracht werden, als man sich
gedacht hat oder als wir uns denken, und gerade ihre Ein-
fachheit müssen wir als das größte Wunder betrachten.

Die Leimsubstanz entsteht aus Blut, aus Proteinver-
bindungen, sie kann durch Hinzutreten von Ammoniak und
Sauerstoff oder von Wasser, Harnstoff und Harnsäure zu
den Elementen des Proteins, oder durch Austreten einer stick-
stofffreien Materie gebildet worden sein. Die Lösung aller
dieser Aufgaben wird minder schwierig, wenn die Fragen
zur Beantwortung reif und klar gestellt sind. Eine jede
Verneinung derselben ist der Anfangspunkt einer neuen
Frage, deren Ermittelung zuletzt die nothwendige Folge der
ersten Fragestellung ist.

40. In dem Vorhergehenden ist außer der Choleinsäure
keiner der andern Bestandtheile der Galle in Rechnung gezogen
worden, und zwar deswegen, weil man nur bei dieser Säure
mit Bestimmtheit weiß, daß sie Stickstoff enthält. Wenn

Der chemiſche Proceß der
zu Anknüpfungspunkten dienen, um zu richtigeren Vorſtel-
lungen über das Entſtehen und Zerfallen der Subſtanzen zu
gelangen, woraus die thieriſchen Gebilde beſtehen. Es ſind
die erſten Verſuche zur Auffindung des Weges, den wir ein-
zuſchlagen haben, um das vorgeſteckte Ziel zu erreichen, und
dieſes Ziel, nach dem wir ſtreben, es kann und muß er-
reichbar ſein.

Die Erfahrungen von Allen, die ſich mit der Erfor-
ſchung der Naturerſcheinungen beſchäftigt haben, kommen zu-
letzt darin überein, daß dieſe durch weit einfachere Mittel und
Urſachen bedingt und hervorgebracht werden, als man ſich
gedacht hat oder als wir uns denken, und gerade ihre Ein-
fachheit müſſen wir als das größte Wunder betrachten.

Die Leimſubſtanz entſteht aus Blut, aus Proteinver-
bindungen, ſie kann durch Hinzutreten von Ammoniak und
Sauerſtoff oder von Waſſer, Harnſtoff und Harnſäure zu
den Elementen des Proteins, oder durch Austreten einer ſtick-
ſtofffreien Materie gebildet worden ſein. Die Löſung aller
dieſer Aufgaben wird minder ſchwierig, wenn die Fragen
zur Beantwortung reif und klar geſtellt ſind. Eine jede
Verneinung derſelben iſt der Anfangspunkt einer neuen
Frage, deren Ermittelung zuletzt die nothwendige Folge der
erſten Frageſtellung iſt.

40. In dem Vorhergehenden iſt außer der Choleinſäure
keiner der andern Beſtandtheile der Galle in Rechnung gezogen
worden, und zwar deswegen, weil man nur bei dieſer Säure
mit Beſtimmtheit weiß, daß ſie Stickſtoff enthält. Wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="146"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der chemi&#x017F;che Proceß der</hi></fw><lb/>
zu Anknüpfungspunkten dienen, um zu richtigeren Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen über das Ent&#x017F;tehen und Zerfallen der Sub&#x017F;tanzen zu<lb/>
gelangen, woraus die thieri&#x017F;chen Gebilde be&#x017F;tehen. Es &#x017F;ind<lb/>
die er&#x017F;ten Ver&#x017F;uche zur Auffindung des Weges, den wir ein-<lb/>
zu&#x017F;chlagen haben, um das vorge&#x017F;teckte Ziel zu erreichen, und<lb/>
die&#x017F;es Ziel, nach dem wir &#x017F;treben, es kann und muß er-<lb/>
reichbar &#x017F;ein.</p><lb/>
          <p>Die Erfahrungen von Allen, die &#x017F;ich mit der Erfor-<lb/>
&#x017F;chung der Naturer&#x017F;cheinungen be&#x017F;chäftigt haben, kommen zu-<lb/>
letzt darin überein, daß die&#x017F;e durch weit einfachere Mittel und<lb/>
Ur&#x017F;achen bedingt und hervorgebracht werden, als man &#x017F;ich<lb/>
gedacht hat oder als wir uns denken, und gerade ihre Ein-<lb/>
fachheit mü&#x017F;&#x017F;en wir als das größte Wunder betrachten.</p><lb/>
          <p>Die Leim&#x017F;ub&#x017F;tanz ent&#x017F;teht aus Blut, aus Proteinver-<lb/>
bindungen, &#x017F;ie kann durch Hinzutreten von Ammoniak und<lb/>
Sauer&#x017F;toff oder von Wa&#x017F;&#x017F;er, Harn&#x017F;toff und Harn&#x017F;äure zu<lb/>
den Elementen des Proteins, oder durch Austreten einer &#x017F;tick-<lb/>
&#x017F;tofffreien Materie gebildet worden &#x017F;ein. Die Lö&#x017F;ung aller<lb/>
die&#x017F;er Aufgaben wird minder &#x017F;chwierig, wenn die Fragen<lb/>
zur Beantwortung reif und klar ge&#x017F;tellt &#x017F;ind. Eine jede<lb/>
Verneinung der&#x017F;elben i&#x017F;t der Anfangspunkt einer neuen<lb/>
Frage, deren Ermittelung zuletzt die nothwendige Folge der<lb/>
er&#x017F;ten Frage&#x017F;tellung i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>40. In dem Vorhergehenden i&#x017F;t außer der Cholein&#x017F;äure<lb/>
keiner der andern Be&#x017F;tandtheile der Galle in Rechnung gezogen<lb/>
worden, und zwar deswegen, weil man nur bei die&#x017F;er Säure<lb/>
mit Be&#x017F;timmtheit weiß, daß &#x017F;ie Stick&#x017F;toff enthält. Wenn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0170] Der chemiſche Proceß der zu Anknüpfungspunkten dienen, um zu richtigeren Vorſtel- lungen über das Entſtehen und Zerfallen der Subſtanzen zu gelangen, woraus die thieriſchen Gebilde beſtehen. Es ſind die erſten Verſuche zur Auffindung des Weges, den wir ein- zuſchlagen haben, um das vorgeſteckte Ziel zu erreichen, und dieſes Ziel, nach dem wir ſtreben, es kann und muß er- reichbar ſein. Die Erfahrungen von Allen, die ſich mit der Erfor- ſchung der Naturerſcheinungen beſchäftigt haben, kommen zu- letzt darin überein, daß dieſe durch weit einfachere Mittel und Urſachen bedingt und hervorgebracht werden, als man ſich gedacht hat oder als wir uns denken, und gerade ihre Ein- fachheit müſſen wir als das größte Wunder betrachten. Die Leimſubſtanz entſteht aus Blut, aus Proteinver- bindungen, ſie kann durch Hinzutreten von Ammoniak und Sauerſtoff oder von Waſſer, Harnſtoff und Harnſäure zu den Elementen des Proteins, oder durch Austreten einer ſtick- ſtofffreien Materie gebildet worden ſein. Die Löſung aller dieſer Aufgaben wird minder ſchwierig, wenn die Fragen zur Beantwortung reif und klar geſtellt ſind. Eine jede Verneinung derſelben iſt der Anfangspunkt einer neuen Frage, deren Ermittelung zuletzt die nothwendige Folge der erſten Frageſtellung iſt. 40. In dem Vorhergehenden iſt außer der Choleinſäure keiner der andern Beſtandtheile der Galle in Rechnung gezogen worden, und zwar deswegen, weil man nur bei dieſer Säure mit Beſtimmtheit weiß, daß ſie Stickſtoff enthält. Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/170
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/170>, abgerufen am 24.11.2024.