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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Wein- und Biergährung.
dem Zucker eine äußerst verlangsamte Fäulniß (Gährung) her-
vor. Die Intensität der Action ist in dem Grade gehemmt,
daß kein Theilchen des aufgelös'ten Klebers Antheil daran
nimmt. Aber der Contact des verwesenden Klebers (der Un-
terhefe) veranlaßt die Verwesung des in der Bierwürze ge-
lös'ten Klebers, bei Zutritt der Luft wird Sauerstoffgas auf-
genommen, aller gelös'ter Kleber scheidet sich als Unterhefe voll-
ständig ab.

Man kann aus gährendem Bier den Absatz, die Oberhefe,
durch Fibration entfernen, ohne die Gährung aufzuheben, allein
die Unterhefe kann nicht von der Flüssigkeit getrennt werden,
ohne alle Erscheinungen der Untergährung zu unterbrechen; sie
hört auf oder geht bei höherer Temperatur in Obergährung
über.

Die Unterhefe bringt keine Obergährung hervor, sie ist
zum Stellen des Backwerks gänzlich untauglich, aber die Ober-
hefe kann die Untergährung bewirken.

Wenn man zur Würze bei einer Temperatur von 4--6° R.
Oberhefe zusetzt, so erfolgt eine langsame nicht stürmische Gäh-
rung, welche, wenn man den Bodensatz benutzt, um neue Würze
wieder unter denselben Umständen in Gährung zu bringen,
nach mehrmaligem Wiederholen in wahre Untergährung übergeht;
es wird zuletzt Unterhefe gebildet, die alle Eigenschaft verloren
hat, Obergährung hervorzubringen und selbst bei 10° R. Un-
tergährung bewirkt.

In einer Bierwürze, welche in einer niedrigen Temperatur
mit Unterhefe der Gährung unterworfen wird, haben wir also
die Bedingung zur Metamorphose des Zuckers in der Gegen-
wart der Unterhefe selbst, allein die Bedingung zur Verwand-
lung des Klebers in Ferment in Folge einer im Innern der
Flüssigkeit vorgehenden Oxidation des Klebers ist nicht vorhanden.

Wein- und Biergährung.
dem Zucker eine äußerſt verlangſamte Fäulniß (Gährung) her-
vor. Die Intenſität der Action iſt in dem Grade gehemmt,
daß kein Theilchen des aufgelöſ’ten Klebers Antheil daran
nimmt. Aber der Contact des verweſenden Klebers (der Un-
terhefe) veranlaßt die Verweſung des in der Bierwürze ge-
löſ’ten Klebers, bei Zutritt der Luft wird Sauerſtoffgas auf-
genommen, aller gelöſ’ter Kleber ſcheidet ſich als Unterhefe voll-
ſtändig ab.

Man kann aus gährendem Bier den Abſatz, die Oberhefe,
durch Fibration entfernen, ohne die Gährung aufzuheben, allein
die Unterhefe kann nicht von der Flüſſigkeit getrennt werden,
ohne alle Erſcheinungen der Untergährung zu unterbrechen; ſie
hört auf oder geht bei höherer Temperatur in Obergährung
über.

Die Unterhefe bringt keine Obergährung hervor, ſie iſt
zum Stellen des Backwerks gänzlich untauglich, aber die Ober-
hefe kann die Untergährung bewirken.

Wenn man zur Würze bei einer Temperatur von 4—6° R.
Oberhefe zuſetzt, ſo erfolgt eine langſame nicht ſtürmiſche Gäh-
rung, welche, wenn man den Bodenſatz benutzt, um neue Würze
wieder unter denſelben Umſtänden in Gährung zu bringen,
nach mehrmaligem Wiederholen in wahre Untergährung übergeht;
es wird zuletzt Unterhefe gebildet, die alle Eigenſchaft verloren
hat, Obergährung hervorzubringen und ſelbſt bei 10° R. Un-
tergährung bewirkt.

In einer Bierwürze, welche in einer niedrigen Temperatur
mit Unterhefe der Gährung unterworfen wird, haben wir alſo
die Bedingung zur Metamorphoſe des Zuckers in der Gegen-
wart der Unterhefe ſelbſt, allein die Bedingung zur Verwand-
lung des Klebers in Ferment in Folge einer im Innern der
Flüſſigkeit vorgehenden Oxidation des Klebers iſt nicht vorhanden.

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[271/0289] Wein- und Biergährung. dem Zucker eine äußerſt verlangſamte Fäulniß (Gährung) her- vor. Die Intenſität der Action iſt in dem Grade gehemmt, daß kein Theilchen des aufgelöſ’ten Klebers Antheil daran nimmt. Aber der Contact des verweſenden Klebers (der Un- terhefe) veranlaßt die Verweſung des in der Bierwürze ge- löſ’ten Klebers, bei Zutritt der Luft wird Sauerſtoffgas auf- genommen, aller gelöſ’ter Kleber ſcheidet ſich als Unterhefe voll- ſtändig ab. Man kann aus gährendem Bier den Abſatz, die Oberhefe, durch Fibration entfernen, ohne die Gährung aufzuheben, allein die Unterhefe kann nicht von der Flüſſigkeit getrennt werden, ohne alle Erſcheinungen der Untergährung zu unterbrechen; ſie hört auf oder geht bei höherer Temperatur in Obergährung über. Die Unterhefe bringt keine Obergährung hervor, ſie iſt zum Stellen des Backwerks gänzlich untauglich, aber die Ober- hefe kann die Untergährung bewirken. Wenn man zur Würze bei einer Temperatur von 4—6° R. Oberhefe zuſetzt, ſo erfolgt eine langſame nicht ſtürmiſche Gäh- rung, welche, wenn man den Bodenſatz benutzt, um neue Würze wieder unter denſelben Umſtänden in Gährung zu bringen, nach mehrmaligem Wiederholen in wahre Untergährung übergeht; es wird zuletzt Unterhefe gebildet, die alle Eigenſchaft verloren hat, Obergährung hervorzubringen und ſelbſt bei 10° R. Un- tergährung bewirkt. In einer Bierwürze, welche in einer niedrigen Temperatur mit Unterhefe der Gährung unterworfen wird, haben wir alſo die Bedingung zur Metamorphoſe des Zuckers in der Gegen- wart der Unterhefe ſelbſt, allein die Bedingung zur Verwand- lung des Klebers in Ferment in Folge einer im Innern der Flüſſigkeit vorgehenden Oxidation des Klebers iſt nicht vorhanden.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/289>, abgerufen am 24.11.2024.