Man beobachtet leicht, daß die Spaltung eines Körpers in Kohlensäure und eine an Sauerstoff arme Verbindung völlig gleichbedeutend ist in ihrem Resultate einer Ausschei- dung von Sauerstoff und einer Verbrennung von einem Theile der Substanz auf Kosten dieses Sauerstoffs.
Es ist wohlbekannt, daß sich die Temperatur einer gäh- renden Flüssigkeit erhöht, und wenn wir annehmen, daß ein Stückfaß Most = 600 Darmstädter Maaß = 1200 Litres = 2400 Pfund, 16 pCt. Zucker, im Ganzen also 384 Pfund Zucker enthalte, so muß während der Gährung die- ses Zuckers eine Wärmemenge frei werden, welche derjenigen gleich ist, die sich bei der Verbrennung von 51 Pfund Koh- lenstoff entwickelt.
Dies ist ausdrückbar durch eine Wärmequantität, wodurch jedes Pfund der Flüssigkeit auf 1651/2 Grad erhoben wer- den kann, vorausgesetzt, daß die Zersetzung des Zuckers in einem unmeßbaren Zeittheilchen vor sich ginge. Dies ist bekanntlich nicht der Fall, die Gährung dauert 5 -- 6 Tage und die 1651/2 Wärmegrade empfängt jedes Pfund Flüssig- keit während eines Zeitraums von 120 Stunden. In der Stunde wird also eine Wärmemenge entwickelt, durch welche jedes Pfund Flüssigkeit um 1 4/10 Grad an Temperatur zu- nimmt, eine Erhöhung, welche durch äußere Abkühlung im
*) In Beziehung auf das Verständniß der Formeln siehe die Einlei- tung zum Anhang.
Der chemiſche Proceß der
C36H72O36 = C24H72O12 + 12 CO2*).
Man beobachtet leicht, daß die Spaltung eines Körpers in Kohlenſäure und eine an Sauerſtoff arme Verbindung völlig gleichbedeutend iſt in ihrem Reſultate einer Ausſchei- dung von Sauerſtoff und einer Verbrennung von einem Theile der Subſtanz auf Koſten dieſes Sauerſtoffs.
Es iſt wohlbekannt, daß ſich die Temperatur einer gäh- renden Flüſſigkeit erhöht, und wenn wir annehmen, daß ein Stückfaß Moſt = 600 Darmſtädter Maaß = 1200 Litres = 2400 Pfund, 16 pCt. Zucker, im Ganzen alſo 384 Pfund Zucker enthalte, ſo muß während der Gährung die- ſes Zuckers eine Wärmemenge frei werden, welche derjenigen gleich iſt, die ſich bei der Verbrennung von 51 Pfund Koh- lenſtoff entwickelt.
Dies iſt ausdrückbar durch eine Wärmequantität, wodurch jedes Pfund der Flüſſigkeit auf 165½ Grad erhoben wer- den kann, vorausgeſetzt, daß die Zerſetzung des Zuckers in einem unmeßbaren Zeittheilchen vor ſich ginge. Dies iſt bekanntlich nicht der Fall, die Gährung dauert 5 — 6 Tage und die 165½ Wärmegrade empfängt jedes Pfund Flüſſig- keit während eines Zeitraums von 120 Stunden. In der Stunde wird alſo eine Wärmemenge entwickelt, durch welche jedes Pfund Flüſſigkeit um 1 4/10 Grad an Temperatur zu- nimmt, eine Erhöhung, welche durch äußere Abkühlung im
*) In Beziehung auf das Verſtändniß der Formeln ſiehe die Einlei- tung zum Anhang.
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Der chemiſche Proceß der
C36H72O36 = C24 H72 O12 + 12 CO2 *).
Man beobachtet leicht, daß die Spaltung eines Körpers
in Kohlenſäure und eine an Sauerſtoff arme Verbindung
völlig gleichbedeutend iſt in ihrem Reſultate einer Ausſchei-
dung von Sauerſtoff und einer Verbrennung von einem
Theile der Subſtanz auf Koſten dieſes Sauerſtoffs.
Es iſt wohlbekannt, daß ſich die Temperatur einer gäh-
renden Flüſſigkeit erhöht, und wenn wir annehmen, daß
ein Stückfaß Moſt = 600 Darmſtädter Maaß = 1200
Litres = 2400 Pfund, 16 pCt. Zucker, im Ganzen alſo 384
Pfund Zucker enthalte, ſo muß während der Gährung die-
ſes Zuckers eine Wärmemenge frei werden, welche derjenigen
gleich iſt, die ſich bei der Verbrennung von 51 Pfund Koh-
lenſtoff entwickelt.
Dies iſt ausdrückbar durch eine Wärmequantität, wodurch
jedes Pfund der Flüſſigkeit auf 165½ Grad erhoben wer-
den kann, vorausgeſetzt, daß die Zerſetzung des Zuckers in
einem unmeßbaren Zeittheilchen vor ſich ginge. Dies iſt
bekanntlich nicht der Fall, die Gährung dauert 5 — 6 Tage
und die 165½ Wärmegrade empfängt jedes Pfund Flüſſig-
keit während eines Zeitraums von 120 Stunden. In der
Stunde wird alſo eine Wärmemenge entwickelt, durch welche
jedes Pfund Flüſſigkeit um 1 4/10 Grad an Temperatur zu-
nimmt, eine Erhöhung, welche durch äußere Abkühlung im
*) In Beziehung auf das Verſtändniß der Formeln ſiehe die Einlei-
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/118>, abgerufen am 24.07.2024.
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