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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Wein- und Biergährung.
schiedenen Tabackssorten unterscheiden sich von einander, wie
die Weine, durch die abweichendsten Riechstoffe, die neben die-
sem Nicotin mit erzeugt werden.

Wir wissen, daß in den meisten Blüthen und Pflanzen-
stoffen, wenn sie riechen, dieser Geruch einem darin vorhan-
denen ätherischen Oel angehört, allein es ist eine nicht minder
positive Erfahrung, daß andere nur insofern riechen, als sie
sich verändern, oder als sie sich in Zersetzung befinden.

Das Arsen, die arsenige Säure sind beide geruchlos, nur in
dem Act seiner Oxidation verbreitet es den penetrantesten Knob-
lauchgeruch; so riechen Hollunderbeerenöl, viele Terpentinöl-
sorten, Citronenöl nur in dem Act ihrer Oxidation, ihrer Ver-
wesung, dasselbe ist der Fall bei vielen Blüthen, und beim
Moschus hat Geiger bewiesen, daß er seinen Geruch einer
fortschreitenden Fäulniß und Verwesung verdankt.

Daher mag es denn auch kommen, daß in der Gährung
von zuckerhaltigen Pflanzensäften das eigenthümliche Princip
vieler Pflanzenstoffe, dem ihr Geruch angehört, erst gebildet
und entwickelt wird, wenigstens reichen kleine Quantitäten von
Veilchen-, Hollunder-, Linden- und Schlüsselblumenblüthen, wenn
sie während der Gährung zugesetzt werden, hin, der gegohrenen
Flüssigkeit den stärksten Geruch und Geschmack nach diesen Ma-
terien mitzutheilen, ein Resultat, was man durch Zusatz eines
Destillats von hundertmal größeren Mengen nicht erzielt. In
Baiern ganz besonders, wo der verschiedene Geschmack der Biere
sie in zahllose Sorten trennt, läßt man bei manchen Bieren
geringe Mengen Kräuter und Blüthen verschiedenen Pflanzen
mit der Bierwürze gähren, und auch am Rhein wird betrüge-
rischer Weise in vielen Weinen ein künstliches Bouquet durch
Zusatz von manchen Salbey- und Rautenarten erzeugt, inso-
fern verschieden von dem echten Aroma, als es bei weitem

Wein- und Biergährung.
ſchiedenen Tabacksſorten unterſcheiden ſich von einander, wie
die Weine, durch die abweichendſten Riechſtoffe, die neben die-
ſem Nicotin mit erzeugt werden.

Wir wiſſen, daß in den meiſten Blüthen und Pflanzen-
ſtoffen, wenn ſie riechen, dieſer Geruch einem darin vorhan-
denen ätheriſchen Oel angehört, allein es iſt eine nicht minder
poſitive Erfahrung, daß andere nur inſofern riechen, als ſie
ſich verändern, oder als ſie ſich in Zerſetzung befinden.

Das Arſen, die arſenige Säure ſind beide geruchlos, nur in
dem Act ſeiner Oxidation verbreitet es den penetranteſten Knob-
lauchgeruch; ſo riechen Hollunderbeerenöl, viele Terpentinöl-
ſorten, Citronenöl nur in dem Act ihrer Oxidation, ihrer Ver-
weſung, daſſelbe iſt der Fall bei vielen Blüthen, und beim
Moſchus hat Geiger bewieſen, daß er ſeinen Geruch einer
fortſchreitenden Fäulniß und Verweſung verdankt.

Daher mag es denn auch kommen, daß in der Gährung
von zuckerhaltigen Pflanzenſäften das eigenthümliche Princip
vieler Pflanzenſtoffe, dem ihr Geruch angehört, erſt gebildet
und entwickelt wird, wenigſtens reichen kleine Quantitäten von
Veilchen-, Hollunder-, Linden- und Schlüſſelblumenblüthen, wenn
ſie während der Gährung zugeſetzt werden, hin, der gegohrenen
Flüſſigkeit den ſtärkſten Geruch und Geſchmack nach dieſen Ma-
terien mitzutheilen, ein Reſultat, was man durch Zuſatz eines
Deſtillats von hundertmal größeren Mengen nicht erzielt. In
Baiern ganz beſonders, wo der verſchiedene Geſchmack der Biere
ſie in zahlloſe Sorten trennt, läßt man bei manchen Bieren
geringe Mengen Kräuter und Blüthen verſchiedenen Pflanzen
mit der Bierwürze gähren, und auch am Rhein wird betrüge-
riſcher Weiſe in vielen Weinen ein künſtliches Bouquet durch
Zuſatz von manchen Salbey- und Rautenarten erzeugt, inſo-
fern verſchieden von dem echten Aroma, als es bei weitem

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[266/0284] Wein- und Biergährung. ſchiedenen Tabacksſorten unterſcheiden ſich von einander, wie die Weine, durch die abweichendſten Riechſtoffe, die neben die- ſem Nicotin mit erzeugt werden. Wir wiſſen, daß in den meiſten Blüthen und Pflanzen- ſtoffen, wenn ſie riechen, dieſer Geruch einem darin vorhan- denen ätheriſchen Oel angehört, allein es iſt eine nicht minder poſitive Erfahrung, daß andere nur inſofern riechen, als ſie ſich verändern, oder als ſie ſich in Zerſetzung befinden. Das Arſen, die arſenige Säure ſind beide geruchlos, nur in dem Act ſeiner Oxidation verbreitet es den penetranteſten Knob- lauchgeruch; ſo riechen Hollunderbeerenöl, viele Terpentinöl- ſorten, Citronenöl nur in dem Act ihrer Oxidation, ihrer Ver- weſung, daſſelbe iſt der Fall bei vielen Blüthen, und beim Moſchus hat Geiger bewieſen, daß er ſeinen Geruch einer fortſchreitenden Fäulniß und Verweſung verdankt. Daher mag es denn auch kommen, daß in der Gährung von zuckerhaltigen Pflanzenſäften das eigenthümliche Princip vieler Pflanzenſtoffe, dem ihr Geruch angehört, erſt gebildet und entwickelt wird, wenigſtens reichen kleine Quantitäten von Veilchen-, Hollunder-, Linden- und Schlüſſelblumenblüthen, wenn ſie während der Gährung zugeſetzt werden, hin, der gegohrenen Flüſſigkeit den ſtärkſten Geruch und Geſchmack nach dieſen Ma- terien mitzutheilen, ein Reſultat, was man durch Zuſatz eines Deſtillats von hundertmal größeren Mengen nicht erzielt. In Baiern ganz beſonders, wo der verſchiedene Geſchmack der Biere ſie in zahlloſe Sorten trennt, läßt man bei manchen Bieren geringe Mengen Kräuter und Blüthen verſchiedenen Pflanzen mit der Bierwürze gähren, und auch am Rhein wird betrüge- riſcher Weiſe in vielen Weinen ein künſtliches Bouquet durch Zuſatz von manchen Salbey- und Rautenarten erzeugt, inſo- fern verſchieden von dem echten Aroma, als es bei weitem

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/284>, abgerufen am 24.11.2024.