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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Wein- und Biergährung.
nen, welche frei sind von Säure, oder welche eine andere or-
ganischen Säure, z. B. Essigsäure, enthalten.

Die südlichen Weine besitzen keinen Weingeruch, in den
französischen Weinen tritt er entschieden hervor, in den Rhein-
weinen ist er am stärksten. Die Traubensorten am Rhein,
welche am spätesten und nur in seltenen Fällen vollkommen
reif werden, der Rießling und Orleans besitzen den stärksten
Weingeruch, das hervorstechendste Bouquet, sie sind verhältniß-
mäßig reich an Weinsäure. Die früh reifenden Traubensorten,
der Ruländer und andere, sind reicher an Alkohol, in ihrem Ge-
schmacke ähnlich den spanischen Weinen, allein sie haben kein
Bouquet.

Die am Cap reifenden, von dem Rhein aus verpflanzten
Rießlinge geben einen vortrefflichen Wein, allein er besitzt das
Aroma nicht, was den Rheinwein auszeichnet.

Man sieht leicht, daß Säure und Weingeruch zu einander
in einer bestimmten Beziehung stehen, beide sind stets neben
einander vorhanden, und es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß die Gegenwart der ersteren von bestimmtem Einfluß war
bei der Bildung des Bouquets.

Am deutlichsten zeigt sich dieser Einfluß bei der Gährung
von Flüssigkeiten, in welchen alle Weinsäure fehlt, namentlich
in solchen, welche sehr nahe neutral oder alkalisch sind, wie
namentlich bei der Gährung der Kartoffeln- oder Getreide-
meische.

Der Kartoffel- und Getreidebranntwein enthalten eine den
ätherischen Oelen ähnliche Verbindung, die diesen Flüssigkeiten
ihren eigenthümlichen Geschmack ertheilt. Diese Materie erzeugt
sich in der Gährung der Meische, sie ist in der gegohrenen
Flüssigkeit fertig gebildet vorhanden, denn durch die bloße Er-
höhung der Temperatur destillirt sie mit den Alkoholdämpfen über.

Wein- und Biergährung.
nen, welche frei ſind von Säure, oder welche eine andere or-
ganiſchen Säure, z. B. Eſſigſäure, enthalten.

Die ſüdlichen Weine beſitzen keinen Weingeruch, in den
franzöſiſchen Weinen tritt er entſchieden hervor, in den Rhein-
weinen iſt er am ſtärkſten. Die Traubenſorten am Rhein,
welche am ſpäteſten und nur in ſeltenen Fällen vollkommen
reif werden, der Rießling und Orleans beſitzen den ſtärkſten
Weingeruch, das hervorſtechendſte Bouquet, ſie ſind verhältniß-
mäßig reich an Weinſäure. Die früh reifenden Traubenſorten,
der Ruländer und andere, ſind reicher an Alkohol, in ihrem Ge-
ſchmacke ähnlich den ſpaniſchen Weinen, allein ſie haben kein
Bouquet.

Die am Cap reifenden, von dem Rhein aus verpflanzten
Rießlinge geben einen vortrefflichen Wein, allein er beſitzt das
Aroma nicht, was den Rheinwein auszeichnet.

Man ſieht leicht, daß Säure und Weingeruch zu einander
in einer beſtimmten Beziehung ſtehen, beide ſind ſtets neben
einander vorhanden, und es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß die Gegenwart der erſteren von beſtimmtem Einfluß war
bei der Bildung des Bouquets.

Am deutlichſten zeigt ſich dieſer Einfluß bei der Gährung
von Flüſſigkeiten, in welchen alle Weinſäure fehlt, namentlich
in ſolchen, welche ſehr nahe neutral oder alkaliſch ſind, wie
namentlich bei der Gährung der Kartoffeln- oder Getreide-
meiſche.

Der Kartoffel- und Getreidebranntwein enthalten eine den
ätheriſchen Oelen ähnliche Verbindung, die dieſen Flüſſigkeiten
ihren eigenthümlichen Geſchmack ertheilt. Dieſe Materie erzeugt
ſich in der Gährung der Meiſche, ſie iſt in der gegohrenen
Flüſſigkeit fertig gebildet vorhanden, denn durch die bloße Er-
höhung der Temperatur deſtillirt ſie mit den Alkoholdämpfen über.

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[262/0280] Wein- und Biergährung. nen, welche frei ſind von Säure, oder welche eine andere or- ganiſchen Säure, z. B. Eſſigſäure, enthalten. Die ſüdlichen Weine beſitzen keinen Weingeruch, in den franzöſiſchen Weinen tritt er entſchieden hervor, in den Rhein- weinen iſt er am ſtärkſten. Die Traubenſorten am Rhein, welche am ſpäteſten und nur in ſeltenen Fällen vollkommen reif werden, der Rießling und Orleans beſitzen den ſtärkſten Weingeruch, das hervorſtechendſte Bouquet, ſie ſind verhältniß- mäßig reich an Weinſäure. Die früh reifenden Traubenſorten, der Ruländer und andere, ſind reicher an Alkohol, in ihrem Ge- ſchmacke ähnlich den ſpaniſchen Weinen, allein ſie haben kein Bouquet. Die am Cap reifenden, von dem Rhein aus verpflanzten Rießlinge geben einen vortrefflichen Wein, allein er beſitzt das Aroma nicht, was den Rheinwein auszeichnet. Man ſieht leicht, daß Säure und Weingeruch zu einander in einer beſtimmten Beziehung ſtehen, beide ſind ſtets neben einander vorhanden, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Gegenwart der erſteren von beſtimmtem Einfluß war bei der Bildung des Bouquets. Am deutlichſten zeigt ſich dieſer Einfluß bei der Gährung von Flüſſigkeiten, in welchen alle Weinſäure fehlt, namentlich in ſolchen, welche ſehr nahe neutral oder alkaliſch ſind, wie namentlich bei der Gährung der Kartoffeln- oder Getreide- meiſche. Der Kartoffel- und Getreidebranntwein enthalten eine den ätheriſchen Oelen ähnliche Verbindung, die dieſen Flüſſigkeiten ihren eigenthümlichen Geſchmack ertheilt. Dieſe Materie erzeugt ſich in der Gährung der Meiſche, ſie iſt in der gegohrenen Flüſſigkeit fertig gebildet vorhanden, denn durch die bloße Er- höhung der Temperatur deſtillirt ſie mit den Alkoholdämpfen über.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/280>, abgerufen am 24.11.2024.