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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.
deutlicht fand, zu einer Zeit, wo man am allerwenigsten
die Natur der Electricität erkannt hatte. Darf man sich wun-
dern, wenn man statt Erklärungen und Einsicht nur Bilder,
nur Hypothesen findet, kann man von ihnen etwas anderes
als Täuschungen und Trugschlüsse erwarten?

Es ist die deutsche Naturphilosophie, die ihren Namen mit
so großem Unrechte trägt, welche die Kunst verbreitet hat,
ohne gründliche Forschungen und Beobachtungen sich Rechen-
schaft von den Erscheinungen zu geben, eine Kunst, der es an
Jüngern nicht fehlen wird, so lange Arbeiten ohne Mühe und
Anstrengung, Aufmunterung und Anerkennung finden; sie zeugte
die taubstummen und blinden Kinder der Unwissenheit und des
Mangels aller Beobachtungsgabe, sie ist es, die in den vor-
hergegangenen Jahren alle Fortschritte in ihrem Keime erstickte.

Sobald den Physiologen die geheimnißvolle Lebenskraft in
einer Erscheinung entgegentritt, verzichten sie auf ihre Sinne
und Fähigkeiten, das Auge, der Verstand, das Urtheil und
Nachdenken, alles wird gelähmt, so wie man eine Erscheinung
für unbegreiflich erklärt.

Vor dieser allerletzten Ursache befinden sich noch eine
Menge letzte. Von dem Ringe aus, wo die Kette anfängt,
bis zu uns sind noch eine Menge unbekannte Glieder. Sollen
diese Glieder dem menschlichen Geiste unanschaubar bleiben,
welcher die Gesetze der Bewegung der Weltkörper erforscht
hat, von deren Existenz ihn nur ein einzelnes Organ unter-
richtet, ihm, dem auf unsern Erdkörper noch so viele andere
Hülfsmittel zu Gebote stehen?

Wenn reine Kartoffelstärke, in Salpetersäure gelös't, einen
Ring des reinsten Wachses hinterläßt, was kann dem Schlusse
des Chemikers entgegengesetzt werden, daß jedes Stärkekörnchen
aus concentrischen Schichten Wachs und Amylon besteht, von

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Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
deutlicht fand, zu einer Zeit, wo man am allerwenigſten
die Natur der Electricität erkannt hatte. Darf man ſich wun-
dern, wenn man ſtatt Erklärungen und Einſicht nur Bilder,
nur Hypotheſen findet, kann man von ihnen etwas anderes
als Täuſchungen und Trugſchlüſſe erwarten?

Es iſt die deutſche Naturphiloſophie, die ihren Namen mit
ſo großem Unrechte trägt, welche die Kunſt verbreitet hat,
ohne gründliche Forſchungen und Beobachtungen ſich Rechen-
ſchaft von den Erſcheinungen zu geben, eine Kunſt, der es an
Jüngern nicht fehlen wird, ſo lange Arbeiten ohne Mühe und
Anſtrengung, Aufmunterung und Anerkennung finden; ſie zeugte
die taubſtummen und blinden Kinder der Unwiſſenheit und des
Mangels aller Beobachtungsgabe, ſie iſt es, die in den vor-
hergegangenen Jahren alle Fortſchritte in ihrem Keime erſtickte.

Sobald den Phyſiologen die geheimnißvolle Lebenskraft in
einer Erſcheinung entgegentritt, verzichten ſie auf ihre Sinne
und Fähigkeiten, das Auge, der Verſtand, das Urtheil und
Nachdenken, alles wird gelähmt, ſo wie man eine Erſcheinung
für unbegreiflich erklärt.

Vor dieſer allerletzten Urſache befinden ſich noch eine
Menge letzte. Von dem Ringe aus, wo die Kette anfängt,
bis zu uns ſind noch eine Menge unbekannte Glieder. Sollen
dieſe Glieder dem menſchlichen Geiſte unanſchaubar bleiben,
welcher die Geſetze der Bewegung der Weltkörper erforſcht
hat, von deren Exiſtenz ihn nur ein einzelnes Organ unter-
richtet, ihm, dem auf unſern Erdkörper noch ſo viele andere
Hülfsmittel zu Gebote ſtehen?

Wenn reine Kartoffelſtärke, in Salpeterſäure gelöſ’t, einen
Ring des reinſten Wachſes hinterläßt, was kann dem Schluſſe
des Chemikers entgegengeſetzt werden, daß jedes Stärkekörnchen
aus concentriſchen Schichten Wachs und Amylon beſteht, von

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[35/0053] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. deutlicht fand, zu einer Zeit, wo man am allerwenigſten die Natur der Electricität erkannt hatte. Darf man ſich wun- dern, wenn man ſtatt Erklärungen und Einſicht nur Bilder, nur Hypotheſen findet, kann man von ihnen etwas anderes als Täuſchungen und Trugſchlüſſe erwarten? Es iſt die deutſche Naturphiloſophie, die ihren Namen mit ſo großem Unrechte trägt, welche die Kunſt verbreitet hat, ohne gründliche Forſchungen und Beobachtungen ſich Rechen- ſchaft von den Erſcheinungen zu geben, eine Kunſt, der es an Jüngern nicht fehlen wird, ſo lange Arbeiten ohne Mühe und Anſtrengung, Aufmunterung und Anerkennung finden; ſie zeugte die taubſtummen und blinden Kinder der Unwiſſenheit und des Mangels aller Beobachtungsgabe, ſie iſt es, die in den vor- hergegangenen Jahren alle Fortſchritte in ihrem Keime erſtickte. Sobald den Phyſiologen die geheimnißvolle Lebenskraft in einer Erſcheinung entgegentritt, verzichten ſie auf ihre Sinne und Fähigkeiten, das Auge, der Verſtand, das Urtheil und Nachdenken, alles wird gelähmt, ſo wie man eine Erſcheinung für unbegreiflich erklärt. Vor dieſer allerletzten Urſache befinden ſich noch eine Menge letzte. Von dem Ringe aus, wo die Kette anfängt, bis zu uns ſind noch eine Menge unbekannte Glieder. Sollen dieſe Glieder dem menſchlichen Geiſte unanſchaubar bleiben, welcher die Geſetze der Bewegung der Weltkörper erforſcht hat, von deren Exiſtenz ihn nur ein einzelnes Organ unter- richtet, ihm, dem auf unſern Erdkörper noch ſo viele andere Hülfsmittel zu Gebote ſtehen? Wenn reine Kartoffelſtärke, in Salpeterſäure gelöſ’t, einen Ring des reinſten Wachſes hinterläßt, was kann dem Schluſſe des Chemikers entgegengeſetzt werden, daß jedes Stärkekörnchen aus concentriſchen Schichten Wachs und Amylon beſteht, von 3*

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/53>, abgerufen am 22.11.2024.