Ohne eine tiefe und gründliche Kenntniß der Nahrungs- mittel der Gewächse und der Quellen, aus denen sie entsprin- gen, ist eine Vervollkommnung des wichtigsten aller Gewerbe, des Ackerbaues, nicht denkbar. Man kann keine andere Ursache des bisherigen so schwankenden und ungewissen Zustandes unseres Wissens auffinden, als daß die Physiologie der neuern Zeit mit den unermeßlichen Fortschritten der Chemie nicht Schritt gehalten hat.
Wir wollen in dem Folgenden den Humus der Pflanzen- physiologen mit den Eigenschaften begabt uns denken, welche die Chemiker an den braunschwarzen Niederschlägen beobachtet haben, die man durch Fällung einer alkalischen Abkochung von Dammerde oder Torf vermittelst Säuren erhält, und die sie Humussäure nennen.
Die Humussäure besitzt, frisch niedergeschlagen, eine flockige Beschaffenheit; ein Theil davon lös't sich in 2500 Th. Wasser, sie verbindet sich mit Alkalien, Kalk und Bittererde, und bil- det damit Verbindungen von gleicher Löslichkeit (Sprengel).
Die Pflanzenphysiologen kommen darin überein, daß der Humus durch Vermittelung des Wassers die Fähigkeit erlangt, von den Wurzeln aufgenommen zu werden. Die Chemiker haben nun gefunden, daß die Humussäure nur in frisch nieder- geschlagenem Zustande löslich ist, daß sie diese Löslichkeit vollständig verliert, wenn sie an der Luft trocken geworden ist; sie wird ferner völlig unlöslich, wenn das Wasser, was sie enthält, gefriert. (Sprengel.)
Die Winterkälte und Sommerhitze rauben mithin der rei- nen Humussäure ihre Auflöslichkeit und damit ihre Assimilir- barkeit, sie kann als solche nicht in die Pflanzen gelangen.
Von der Richtigkeit dieser Beobachtung kann man sich leicht durch Behandlung guter Acker- und Dammerde mit
Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
Ohne eine tiefe und gründliche Kenntniß der Nahrungs- mittel der Gewächſe und der Quellen, aus denen ſie entſprin- gen, iſt eine Vervollkommnung des wichtigſten aller Gewerbe, des Ackerbaues, nicht denkbar. Man kann keine andere Urſache des bisherigen ſo ſchwankenden und ungewiſſen Zuſtandes unſeres Wiſſens auffinden, als daß die Phyſiologie der neuern Zeit mit den unermeßlichen Fortſchritten der Chemie nicht Schritt gehalten hat.
Wir wollen in dem Folgenden den Humus der Pflanzen- phyſiologen mit den Eigenſchaften begabt uns denken, welche die Chemiker an den braunſchwarzen Niederſchlägen beobachtet haben, die man durch Fällung einer alkaliſchen Abkochung von Dammerde oder Torf vermittelſt Säuren erhält, und die ſie Humusſäure nennen.
Die Humusſäure beſitzt, friſch niedergeſchlagen, eine flockige Beſchaffenheit; ein Theil davon löſ’t ſich in 2500 Th. Waſſer, ſie verbindet ſich mit Alkalien, Kalk und Bittererde, und bil- det damit Verbindungen von gleicher Löslichkeit (Sprengel).
Die Pflanzenphyſiologen kommen darin überein, daß der Humus durch Vermittelung des Waſſers die Fähigkeit erlangt, von den Wurzeln aufgenommen zu werden. Die Chemiker haben nun gefunden, daß die Humusſäure nur in friſch nieder- geſchlagenem Zuſtande löslich iſt, daß ſie dieſe Löslichkeit vollſtändig verliert, wenn ſie an der Luft trocken geworden iſt; ſie wird ferner völlig unlöslich, wenn das Waſſer, was ſie enthält, gefriert. (Sprengel.)
Die Winterkälte und Sommerhitze rauben mithin der rei- nen Humusſäure ihre Auflöslichkeit und damit ihre Aſſimilir- barkeit, ſie kann als ſolche nicht in die Pflanzen gelangen.
Von der Richtigkeit dieſer Beobachtung kann man ſich leicht durch Behandlung guter Acker- und Dammerde mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0027"n="9"/><fwplace="top"type="header">Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.</fw><lb/><p>Ohne eine tiefe und gründliche Kenntniß der Nahrungs-<lb/>
mittel der Gewächſe und der Quellen, aus denen ſie entſprin-<lb/>
gen, iſt eine Vervollkommnung des wichtigſten aller Gewerbe,<lb/>
des Ackerbaues, nicht denkbar. Man kann keine andere Urſache<lb/>
des bisherigen ſo ſchwankenden und ungewiſſen Zuſtandes unſeres<lb/>
Wiſſens auffinden, als daß die Phyſiologie der neuern Zeit<lb/>
mit den unermeßlichen Fortſchritten der Chemie nicht Schritt<lb/>
gehalten hat.</p><lb/><p>Wir wollen in dem Folgenden den <hirendition="#g">Humus</hi> der Pflanzen-<lb/>
phyſiologen mit den Eigenſchaften begabt uns denken, welche<lb/>
die Chemiker an den braunſchwarzen Niederſchlägen beobachtet<lb/>
haben, die man durch Fällung einer alkaliſchen Abkochung von<lb/>
Dammerde oder Torf vermittelſt Säuren erhält, und die ſie<lb/><hirendition="#g">Humusſäure</hi> nennen.</p><lb/><p>Die Humusſäure beſitzt, friſch niedergeſchlagen, eine flockige<lb/>
Beſchaffenheit; ein Theil davon löſ’t ſich in 2500 Th. Waſſer,<lb/>ſie verbindet ſich mit Alkalien, Kalk und Bittererde, und bil-<lb/>
det damit Verbindungen von gleicher Löslichkeit (<hirendition="#g">Sprengel</hi>).</p><lb/><p>Die Pflanzenphyſiologen kommen darin überein, daß der<lb/>
Humus durch Vermittelung des Waſſers die Fähigkeit erlangt,<lb/>
von den Wurzeln aufgenommen zu werden. Die Chemiker<lb/>
haben nun gefunden, daß die Humusſäure nur in friſch nieder-<lb/>
geſchlagenem Zuſtande löslich iſt, daß ſie dieſe Löslichkeit<lb/>
vollſtändig verliert, wenn ſie an der Luft trocken geworden iſt;<lb/>ſie wird ferner völlig unlöslich, wenn das Waſſer, was ſie<lb/>
enthält, gefriert. (<hirendition="#g">Sprengel</hi>.)</p><lb/><p>Die Winterkälte und Sommerhitze rauben mithin der rei-<lb/>
nen Humusſäure ihre Auflöslichkeit und damit ihre Aſſimilir-<lb/>
barkeit, ſie kann als ſolche nicht in die Pflanzen gelangen.</p><lb/><p>Von der Richtigkeit dieſer Beobachtung kann man ſich<lb/>
leicht durch Behandlung guter Acker- und Dammerde mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0027]
Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
Ohne eine tiefe und gründliche Kenntniß der Nahrungs-
mittel der Gewächſe und der Quellen, aus denen ſie entſprin-
gen, iſt eine Vervollkommnung des wichtigſten aller Gewerbe,
des Ackerbaues, nicht denkbar. Man kann keine andere Urſache
des bisherigen ſo ſchwankenden und ungewiſſen Zuſtandes unſeres
Wiſſens auffinden, als daß die Phyſiologie der neuern Zeit
mit den unermeßlichen Fortſchritten der Chemie nicht Schritt
gehalten hat.
Wir wollen in dem Folgenden den Humus der Pflanzen-
phyſiologen mit den Eigenſchaften begabt uns denken, welche
die Chemiker an den braunſchwarzen Niederſchlägen beobachtet
haben, die man durch Fällung einer alkaliſchen Abkochung von
Dammerde oder Torf vermittelſt Säuren erhält, und die ſie
Humusſäure nennen.
Die Humusſäure beſitzt, friſch niedergeſchlagen, eine flockige
Beſchaffenheit; ein Theil davon löſ’t ſich in 2500 Th. Waſſer,
ſie verbindet ſich mit Alkalien, Kalk und Bittererde, und bil-
det damit Verbindungen von gleicher Löslichkeit (Sprengel).
Die Pflanzenphyſiologen kommen darin überein, daß der
Humus durch Vermittelung des Waſſers die Fähigkeit erlangt,
von den Wurzeln aufgenommen zu werden. Die Chemiker
haben nun gefunden, daß die Humusſäure nur in friſch nieder-
geſchlagenem Zuſtande löslich iſt, daß ſie dieſe Löslichkeit
vollſtändig verliert, wenn ſie an der Luft trocken geworden iſt;
ſie wird ferner völlig unlöslich, wenn das Waſſer, was ſie
enthält, gefriert. (Sprengel.)
Die Winterkälte und Sommerhitze rauben mithin der rei-
nen Humusſäure ihre Auflöslichkeit und damit ihre Aſſimilir-
barkeit, ſie kann als ſolche nicht in die Pflanzen gelangen.
Von der Richtigkeit dieſer Beobachtung kann man ſich
leicht durch Behandlung guter Acker- und Dammerde mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/27>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.