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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.

In keinem Zeitmomente ist aber in dem Leben einer Pflanze,
in den Functionen ihrer Organe, ein Stillstand denkbar. Die
Wurzeln und alle Theile derselben, welche die nemliche Fähig-
keit besitzen, saugen beständig Wasser, sie athmen Kohlensäure
ein; diese Fähigkeit ist unabhängig von dem Sonnenlichte; sie
häuft sich während des Tages im Schatten und bei Nacht in
allen Theilen der Pflanze an, und erst von dem Augenblicke
an, wo die Sonnenstrahlen sie treffen, geht die Assimilation
des Kohlenstoffs, die Aushauchung von Sauerstoffgas vor sich;
erst in dem Momente, wo der Keim die Erde durchbricht,
färbt er sich von der äußersten Spitze abwärts, die eigentliche
Holzbildung nimmt damit ihren Anfang.

Die Tropen, der Aequator, die heißen Klimate, wo ein
selten bewölkter Himmel der Sonne gestattet, ihre glühenden
Strahlen einer unendlich reichen Vegetation zuzusenden, sind
die eigentlichen, ewig unversiegbaren Quellen des Sauerstoffgases;
in den gemäßigten und kalten Zonen, wo künstliche Wärme
die fehlende Sonne ersetzen muß, wird die Kohlensäure, welche
die tropischen Pflanzen ernährt, im Ueberfluß erzeugt; derselbe
Luftstrom, welcher, veranlaßt durch die Umdrehung der Erde,
seinen Weg von dem Aequator zu den Polen zurückgelegt hat,
bringt uns, zu dem Aequator zurückkehrend, den dort erzeugten
Sauerstoff und führt ihm die Kohlensäure unserer Winter zu.

Die Versuche von de Saussure haben dargethan, daß die
oberen Schichten der Luft mehr Kohlensäure als die unteren
enthalten, die mit den Pflanzen sich in Berührung befinden,
daß der Kohlensäuregehalt der Luft größer ist bei Nacht, als
bei Tag, wo das eingesaugte kohlensaure Gas zersetzt wird.

Die Pflanzen verbessern die Luft, indem sie die Kohlensäure
entfernen, indem sie den Sauerstoff erneuern; dieser Sauer-
stoff kommt Menschen und Thieren zuerst und unmittelbar zu

Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.

In keinem Zeitmomente iſt aber in dem Leben einer Pflanze,
in den Functionen ihrer Organe, ein Stillſtand denkbar. Die
Wurzeln und alle Theile derſelben, welche die nemliche Fähig-
keit beſitzen, ſaugen beſtändig Waſſer, ſie athmen Kohlenſäure
ein; dieſe Fähigkeit iſt unabhängig von dem Sonnenlichte; ſie
häuft ſich während des Tages im Schatten und bei Nacht in
allen Theilen der Pflanze an, und erſt von dem Augenblicke
an, wo die Sonnenſtrahlen ſie treffen, geht die Aſſimilation
des Kohlenſtoffs, die Aushauchung von Sauerſtoffgas vor ſich;
erſt in dem Momente, wo der Keim die Erde durchbricht,
färbt er ſich von der äußerſten Spitze abwärts, die eigentliche
Holzbildung nimmt damit ihren Anfang.

Die Tropen, der Aequator, die heißen Klimate, wo ein
ſelten bewölkter Himmel der Sonne geſtattet, ihre glühenden
Strahlen einer unendlich reichen Vegetation zuzuſenden, ſind
die eigentlichen, ewig unverſiegbaren Quellen des Sauerſtoffgaſes;
in den gemäßigten und kalten Zonen, wo künſtliche Wärme
die fehlende Sonne erſetzen muß, wird die Kohlenſäure, welche
die tropiſchen Pflanzen ernährt, im Ueberfluß erzeugt; derſelbe
Luftſtrom, welcher, veranlaßt durch die Umdrehung der Erde,
ſeinen Weg von dem Aequator zu den Polen zurückgelegt hat,
bringt uns, zu dem Aequator zurückkehrend, den dort erzeugten
Sauerſtoff und führt ihm die Kohlenſäure unſerer Winter zu.

Die Verſuche von de Sauſſure haben dargethan, daß die
oberen Schichten der Luft mehr Kohlenſäure als die unteren
enthalten, die mit den Pflanzen ſich in Berührung befinden,
daß der Kohlenſäuregehalt der Luft größer iſt bei Nacht, als
bei Tag, wo das eingeſaugte kohlenſaure Gas zerſetzt wird.

Die Pflanzen verbeſſern die Luft, indem ſie die Kohlenſäure
entfernen, indem ſie den Sauerſtoff erneuern; dieſer Sauer-
ſtoff kommt Menſchen und Thieren zuerſt und unmittelbar zu

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[22/0040] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. In keinem Zeitmomente iſt aber in dem Leben einer Pflanze, in den Functionen ihrer Organe, ein Stillſtand denkbar. Die Wurzeln und alle Theile derſelben, welche die nemliche Fähig- keit beſitzen, ſaugen beſtändig Waſſer, ſie athmen Kohlenſäure ein; dieſe Fähigkeit iſt unabhängig von dem Sonnenlichte; ſie häuft ſich während des Tages im Schatten und bei Nacht in allen Theilen der Pflanze an, und erſt von dem Augenblicke an, wo die Sonnenſtrahlen ſie treffen, geht die Aſſimilation des Kohlenſtoffs, die Aushauchung von Sauerſtoffgas vor ſich; erſt in dem Momente, wo der Keim die Erde durchbricht, färbt er ſich von der äußerſten Spitze abwärts, die eigentliche Holzbildung nimmt damit ihren Anfang. Die Tropen, der Aequator, die heißen Klimate, wo ein ſelten bewölkter Himmel der Sonne geſtattet, ihre glühenden Strahlen einer unendlich reichen Vegetation zuzuſenden, ſind die eigentlichen, ewig unverſiegbaren Quellen des Sauerſtoffgaſes; in den gemäßigten und kalten Zonen, wo künſtliche Wärme die fehlende Sonne erſetzen muß, wird die Kohlenſäure, welche die tropiſchen Pflanzen ernährt, im Ueberfluß erzeugt; derſelbe Luftſtrom, welcher, veranlaßt durch die Umdrehung der Erde, ſeinen Weg von dem Aequator zu den Polen zurückgelegt hat, bringt uns, zu dem Aequator zurückkehrend, den dort erzeugten Sauerſtoff und führt ihm die Kohlenſäure unſerer Winter zu. Die Verſuche von de Sauſſure haben dargethan, daß die oberen Schichten der Luft mehr Kohlenſäure als die unteren enthalten, die mit den Pflanzen ſich in Berührung befinden, daß der Kohlenſäuregehalt der Luft größer iſt bei Nacht, als bei Tag, wo das eingeſaugte kohlenſaure Gas zerſetzt wird. Die Pflanzen verbeſſern die Luft, indem ſie die Kohlenſäure entfernen, indem ſie den Sauerſtoff erneuern; dieſer Sauer- ſtoff kommt Menſchen und Thieren zuerſt und unmittelbar zu

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/40>, abgerufen am 23.11.2024.