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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
sauren Kalk, in den andern Harnsteinen harnsaures Ammoniak
und zwar stets bei Personen, in denen durch Mangel an Bewegung
und Anstrengung, oder durch andere Ursachen die Sauerstoff-
zuführung gemindert ist. Nie finden sich Harnsteine, welche
Harnsäure oder Oxalsäure enthalten, bei Schwindsüchtigen
(siehe S. 24); und es ist eine gewöhnliche Erfahrung in
Frankreich bei Personen, welche an Steinbeschwerden leiden,
sobald sie sich auf das Land begeben, wo sie sich mehr Be-
wegung machen, daß die in der Blase während ihres Auf-
enthaltes in der Stadt sich absetzenden harnsauren Verbin-
dungen (durch die vergrößerte Sauerstoffaufnahme) in
oxalsaure Salze (in Maulbeersteine) übergehen; bei noch
mehr Sauerstoff würde sich wie bei gesunden Menschen nur
das letzte Oxydationsprodukt des Kohlenstoffs, nämlich nur
Kohlensäure, haben bilden können.

Die falsche Interpretation der unleugbaren Beobachtungen,
daß durch die Nieren alle von dem Organismus nicht ver-
wendbaren Substanzen verändert oder unverändert abgeschie-
den und in dem Harn ausgeleert werden, hat die praktische
Medizin zu der Ansicht geführt, daß die Nahrung und nament-
lich stickstoffhaltige Nahrungsstoffe einen directen Einfluß haben
können auf die Erzeugung der Harnsteine. Es giebt keine Gründe,
diese Meinung zu stützen, es giebt unzählige, die sie wider-
legen. Möglich ist es, daß in den Speisen eine Menge
durch die Kochkunst umgewandelter Stoffe genossen werden,
welche, als für Blutbildung nicht mehr tauglich, durch den
Respirationsproceß mehr oder weniger verändert, aus dem

Der chemiſche Proceß der
ſauren Kalk, in den andern Harnſteinen harnſaures Ammoniak
und zwar ſtets bei Perſonen, in denen durch Mangel an Bewegung
und Anſtrengung, oder durch andere Urſachen die Sauerſtoff-
zuführung gemindert iſt. Nie finden ſich Harnſteine, welche
Harnſäure oder Oxalſäure enthalten, bei Schwindſüchtigen
(ſiehe S. 24); und es iſt eine gewöhnliche Erfahrung in
Frankreich bei Perſonen, welche an Steinbeſchwerden leiden,
ſobald ſie ſich auf das Land begeben, wo ſie ſich mehr Be-
wegung machen, daß die in der Blaſe während ihres Auf-
enthaltes in der Stadt ſich abſetzenden harnſauren Verbin-
dungen (durch die vergrößerte Sauerſtoffaufnahme) in
oxalſaure Salze (in Maulbeerſteine) übergehen; bei noch
mehr Sauerſtoff würde ſich wie bei geſunden Menſchen nur
das letzte Oxydationsprodukt des Kohlenſtoffs, nämlich nur
Kohlenſäure, haben bilden können.

Die falſche Interpretation der unleugbaren Beobachtungen,
daß durch die Nieren alle von dem Organismus nicht ver-
wendbaren Subſtanzen verändert oder unverändert abgeſchie-
den und in dem Harn ausgeleert werden, hat die praktiſche
Medizin zu der Anſicht geführt, daß die Nahrung und nament-
lich ſtickſtoffhaltige Nahrungsſtoffe einen directen Einfluß haben
können auf die Erzeugung der Harnſteine. Es giebt keine Gründe,
dieſe Meinung zu ſtützen, es giebt unzählige, die ſie wider-
legen. Möglich iſt es, daß in den Speiſen eine Menge
durch die Kochkunſt umgewandelter Stoffe genoſſen werden,
welche, als für Blutbildung nicht mehr tauglich, durch den
Reſpirationsproceß mehr oder weniger verändert, aus dem

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[140/0164] Der chemiſche Proceß der ſauren Kalk, in den andern Harnſteinen harnſaures Ammoniak und zwar ſtets bei Perſonen, in denen durch Mangel an Bewegung und Anſtrengung, oder durch andere Urſachen die Sauerſtoff- zuführung gemindert iſt. Nie finden ſich Harnſteine, welche Harnſäure oder Oxalſäure enthalten, bei Schwindſüchtigen (ſiehe S. 24); und es iſt eine gewöhnliche Erfahrung in Frankreich bei Perſonen, welche an Steinbeſchwerden leiden, ſobald ſie ſich auf das Land begeben, wo ſie ſich mehr Be- wegung machen, daß die in der Blaſe während ihres Auf- enthaltes in der Stadt ſich abſetzenden harnſauren Verbin- dungen (durch die vergrößerte Sauerſtoffaufnahme) in oxalſaure Salze (in Maulbeerſteine) übergehen; bei noch mehr Sauerſtoff würde ſich wie bei geſunden Menſchen nur das letzte Oxydationsprodukt des Kohlenſtoffs, nämlich nur Kohlenſäure, haben bilden können. Die falſche Interpretation der unleugbaren Beobachtungen, daß durch die Nieren alle von dem Organismus nicht ver- wendbaren Subſtanzen verändert oder unverändert abgeſchie- den und in dem Harn ausgeleert werden, hat die praktiſche Medizin zu der Anſicht geführt, daß die Nahrung und nament- lich ſtickſtoffhaltige Nahrungsſtoffe einen directen Einfluß haben können auf die Erzeugung der Harnſteine. Es giebt keine Gründe, dieſe Meinung zu ſtützen, es giebt unzählige, die ſie wider- legen. Möglich iſt es, daß in den Speiſen eine Menge durch die Kochkunſt umgewandelter Stoffe genoſſen werden, welche, als für Blutbildung nicht mehr tauglich, durch den Reſpirationsproceß mehr oder weniger verändert, aus dem

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/164>, abgerufen am 27.11.2024.