schieht, so ist damit der Blutbildung und dem Leben eine Grenze gesetzt.
Von diesem Gesichtspunkte aufgefaßt, ist es leicht erklär- lich, woher es kommt, daß die leimgebenden Gebilde, die Gallerte der Knochen und Häute, zur Ernährung und zur Unterhaltung des Lebensprocesses sich nicht eignen, denn ihre Zusammensetzung ist ungleich der des Fibrins und Al- bumins im Blute. Dies will natürlich nichts anders sagen, als daß die Organe in dem Thierkörper, welche die Blut- bildung vermitteln, die Kraft nicht besitzen, um eine Meta- morphose in der Anordnung der Elemente der Gallerte (leim- und chondringebenden Gebilde) zu bewirken. Die Leimgebilde, die Gallerte der Knochen, Membranen, Zellen und Häute erleiden in dem Thierkörper durch den Einfluß des Sauerstoffs und der Feuchtigkeit eine fortdauernde Ver- änderung, ein Theil davon tritt aus und muß aus dem Blute wieder erneuert werden, aber diese Verwandlung und Wiederherstellung ist offenbar in sehr enge Grenzen einge- schlossen.
Während in dem Körper des Verhungernden und Kran- ken das Fett verschwindet und die Muskelsubstanz die Form von Blut wieder annimmt, sehen wir die Sehnen und Mem- branen ihren Zustand behaupten, alle Glieder des Todten behalten ihren Zusammenhang, den sie diesen Gebilden ver- danken.
Auf der andern Seite sehen wir, daß von einem Kno- chen, den ein Hund verschluckt hat, nur die Knochenerde
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Reſpiration und Ernährung.
ſchieht, ſo iſt damit der Blutbildung und dem Leben eine Grenze geſetzt.
Von dieſem Geſichtspunkte aufgefaßt, iſt es leicht erklär- lich, woher es kommt, daß die leimgebenden Gebilde, die Gallerte der Knochen und Häute, zur Ernährung und zur Unterhaltung des Lebensproceſſes ſich nicht eignen, denn ihre Zuſammenſetzung iſt ungleich der des Fibrins und Al- bumins im Blute. Dies will natürlich nichts anders ſagen, als daß die Organe in dem Thierkörper, welche die Blut- bildung vermitteln, die Kraft nicht beſitzen, um eine Meta- morphoſe in der Anordnung der Elemente der Gallerte (leim- und chondringebenden Gebilde) zu bewirken. Die Leimgebilde, die Gallerte der Knochen, Membranen, Zellen und Häute erleiden in dem Thierkörper durch den Einfluß des Sauerſtoffs und der Feuchtigkeit eine fortdauernde Ver- änderung, ein Theil davon tritt aus und muß aus dem Blute wieder erneuert werden, aber dieſe Verwandlung und Wiederherſtellung iſt offenbar in ſehr enge Grenzen einge- ſchloſſen.
Während in dem Körper des Verhungernden und Kran- ken das Fett verſchwindet und die Muskelſubſtanz die Form von Blut wieder annimmt, ſehen wir die Sehnen und Mem- branen ihren Zuſtand behaupten, alle Glieder des Todten behalten ihren Zuſammenhang, den ſie dieſen Gebilden ver- danken.
Auf der andern Seite ſehen wir, daß von einem Kno- chen, den ein Hund verſchluckt hat, nur die Knochenerde
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Reſpiration und Ernährung.
ſchieht, ſo iſt damit der Blutbildung und dem Leben eine
Grenze geſetzt.
Von dieſem Geſichtspunkte aufgefaßt, iſt es leicht erklär-
lich, woher es kommt, daß die leimgebenden Gebilde, die
Gallerte der Knochen und Häute, zur Ernährung und zur
Unterhaltung des Lebensproceſſes ſich nicht eignen, denn
ihre Zuſammenſetzung iſt ungleich der des Fibrins und Al-
bumins im Blute. Dies will natürlich nichts anders ſagen,
als daß die Organe in dem Thierkörper, welche die Blut-
bildung vermitteln, die Kraft nicht beſitzen, um eine Meta-
morphoſe in der Anordnung der Elemente der Gallerte
(leim- und chondringebenden Gebilde) zu bewirken. Die
Leimgebilde, die Gallerte der Knochen, Membranen, Zellen
und Häute erleiden in dem Thierkörper durch den Einfluß
des Sauerſtoffs und der Feuchtigkeit eine fortdauernde Ver-
änderung, ein Theil davon tritt aus und muß aus dem
Blute wieder erneuert werden, aber dieſe Verwandlung und
Wiederherſtellung iſt offenbar in ſehr enge Grenzen einge-
ſchloſſen.
Während in dem Körper des Verhungernden und Kran-
ken das Fett verſchwindet und die Muskelſubſtanz die Form
von Blut wieder annimmt, ſehen wir die Sehnen und Mem-
branen ihren Zuſtand behaupten, alle Glieder des Todten
behalten ihren Zuſammenhang, den ſie dieſen Gebilden ver-
danken.
Auf der andern Seite ſehen wir, daß von einem Kno-
chen, den ein Hund verſchluckt hat, nur die Knochenerde
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/123>, abgerufen am 24.11.2024.
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