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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
den chemischen Begriff der Verdauung frei von Irrthum in
sich aufnehmen will.

Alle Materien, welche die Erscheinungen der Gährung
und Fäulniß in Flüssigkeiten aufzuheben vermögen, stören,
in den verdauenden Magen gebracht, die Verdauung. Die
Wirkung der brenzlichen, empyreumatischen Stoffe von Caffee,
Tabacksdampf, Kreosot, Quecksilbermittel u. s. w. verdienen
in dieser Beziehung für Dietätik eine besondere Beachtung.

Durch die Gleichheit in der Zusammensetzung der Be-
standtheile des Bluts mit den stickstoffhaltigen, vegetabilischen
Nahrungsstoffen haben wir, gewiß auf eine sehr unerwartete
Weise, erfahren, warum faulendes Blut, Eiweiß, Fleisch,
Käse in Zuckerwasser die nämliche Veränderung hervorbrin-
gen, wie Hefe, warum Zucker damit in Berührung je nach
dem Zustande der Zersetzung, in welchem sich die faulenden
Materien befinden, bald in Alkohol und Kohlensäure, bald
in Milchsäure und Schleim sich zerlegt. Die Ursache liegt
einfach darin, daß die Materie, welche man Hefe (Ferment)
genannt hat, im Zustande der Zersetzung begriffenes Pflan-
zenalbumin, -Fibrin oder -Casein ist, Substanzen, welche
identisch sind mit den Bestandtheilen des Fleisches oder des
Blutes. Die Fäulniß der genannten Thiersubstanzen ist in
ihrem Vorgang identisch mit dem Proceß der Metamorphose
der ihnen identischen Pflanzenstoffe, es ist ein Zerfallen in
minder complexe neue Verbindungen. Und wenn man die
Umsetzung der Bestandtheile des Thierkörpers (den Verbrauch
an Stoff vom Thiere) als einen chemischen Proceß betrach-

Der chemiſche Proceß der
den chemiſchen Begriff der Verdauung frei von Irrthum in
ſich aufnehmen will.

Alle Materien, welche die Erſcheinungen der Gährung
und Fäulniß in Flüſſigkeiten aufzuheben vermögen, ſtören,
in den verdauenden Magen gebracht, die Verdauung. Die
Wirkung der brenzlichen, empyreumatiſchen Stoffe von Caffee,
Tabacksdampf, Kreoſot, Queckſilbermittel u. ſ. w. verdienen
in dieſer Beziehung für Dietätik eine beſondere Beachtung.

Durch die Gleichheit in der Zuſammenſetzung der Be-
ſtandtheile des Bluts mit den ſtickſtoffhaltigen, vegetabiliſchen
Nahrungsſtoffen haben wir, gewiß auf eine ſehr unerwartete
Weiſe, erfahren, warum faulendes Blut, Eiweiß, Fleiſch,
Käſe in Zuckerwaſſer die nämliche Veränderung hervorbrin-
gen, wie Hefe, warum Zucker damit in Berührung je nach
dem Zuſtande der Zerſetzung, in welchem ſich die faulenden
Materien befinden, bald in Alkohol und Kohlenſäure, bald
in Milchſäure und Schleim ſich zerlegt. Die Urſache liegt
einfach darin, daß die Materie, welche man Hefe (Ferment)
genannt hat, im Zuſtande der Zerſetzung begriffenes Pflan-
zenalbumin, -Fibrin oder -Caſein iſt, Subſtanzen, welche
identiſch ſind mit den Beſtandtheilen des Fleiſches oder des
Blutes. Die Fäulniß der genannten Thierſubſtanzen iſt in
ihrem Vorgang identiſch mit dem Proceß der Metamorphoſe
der ihnen identiſchen Pflanzenſtoffe, es iſt ein Zerfallen in
minder complexe neue Verbindungen. Und wenn man die
Umſetzung der Beſtandtheile des Thierkörpers (den Verbrauch
an Stoff vom Thiere) als einen chemiſchen Proceß betrach-

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[122/0146] Der chemiſche Proceß der den chemiſchen Begriff der Verdauung frei von Irrthum in ſich aufnehmen will. Alle Materien, welche die Erſcheinungen der Gährung und Fäulniß in Flüſſigkeiten aufzuheben vermögen, ſtören, in den verdauenden Magen gebracht, die Verdauung. Die Wirkung der brenzlichen, empyreumatiſchen Stoffe von Caffee, Tabacksdampf, Kreoſot, Queckſilbermittel u. ſ. w. verdienen in dieſer Beziehung für Dietätik eine beſondere Beachtung. Durch die Gleichheit in der Zuſammenſetzung der Be- ſtandtheile des Bluts mit den ſtickſtoffhaltigen, vegetabiliſchen Nahrungsſtoffen haben wir, gewiß auf eine ſehr unerwartete Weiſe, erfahren, warum faulendes Blut, Eiweiß, Fleiſch, Käſe in Zuckerwaſſer die nämliche Veränderung hervorbrin- gen, wie Hefe, warum Zucker damit in Berührung je nach dem Zuſtande der Zerſetzung, in welchem ſich die faulenden Materien befinden, bald in Alkohol und Kohlenſäure, bald in Milchſäure und Schleim ſich zerlegt. Die Urſache liegt einfach darin, daß die Materie, welche man Hefe (Ferment) genannt hat, im Zuſtande der Zerſetzung begriffenes Pflan- zenalbumin, -Fibrin oder -Caſein iſt, Subſtanzen, welche identiſch ſind mit den Beſtandtheilen des Fleiſches oder des Blutes. Die Fäulniß der genannten Thierſubſtanzen iſt in ihrem Vorgang identiſch mit dem Proceß der Metamorphoſe der ihnen identiſchen Pflanzenſtoffe, es iſt ein Zerfallen in minder complexe neue Verbindungen. Und wenn man die Umſetzung der Beſtandtheile des Thierkörpers (den Verbrauch an Stoff vom Thiere) als einen chemiſchen Proceß betrach-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/146>, abgerufen am 28.11.2024.