gebildet, eben so wenig beobachtet man bei der Gährung von zuckerhaltigen Pflanzensäften ein Auftreten von Wasserstoffgas.
Man beobachtet leicht, daß die Veränderung des Klebers für sich und seine Zersetzung in den Pflanzensäften, in welchen er gelös't ist, zwei verschiedenen Metamorphosen angehört. Man hat Gründe, zu glauben, daß sein Uebergang in den un- löslichen Zustand von einer Sauerstoffaufnahme herrührt; denn seine Abscheidung kann unter gewissen Bedingungen, durch un- gehinderten Luftzutritt, ohne Gegenwart von gährendem Zucker, bewirkt werden, und man weiß, daß die Berührung des Trau- ben- oder Pflanzensaftes mit der Luft, ehe die Gährung ein- tritt, eine Trübung, die Bildung nämlich eines unlösli- chen Niederschlags, von der Beschaffenheit des Ferments, zur Folge hat.
Aus den Erscheinungen, die wir bei der Gährung der Bierwürze beobachten, ergiebt sich mit zweifelloser Gewißheit, daß das Ferment aus dem Kleber während und in der Me- tamorphose des Zuckers gebildet wird; denn die Bierwürze enthält den stickstoffhaltigen Körper des Getreides, den man Kleber nennt, in dem nämlichen Zustande, wie er im Trauben- saft vorhanden ist; durch zugesetztes Ferment wird die Bier- würze in Gährung versetzt, allein nach vollendeter Zersetzung hat sich seine Quantität um das Dreißigfache vermehrt.
Bier- und Weinhefe zeigen mit geringen Verschiedenheiten, un- ter dem Mikroskope betrachtet, einerlei Form und Beschaffenheit, sie zeigen einerlei Verhalten gegen Alkalien und Säuren, sie be- sitzen einerlei Fähigkeit, Gährung in Zuckerwasser aufs Neue einzuleiten, man muß sie als identisch betrachten.
Die Zersetzung des Wassers, bei der Fäulniß des Klebers, ist eine völlig bewiesene Thatsache, und in welcher Form er sich auch zersetzen mag, ob im gelös'tem oder ungelös'tem Zu-
17*
Wein- und Biergährung.
gebildet, eben ſo wenig beobachtet man bei der Gährung von zuckerhaltigen Pflanzenſäften ein Auftreten von Waſſerſtoffgas.
Man beobachtet leicht, daß die Veränderung des Klebers für ſich und ſeine Zerſetzung in den Pflanzenſäften, in welchen er gelöſ’t iſt, zwei verſchiedenen Metamorphoſen angehört. Man hat Gründe, zu glauben, daß ſein Uebergang in den un- löslichen Zuſtand von einer Sauerſtoffaufnahme herrührt; denn ſeine Abſcheidung kann unter gewiſſen Bedingungen, durch un- gehinderten Luftzutritt, ohne Gegenwart von gährendem Zucker, bewirkt werden, und man weiß, daß die Berührung des Trau- ben- oder Pflanzenſaftes mit der Luft, ehe die Gährung ein- tritt, eine Trübung, die Bildung nämlich eines unlösli- chen Niederſchlags, von der Beſchaffenheit des Ferments, zur Folge hat.
Aus den Erſcheinungen, die wir bei der Gährung der Bierwürze beobachten, ergiebt ſich mit zweifelloſer Gewißheit, daß das Ferment aus dem Kleber während und in der Me- tamorphoſe des Zuckers gebildet wird; denn die Bierwürze enthält den ſtickſtoffhaltigen Körper des Getreides, den man Kleber nennt, in dem nämlichen Zuſtande, wie er im Trauben- ſaft vorhanden iſt; durch zugeſetztes Ferment wird die Bier- würze in Gährung verſetzt, allein nach vollendeter Zerſetzung hat ſich ſeine Quantität um das Dreißigfache vermehrt.
Bier- und Weinhefe zeigen mit geringen Verſchiedenheiten, un- ter dem Mikroskope betrachtet, einerlei Form und Beſchaffenheit, ſie zeigen einerlei Verhalten gegen Alkalien und Säuren, ſie be- ſitzen einerlei Fähigkeit, Gährung in Zuckerwaſſer aufs Neue einzuleiten, man muß ſie als identiſch betrachten.
Die Zerſetzung des Waſſers, bei der Fäulniß des Klebers, iſt eine völlig bewieſene Thatſache, und in welcher Form er ſich auch zerſetzen mag, ob im gelöſ’tem oder ungelöſ’tem Zu-
17*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0277"n="259"/><fwplace="top"type="header">Wein- und Biergährung.</fw><lb/>
gebildet, eben ſo wenig beobachtet man bei der Gährung von<lb/>
zuckerhaltigen Pflanzenſäften ein Auftreten von Waſſerſtoffgas.</p><lb/><p>Man beobachtet leicht, daß die Veränderung des Klebers<lb/>
für ſich und ſeine Zerſetzung in den Pflanzenſäften, in welchen<lb/>
er gelöſ’t iſt, zwei verſchiedenen Metamorphoſen angehört.<lb/>
Man hat Gründe, zu glauben, daß ſein Uebergang in den un-<lb/>
löslichen Zuſtand von einer Sauerſtoffaufnahme herrührt; denn<lb/>ſeine Abſcheidung kann unter gewiſſen Bedingungen, durch un-<lb/>
gehinderten Luftzutritt, ohne Gegenwart von gährendem Zucker,<lb/>
bewirkt werden, und man weiß, daß die Berührung des Trau-<lb/>
ben- oder Pflanzenſaftes mit der Luft, ehe die Gährung ein-<lb/>
tritt, eine Trübung, die Bildung nämlich eines unlösli-<lb/>
chen Niederſchlags, von der Beſchaffenheit des Ferments, zur<lb/>
Folge hat.</p><lb/><p>Aus den Erſcheinungen, die wir bei der Gährung der<lb/>
Bierwürze beobachten, ergiebt ſich mit zweifelloſer Gewißheit,<lb/>
daß das Ferment aus dem Kleber während und in der Me-<lb/>
tamorphoſe des Zuckers gebildet wird; denn die Bierwürze<lb/>
enthält den ſtickſtoffhaltigen Körper des Getreides, den man<lb/>
Kleber nennt, in dem nämlichen Zuſtande, wie er im Trauben-<lb/>ſaft vorhanden iſt; durch zugeſetztes Ferment wird die Bier-<lb/>
würze in Gährung verſetzt, allein nach vollendeter Zerſetzung<lb/>
hat ſich ſeine Quantität um das Dreißigfache vermehrt.</p><lb/><p>Bier- und Weinhefe zeigen mit geringen Verſchiedenheiten, un-<lb/>
ter dem Mikroskope betrachtet, einerlei Form und Beſchaffenheit,<lb/>ſie zeigen einerlei Verhalten gegen Alkalien und Säuren, ſie be-<lb/>ſitzen einerlei Fähigkeit, Gährung in Zuckerwaſſer aufs Neue<lb/>
einzuleiten, man muß ſie als identiſch betrachten.</p><lb/><p>Die Zerſetzung des Waſſers, bei der Fäulniß des Klebers,<lb/>
iſt eine völlig bewieſene Thatſache, und in welcher Form er<lb/>ſich auch zerſetzen mag, ob im gelöſ’tem oder ungelöſ’tem Zu-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[259/0277]
Wein- und Biergährung.
gebildet, eben ſo wenig beobachtet man bei der Gährung von
zuckerhaltigen Pflanzenſäften ein Auftreten von Waſſerſtoffgas.
Man beobachtet leicht, daß die Veränderung des Klebers
für ſich und ſeine Zerſetzung in den Pflanzenſäften, in welchen
er gelöſ’t iſt, zwei verſchiedenen Metamorphoſen angehört.
Man hat Gründe, zu glauben, daß ſein Uebergang in den un-
löslichen Zuſtand von einer Sauerſtoffaufnahme herrührt; denn
ſeine Abſcheidung kann unter gewiſſen Bedingungen, durch un-
gehinderten Luftzutritt, ohne Gegenwart von gährendem Zucker,
bewirkt werden, und man weiß, daß die Berührung des Trau-
ben- oder Pflanzenſaftes mit der Luft, ehe die Gährung ein-
tritt, eine Trübung, die Bildung nämlich eines unlösli-
chen Niederſchlags, von der Beſchaffenheit des Ferments, zur
Folge hat.
Aus den Erſcheinungen, die wir bei der Gährung der
Bierwürze beobachten, ergiebt ſich mit zweifelloſer Gewißheit,
daß das Ferment aus dem Kleber während und in der Me-
tamorphoſe des Zuckers gebildet wird; denn die Bierwürze
enthält den ſtickſtoffhaltigen Körper des Getreides, den man
Kleber nennt, in dem nämlichen Zuſtande, wie er im Trauben-
ſaft vorhanden iſt; durch zugeſetztes Ferment wird die Bier-
würze in Gährung verſetzt, allein nach vollendeter Zerſetzung
hat ſich ſeine Quantität um das Dreißigfache vermehrt.
Bier- und Weinhefe zeigen mit geringen Verſchiedenheiten, un-
ter dem Mikroskope betrachtet, einerlei Form und Beſchaffenheit,
ſie zeigen einerlei Verhalten gegen Alkalien und Säuren, ſie be-
ſitzen einerlei Fähigkeit, Gährung in Zuckerwaſſer aufs Neue
einzuleiten, man muß ſie als identiſch betrachten.
Die Zerſetzung des Waſſers, bei der Fäulniß des Klebers,
iſt eine völlig bewieſene Thatſache, und in welcher Form er
ſich auch zerſetzen mag, ob im gelöſ’tem oder ungelöſ’tem Zu-
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/277>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.