Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Gift, Contagien, Miasmen.
eine weit größere Menge von fremden, dem Organismus
nicht angehörigen Stoffen vorhanden sein, welche durch das
Blut in alle seine Theile verbreitet werden.

Bei normaler Thätigkeit der Secretionsorgane werden sie
aus dem Körper entfernt, durch jede Störung der Functionen
derselben müssen sie im Blute, oder in einzelnen Theilen des
Körpers sich anhäufen. Die Haut, die Lunge oder andere
Organe übernehmen die Function der kranken Secretionsap-
parate, und sind die abgeschiedenen Stoffe in dem Zustande
einer fortschreitenden Metamorphose begriffen, so heißen sie an-
steckend, sie sind alsdann fähig, in einem andern gesunden
Organismus den nämlichen Krankheitszustand hervorzurufen;
aber nur dann, wenn dieser empfänglich dafür ist, d. h.,
wenn er eine Materie enthält, welche den nämlichen Zerse-
tzungsproceß erleiden kann.

Die Erzeugung von Materien dieser Art, welche den Kör-
per empfänglich für Ansteckung machen, können durch die Lebens-
weise, durch Nahrung bedingt werden, ein Uebermaß von kräf-
tigen und gesunden Speisen wird eben so gut sich dazu eignen,
wie Mangel, Schmutz, Unreinlichkeit und der Genuß von ver-
dorbenen Nahrungsmitteln.

Alle diese Bedingungen zur Ansteckung müssen als zufällig
angesehen werden, ihre Bildung, ihre Anhäufung im Körper
kann verhütet, sie können aus dem Körper entfernt werden,
ohne seine Hauptfunctionen, ohne die Gesundheit zu stören,
ihre Gegenwart ist nicht nöthig zum Leben.

Die Wirkung und Erzeugung von Contagien ist nach die-
ser Ansicht ein chemischer Proceß, welcher vor sich geht im
lebendigen Körper, an welchem alle Materien im Körper, alle
Bestandtheile derjenigen Organe Antheil nehmen, in denen die
Lebenskraft die einwirkende chemische Thätigkeit nicht über-

Gift, Contagien, Miasmen.
eine weit größere Menge von fremden, dem Organismus
nicht angehörigen Stoffen vorhanden ſein, welche durch das
Blut in alle ſeine Theile verbreitet werden.

Bei normaler Thätigkeit der Secretionsorgane werden ſie
aus dem Körper entfernt, durch jede Störung der Functionen
derſelben müſſen ſie im Blute, oder in einzelnen Theilen des
Körpers ſich anhäufen. Die Haut, die Lunge oder andere
Organe übernehmen die Function der kranken Secretionsap-
parate, und ſind die abgeſchiedenen Stoffe in dem Zuſtande
einer fortſchreitenden Metamorphoſe begriffen, ſo heißen ſie an-
ſteckend, ſie ſind alsdann fähig, in einem andern geſunden
Organismus den nämlichen Krankheitszuſtand hervorzurufen;
aber nur dann, wenn dieſer empfänglich dafür iſt, d. h.,
wenn er eine Materie enthält, welche den nämlichen Zerſe-
tzungsproceß erleiden kann.

Die Erzeugung von Materien dieſer Art, welche den Kör-
per empfänglich für Anſteckung machen, können durch die Lebens-
weiſe, durch Nahrung bedingt werden, ein Uebermaß von kräf-
tigen und geſunden Speiſen wird eben ſo gut ſich dazu eignen,
wie Mangel, Schmutz, Unreinlichkeit und der Genuß von ver-
dorbenen Nahrungsmitteln.

Alle dieſe Bedingungen zur Anſteckung müſſen als zufällig
angeſehen werden, ihre Bildung, ihre Anhäufung im Körper
kann verhütet, ſie können aus dem Körper entfernt werden,
ohne ſeine Hauptfunctionen, ohne die Geſundheit zu ſtören,
ihre Gegenwart iſt nicht nöthig zum Leben.

Die Wirkung und Erzeugung von Contagien iſt nach die-
ſer Anſicht ein chemiſcher Proceß, welcher vor ſich geht im
lebendigen Körper, an welchem alle Materien im Körper, alle
Beſtandtheile derjenigen Organe Antheil nehmen, in denen die
Lebenskraft die einwirkende chemiſche Thätigkeit nicht über-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0351" n="333"/><fw place="top" type="header">Gift, Contagien, Miasmen.</fw><lb/>
eine weit größere Menge von fremden, dem Organismus<lb/>
nicht angehörigen Stoffen vorhanden &#x017F;ein, welche durch das<lb/>
Blut in alle &#x017F;eine Theile verbreitet werden.</p><lb/>
          <p>Bei normaler Thätigkeit der Secretionsorgane werden &#x017F;ie<lb/>
aus dem Körper entfernt, durch jede Störung der Functionen<lb/>
der&#x017F;elben mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie im Blute, oder in einzelnen Theilen des<lb/>
Körpers &#x017F;ich anhäufen. Die Haut, die Lunge oder andere<lb/>
Organe übernehmen die Function der kranken Secretionsap-<lb/>
parate, und &#x017F;ind die abge&#x017F;chiedenen Stoffe in dem Zu&#x017F;tande<lb/>
einer fort&#x017F;chreitenden Metamorpho&#x017F;e begriffen, &#x017F;o heißen &#x017F;ie an-<lb/>
&#x017F;teckend, &#x017F;ie &#x017F;ind alsdann fähig, in einem andern ge&#x017F;unden<lb/>
Organismus den nämlichen Krankheitszu&#x017F;tand hervorzurufen;<lb/>
aber nur dann, wenn die&#x017F;er empfänglich dafür i&#x017F;t, d. h.,<lb/>
wenn er eine Materie enthält, welche den nämlichen Zer&#x017F;e-<lb/>
tzungsproceß erleiden kann.</p><lb/>
          <p>Die Erzeugung von Materien die&#x017F;er Art, welche den Kör-<lb/>
per empfänglich für An&#x017F;teckung machen, können durch die Lebens-<lb/>
wei&#x017F;e, durch Nahrung bedingt werden, ein Uebermaß von kräf-<lb/>
tigen und ge&#x017F;unden Spei&#x017F;en wird eben &#x017F;o gut &#x017F;ich dazu eignen,<lb/>
wie Mangel, Schmutz, Unreinlichkeit und der Genuß von ver-<lb/>
dorbenen Nahrungsmitteln.</p><lb/>
          <p>Alle die&#x017F;e Bedingungen zur An&#x017F;teckung mü&#x017F;&#x017F;en als zufällig<lb/>
ange&#x017F;ehen werden, ihre Bildung, ihre Anhäufung im Körper<lb/>
kann verhütet, &#x017F;ie können aus dem Körper entfernt werden,<lb/>
ohne &#x017F;eine Hauptfunctionen, ohne die Ge&#x017F;undheit zu &#x017F;tören,<lb/>
ihre Gegenwart i&#x017F;t nicht nöthig zum Leben.</p><lb/>
          <p>Die Wirkung und Erzeugung von Contagien i&#x017F;t nach die-<lb/>
&#x017F;er An&#x017F;icht ein chemi&#x017F;cher Proceß, welcher vor &#x017F;ich geht im<lb/>
lebendigen Körper, an welchem alle Materien im Körper, alle<lb/>
Be&#x017F;tandtheile derjenigen Organe Antheil nehmen, in denen die<lb/>
Lebenskraft die einwirkende chemi&#x017F;che Thätigkeit nicht über-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0351] Gift, Contagien, Miasmen. eine weit größere Menge von fremden, dem Organismus nicht angehörigen Stoffen vorhanden ſein, welche durch das Blut in alle ſeine Theile verbreitet werden. Bei normaler Thätigkeit der Secretionsorgane werden ſie aus dem Körper entfernt, durch jede Störung der Functionen derſelben müſſen ſie im Blute, oder in einzelnen Theilen des Körpers ſich anhäufen. Die Haut, die Lunge oder andere Organe übernehmen die Function der kranken Secretionsap- parate, und ſind die abgeſchiedenen Stoffe in dem Zuſtande einer fortſchreitenden Metamorphoſe begriffen, ſo heißen ſie an- ſteckend, ſie ſind alsdann fähig, in einem andern geſunden Organismus den nämlichen Krankheitszuſtand hervorzurufen; aber nur dann, wenn dieſer empfänglich dafür iſt, d. h., wenn er eine Materie enthält, welche den nämlichen Zerſe- tzungsproceß erleiden kann. Die Erzeugung von Materien dieſer Art, welche den Kör- per empfänglich für Anſteckung machen, können durch die Lebens- weiſe, durch Nahrung bedingt werden, ein Uebermaß von kräf- tigen und geſunden Speiſen wird eben ſo gut ſich dazu eignen, wie Mangel, Schmutz, Unreinlichkeit und der Genuß von ver- dorbenen Nahrungsmitteln. Alle dieſe Bedingungen zur Anſteckung müſſen als zufällig angeſehen werden, ihre Bildung, ihre Anhäufung im Körper kann verhütet, ſie können aus dem Körper entfernt werden, ohne ſeine Hauptfunctionen, ohne die Geſundheit zu ſtören, ihre Gegenwart iſt nicht nöthig zum Leben. Die Wirkung und Erzeugung von Contagien iſt nach die- ſer Anſicht ein chemiſcher Proceß, welcher vor ſich geht im lebendigen Körper, an welchem alle Materien im Körper, alle Beſtandtheile derjenigen Organe Antheil nehmen, in denen die Lebenskraft die einwirkende chemiſche Thätigkeit nicht über-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/351
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/351>, abgerufen am 27.11.2024.