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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Ursache der Gährung, Fäulniß nnd Verwesung.
des Beharrungsvermögens, verursacht in den so eben angeführ-
ten Bildungs- und Zersetzungsprocessen eine augenblickliche an-
dere
Lagerung der Atome eines Körpers, d. h. die Entstehung
einer Verbindung, die vorher nicht vorhanden war.

Wie sich von selbst versteht, müssen diese Atome die Fähig-
keit besitzen, sich auf diese bestimmte Weise zu ordnen, denn
sonst würde Reibung und Bewegung, ohne den geringsten Ein-
fluß darauf sein.

Das bloße Beharren in der Lage, wo sich die Atome ei-
nes Körpers befinden, macht, daß uns viele Körper in anderen
Zuständen mit anderen Eigenschaften begabt erscheinen, als sie
nach ihren natürlichen Anziehungen besitzen. Geschmolzener
und rasch erkalteter Zucker und Glas sind durchsichtig, von
muschlichem Bruch, beide bis zu einem gewissen Grade elastisch
und biegsam; der erstere wird beim Aufbewahren matt und un-
durchsichtig und zeigt alsdann im Bruche regelmäßige Spal-
tungsflächen, welche dem kristallisirten Zucker angehören; das
Glas nimmt diesen Zustand an und wird weiß und undurch-
scheinend, hart, so daß es am Stahle Funken giebt, wenn es
lange Zeit hindurch bei einer hohen Temperatur im weichen
Zustande erhalten wird. Offenbar besaßen die Atome der bei-
den Körper, in diesen verschiedenen Zuständen, verschiedene La-
gen, in dem ersteren war ihre Anziehung nicht in den Rich-
tungen thätig, in denen ihre Cohäsionskraft am stärksten war.
Wir wissen, daß der geschmolzene Schwefel beim raschen Ab-
kühlen in kaltem Wasser weich, durchsichtig und elastisch bleibt
und sich in lange Fäden ziehen läßt, und daß er erst nach
Stunden oder Tagen wieder hart und krystallinisch wird.

Das Bemerkenswertheste hierbei ist unstreitig, daß der
amorphe Zucker oder Schwefel, ohne Mitwirken einer äußeren
Ursache, in den kristallinischen Zustand wieder zurückkehrt, denn

Urſache der Gährung, Fäulniß nnd Verweſung.
des Beharrungsvermögens, verurſacht in den ſo eben angeführ-
ten Bildungs- und Zerſetzungsproceſſen eine augenblickliche an-
dere
Lagerung der Atome eines Körpers, d. h. die Entſtehung
einer Verbindung, die vorher nicht vorhanden war.

Wie ſich von ſelbſt verſteht, müſſen dieſe Atome die Fähig-
keit beſitzen, ſich auf dieſe beſtimmte Weiſe zu ordnen, denn
ſonſt würde Reibung und Bewegung, ohne den geringſten Ein-
fluß darauf ſein.

Das bloße Beharren in der Lage, wo ſich die Atome ei-
nes Körpers befinden, macht, daß uns viele Körper in anderen
Zuſtänden mit anderen Eigenſchaften begabt erſcheinen, als ſie
nach ihren natürlichen Anziehungen beſitzen. Geſchmolzener
und raſch erkalteter Zucker und Glas ſind durchſichtig, von
muſchlichem Bruch, beide bis zu einem gewiſſen Grade elaſtiſch
und biegſam; der erſtere wird beim Aufbewahren matt und un-
durchſichtig und zeigt alsdann im Bruche regelmäßige Spal-
tungsflächen, welche dem kriſtalliſirten Zucker angehören; das
Glas nimmt dieſen Zuſtand an und wird weiß und undurch-
ſcheinend, hart, ſo daß es am Stahle Funken giebt, wenn es
lange Zeit hindurch bei einer hohen Temperatur im weichen
Zuſtande erhalten wird. Offenbar beſaßen die Atome der bei-
den Körper, in dieſen verſchiedenen Zuſtänden, verſchiedene La-
gen, in dem erſteren war ihre Anziehung nicht in den Rich-
tungen thätig, in denen ihre Cohäſionskraft am ſtärkſten war.
Wir wiſſen, daß der geſchmolzene Schwefel beim raſchen Ab-
kühlen in kaltem Waſſer weich, durchſichtig und elaſtiſch bleibt
und ſich in lange Fäden ziehen läßt, und daß er erſt nach
Stunden oder Tagen wieder hart und kryſtalliniſch wird.

Das Bemerkenswertheſte hierbei iſt unſtreitig, daß der
amorphe Zucker oder Schwefel, ohne Mitwirken einer äußeren
Urſache, in den kriſtalliniſchen Zuſtand wieder zurückkehrt, denn

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[208/0226] Urſache der Gährung, Fäulniß nnd Verweſung. des Beharrungsvermögens, verurſacht in den ſo eben angeführ- ten Bildungs- und Zerſetzungsproceſſen eine augenblickliche an- dere Lagerung der Atome eines Körpers, d. h. die Entſtehung einer Verbindung, die vorher nicht vorhanden war. Wie ſich von ſelbſt verſteht, müſſen dieſe Atome die Fähig- keit beſitzen, ſich auf dieſe beſtimmte Weiſe zu ordnen, denn ſonſt würde Reibung und Bewegung, ohne den geringſten Ein- fluß darauf ſein. Das bloße Beharren in der Lage, wo ſich die Atome ei- nes Körpers befinden, macht, daß uns viele Körper in anderen Zuſtänden mit anderen Eigenſchaften begabt erſcheinen, als ſie nach ihren natürlichen Anziehungen beſitzen. Geſchmolzener und raſch erkalteter Zucker und Glas ſind durchſichtig, von muſchlichem Bruch, beide bis zu einem gewiſſen Grade elaſtiſch und biegſam; der erſtere wird beim Aufbewahren matt und un- durchſichtig und zeigt alsdann im Bruche regelmäßige Spal- tungsflächen, welche dem kriſtalliſirten Zucker angehören; das Glas nimmt dieſen Zuſtand an und wird weiß und undurch- ſcheinend, hart, ſo daß es am Stahle Funken giebt, wenn es lange Zeit hindurch bei einer hohen Temperatur im weichen Zuſtande erhalten wird. Offenbar beſaßen die Atome der bei- den Körper, in dieſen verſchiedenen Zuſtänden, verſchiedene La- gen, in dem erſteren war ihre Anziehung nicht in den Rich- tungen thätig, in denen ihre Cohäſionskraft am ſtärkſten war. Wir wiſſen, daß der geſchmolzene Schwefel beim raſchen Ab- kühlen in kaltem Waſſer weich, durchſichtig und elaſtiſch bleibt und ſich in lange Fäden ziehen läßt, und daß er erſt nach Stunden oder Tagen wieder hart und kryſtalliniſch wird. Das Bemerkenswertheſte hierbei iſt unſtreitig, daß der amorphe Zucker oder Schwefel, ohne Mitwirken einer äußeren Urſache, in den kriſtalliniſchen Zuſtand wieder zurückkehrt, denn

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/226>, abgerufen am 22.11.2024.