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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Hefe, Ferment.
des Wassers zu bemächtigen, in allen Stickstoffverbindungen
eine vorzugsweise leichte Spaltung ihrer Elemente gegeben ist,
und wenn wir finden, daß kein stickstofffreier Körper in reinem
Zustande die Eigenschaft besitzt, sich in Berührung mit Was-
ser von selbst zu zerlegen, so liegt es in der Natur der Stick-
stoffverbindungen, und weil sie gewissermaßen höher organisirte
Atome darstellen, daß ihnen vor allen diese Fähigkeit zukommt.

Wir finden in der That, daß jeder stickstoffhaltige Bestand-
theil des thierischen oder vegetabilischen Organismus, sich selbst
bei Gegenwart von Wasser und einer höheren Temperatur über-
lassen, in Fäulniß übergeht.

Die stickstoffhaltigen Materien sind demnach ausschließlich
die Erreger von Gährung und Fäulniß bei vegetabilischen
Substanzen.

Die Fäulniß gehört in ihren Erfolgen, als eine inein-
ander greifende Metamorphose verschiedener Substanzen, zu den
mächtigsten Desoxidationsprocessen, durch welche die stärksten
Verwandtschaften überwunden werden.

Eine Auflösung von Gyps in Wasser, die man mit einer
Abkochung von Sägespänen oder irgend einer Fäulniß fähigen
organischen Materie in einem verschlossenen Gefäße sich selbst
überläßt, enthält nach einiger Zeit keine Schwefelsäure mehr,
an ihrer Stelle findet man Kohlensäure und freie Schwefel-
wasserstoffsäure, die sich in den vorhandenen Kalk theilen. In
stehenden Wassern, welche schwefelsaure Salze enthalten, beob-
achtet man an den verfaulenden Wurzelfasern die Bildung von
krystallisirtem Schwefelkies.

Man weiß nun, daß unter Wasser, also beim Abschluß der
Luft, faulendes Holz sich in der Weise zerlegt, daß sich ein
Theil seines Kohlenstoffs mit seinem eigenen und dem Sauer-
stoff des Wassers zu Kohlensäure verbindet, während sein Was-

Hefe, Ferment.
des Waſſers zu bemächtigen, in allen Stickſtoffverbindungen
eine vorzugsweiſe leichte Spaltung ihrer Elemente gegeben iſt,
und wenn wir finden, daß kein ſtickſtofffreier Körper in reinem
Zuſtande die Eigenſchaft beſitzt, ſich in Berührung mit Waſ-
ſer von ſelbſt zu zerlegen, ſo liegt es in der Natur der Stick-
ſtoffverbindungen, und weil ſie gewiſſermaßen höher organiſirte
Atome darſtellen, daß ihnen vor allen dieſe Fähigkeit zukommt.

Wir finden in der That, daß jeder ſtickſtoffhaltige Beſtand-
theil des thieriſchen oder vegetabiliſchen Organismus, ſich ſelbſt
bei Gegenwart von Waſſer und einer höheren Temperatur über-
laſſen, in Fäulniß übergeht.

Die ſtickſtoffhaltigen Materien ſind demnach ausſchließlich
die Erreger von Gährung und Fäulniß bei vegetabiliſchen
Subſtanzen.

Die Fäulniß gehört in ihren Erfolgen, als eine inein-
ander greifende Metamorphoſe verſchiedener Subſtanzen, zu den
mächtigſten Desoxidationsproceſſen, durch welche die ſtärkſten
Verwandtſchaften überwunden werden.

Eine Auflöſung von Gyps in Waſſer, die man mit einer
Abkochung von Sägeſpänen oder irgend einer Fäulniß fähigen
organiſchen Materie in einem verſchloſſenen Gefäße ſich ſelbſt
überläßt, enthält nach einiger Zeit keine Schwefelſäure mehr,
an ihrer Stelle findet man Kohlenſäure und freie Schwefel-
waſſerſtoffſäure, die ſich in den vorhandenen Kalk theilen. In
ſtehenden Waſſern, welche ſchwefelſaure Salze enthalten, beob-
achtet man an den verfaulenden Wurzelfaſern die Bildung von
kryſtalliſirtem Schwefelkies.

Man weiß nun, daß unter Waſſer, alſo beim Abſchluß der
Luft, faulendes Holz ſich in der Weiſe zerlegt, daß ſich ein
Theil ſeines Kohlenſtoffs mit ſeinem eigenen und dem Sauer-
ſtoff des Waſſers zu Kohlenſäure verbindet, während ſein Waſ-

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[235/0253] Hefe, Ferment. des Waſſers zu bemächtigen, in allen Stickſtoffverbindungen eine vorzugsweiſe leichte Spaltung ihrer Elemente gegeben iſt, und wenn wir finden, daß kein ſtickſtofffreier Körper in reinem Zuſtande die Eigenſchaft beſitzt, ſich in Berührung mit Waſ- ſer von ſelbſt zu zerlegen, ſo liegt es in der Natur der Stick- ſtoffverbindungen, und weil ſie gewiſſermaßen höher organiſirte Atome darſtellen, daß ihnen vor allen dieſe Fähigkeit zukommt. Wir finden in der That, daß jeder ſtickſtoffhaltige Beſtand- theil des thieriſchen oder vegetabiliſchen Organismus, ſich ſelbſt bei Gegenwart von Waſſer und einer höheren Temperatur über- laſſen, in Fäulniß übergeht. Die ſtickſtoffhaltigen Materien ſind demnach ausſchließlich die Erreger von Gährung und Fäulniß bei vegetabiliſchen Subſtanzen. Die Fäulniß gehört in ihren Erfolgen, als eine inein- ander greifende Metamorphoſe verſchiedener Subſtanzen, zu den mächtigſten Desoxidationsproceſſen, durch welche die ſtärkſten Verwandtſchaften überwunden werden. Eine Auflöſung von Gyps in Waſſer, die man mit einer Abkochung von Sägeſpänen oder irgend einer Fäulniß fähigen organiſchen Materie in einem verſchloſſenen Gefäße ſich ſelbſt überläßt, enthält nach einiger Zeit keine Schwefelſäure mehr, an ihrer Stelle findet man Kohlenſäure und freie Schwefel- waſſerſtoffſäure, die ſich in den vorhandenen Kalk theilen. In ſtehenden Waſſern, welche ſchwefelſaure Salze enthalten, beob- achtet man an den verfaulenden Wurzelfaſern die Bildung von kryſtalliſirtem Schwefelkies. Man weiß nun, daß unter Waſſer, alſo beim Abſchluß der Luft, faulendes Holz ſich in der Weiſe zerlegt, daß ſich ein Theil ſeines Kohlenſtoffs mit ſeinem eigenen und dem Sauer- ſtoff des Waſſers zu Kohlenſäure verbindet, während ſein Waſ-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/253>, abgerufen am 24.11.2024.