Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Wechselwirthschaft und der Dünger.
Wasser anzuziehen und zurückzuhalten, Antheil an dem Pflan-
zenleben nimmt. Man muß auf Rechenschaft über diesen
Einfluß verzichten, wenn man den Schleier der Isis darüber
deckt.

Die Medizin hat Jahrhunderte lang auf der Stufe gestan-
den, wo man die Wirkungen der Arzneien durch den Schleier
der Isis verhüllte, aber alle Geheimnisse haben sich auf eine sehr
einfache Weise gelös't. Eine ganz unpoetische Hand erklärte die
anscheinend unbegreifliche Wunderkraft der Quellen in Savoyen,
wo sich die Walliser ihre Kröpfe vertreiben, durch einen Ge-
halt an Jod; in den gebrannten Schwämmen, die man zu
demselben Zweck benutzte, fand man ebenfalls Jod; man fand,
daß die Wunderkraft der China in einem darin in sehr geringer
Menge vorhandenen krystallinischen Stoff, dem Chinin, daß
die mannigfaltige Wirkungsweise des Opiums in einer eben
so großen Mannigfaltigkeit von Materien liegt, die sich daraus
darstellen lassen.

Einer jeden Wirkung entspricht eine Ursache; suchen wir
die Ursachen uns deutlich zu machen, so werden wir die Wir-
kungen beherrschen.

Als Princip des Ackerbaues muß angesehen werden, daß
der Boden in vollem Maaße wieder erhalten muß, was ihm
genommen wird, in welcher Form dieß Wiedergeben geschieht, ob
in der Form von Excrementen, oder von Asche oder Knochen, dieß
ist wohl ziemlich gleichgültig. Es wird eine Zeit kommen,
wo man den Acker mit einer Auflösung von Wasserglas (kie-
selsaurem Kali), mit der Asche von verbranntem Stroh, wo
man ihn mit phosphorsauren Salzen düngen wird, die man
in chemischen Fabriken bereitet, gerade so wie man jetzt zur
Heilung des Fiebers und der Kröpfe chemische Präparate giebt.

Es giebt Pflanzen, welche Humus bedürfen, ohne bemerk-

Die Wechſelwirthſchaft und der Dünger.
Waſſer anzuziehen und zurückzuhalten, Antheil an dem Pflan-
zenleben nimmt. Man muß auf Rechenſchaft über dieſen
Einfluß verzichten, wenn man den Schleier der Iſis darüber
deckt.

Die Medizin hat Jahrhunderte lang auf der Stufe geſtan-
den, wo man die Wirkungen der Arzneien durch den Schleier
der Iſis verhüllte, aber alle Geheimniſſe haben ſich auf eine ſehr
einfache Weiſe gelöſ’t. Eine ganz unpoetiſche Hand erklärte die
anſcheinend unbegreifliche Wunderkraft der Quellen in Savoyen,
wo ſich die Walliſer ihre Kröpfe vertreiben, durch einen Ge-
halt an Jod; in den gebrannten Schwämmen, die man zu
demſelben Zweck benutzte, fand man ebenfalls Jod; man fand,
daß die Wunderkraft der China in einem darin in ſehr geringer
Menge vorhandenen kryſtalliniſchen Stoff, dem Chinin, daß
die mannigfaltige Wirkungsweiſe des Opiums in einer eben
ſo großen Mannigfaltigkeit von Materien liegt, die ſich daraus
darſtellen laſſen.

Einer jeden Wirkung entſpricht eine Urſache; ſuchen wir
die Urſachen uns deutlich zu machen, ſo werden wir die Wir-
kungen beherrſchen.

Als Princip des Ackerbaues muß angeſehen werden, daß
der Boden in vollem Maaße wieder erhalten muß, was ihm
genommen wird, in welcher Form dieß Wiedergeben geſchieht, ob
in der Form von Excrementen, oder von Aſche oder Knochen, dieß
iſt wohl ziemlich gleichgültig. Es wird eine Zeit kommen,
wo man den Acker mit einer Auflöſung von Waſſerglas (kie-
ſelſaurem Kali), mit der Aſche von verbranntem Stroh, wo
man ihn mit phosphorſauren Salzen düngen wird, die man
in chemiſchen Fabriken bereitet, gerade ſo wie man jetzt zur
Heilung des Fiebers und der Kröpfe chemiſche Präparate giebt.

Es giebt Pflanzen, welche Humus bedürfen, ohne bemerk-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="167"/><fw place="top" type="header">Die Wech&#x017F;elwirth&#x017F;chaft und der Dünger.</fw><lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er anzuziehen und zurückzuhalten, Antheil an dem Pflan-<lb/>
zenleben nimmt. Man muß auf Rechen&#x017F;chaft über die&#x017F;en<lb/>
Einfluß verzichten, wenn man den Schleier der I&#x017F;is darüber<lb/>
deckt.</p><lb/>
          <p>Die Medizin hat Jahrhunderte lang auf der Stufe ge&#x017F;tan-<lb/>
den, wo man die Wirkungen der Arzneien durch den Schleier<lb/>
der I&#x017F;is verhüllte, aber alle Geheimni&#x017F;&#x017F;e haben &#x017F;ich auf eine &#x017F;ehr<lb/>
einfache Wei&#x017F;e gelö&#x017F;&#x2019;t. Eine ganz unpoeti&#x017F;che Hand erklärte die<lb/>
an&#x017F;cheinend unbegreifliche Wunderkraft der Quellen in Savoyen,<lb/>
wo &#x017F;ich die Walli&#x017F;er ihre Kröpfe vertreiben, durch einen Ge-<lb/>
halt an <hi rendition="#g">Jod</hi>; in den gebrannten Schwämmen, die man zu<lb/>
dem&#x017F;elben Zweck benutzte, fand man ebenfalls Jod; man fand,<lb/>
daß die Wunderkraft der China in einem darin in &#x017F;ehr geringer<lb/>
Menge vorhandenen kry&#x017F;tallini&#x017F;chen Stoff, dem <hi rendition="#g">Chinin</hi>, daß<lb/>
die mannigfaltige Wirkungswei&#x017F;e des <hi rendition="#g">Opiums</hi> in einer eben<lb/>
&#x017F;o großen Mannigfaltigkeit von Materien liegt, die &#x017F;ich daraus<lb/>
dar&#x017F;tellen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Einer jeden Wirkung ent&#x017F;pricht eine Ur&#x017F;ache; &#x017F;uchen wir<lb/>
die Ur&#x017F;achen uns deutlich zu machen, &#x017F;o werden wir die Wir-<lb/>
kungen beherr&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Als Princip des Ackerbaues muß ange&#x017F;ehen werden, daß<lb/>
der Boden in vollem Maaße wieder erhalten muß, was ihm<lb/>
genommen wird, in welcher Form dieß Wiedergeben ge&#x017F;chieht, ob<lb/>
in der Form von Excrementen, oder von A&#x017F;che oder Knochen, dieß<lb/>
i&#x017F;t wohl ziemlich gleichgültig. Es wird eine Zeit kommen,<lb/>
wo man den Acker mit einer Auflö&#x017F;ung von Wa&#x017F;&#x017F;erglas (kie-<lb/>
&#x017F;el&#x017F;aurem Kali), mit der A&#x017F;che von verbranntem Stroh, wo<lb/>
man ihn mit phosphor&#x017F;auren Salzen düngen wird, die man<lb/>
in chemi&#x017F;chen Fabriken bereitet, gerade &#x017F;o wie man jetzt zur<lb/>
Heilung des Fiebers und der Kröpfe chemi&#x017F;che Präparate giebt.</p><lb/>
          <p>Es giebt Pflanzen, welche Humus bedürfen, ohne bemerk-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0185] Die Wechſelwirthſchaft und der Dünger. Waſſer anzuziehen und zurückzuhalten, Antheil an dem Pflan- zenleben nimmt. Man muß auf Rechenſchaft über dieſen Einfluß verzichten, wenn man den Schleier der Iſis darüber deckt. Die Medizin hat Jahrhunderte lang auf der Stufe geſtan- den, wo man die Wirkungen der Arzneien durch den Schleier der Iſis verhüllte, aber alle Geheimniſſe haben ſich auf eine ſehr einfache Weiſe gelöſ’t. Eine ganz unpoetiſche Hand erklärte die anſcheinend unbegreifliche Wunderkraft der Quellen in Savoyen, wo ſich die Walliſer ihre Kröpfe vertreiben, durch einen Ge- halt an Jod; in den gebrannten Schwämmen, die man zu demſelben Zweck benutzte, fand man ebenfalls Jod; man fand, daß die Wunderkraft der China in einem darin in ſehr geringer Menge vorhandenen kryſtalliniſchen Stoff, dem Chinin, daß die mannigfaltige Wirkungsweiſe des Opiums in einer eben ſo großen Mannigfaltigkeit von Materien liegt, die ſich daraus darſtellen laſſen. Einer jeden Wirkung entſpricht eine Urſache; ſuchen wir die Urſachen uns deutlich zu machen, ſo werden wir die Wir- kungen beherrſchen. Als Princip des Ackerbaues muß angeſehen werden, daß der Boden in vollem Maaße wieder erhalten muß, was ihm genommen wird, in welcher Form dieß Wiedergeben geſchieht, ob in der Form von Excrementen, oder von Aſche oder Knochen, dieß iſt wohl ziemlich gleichgültig. Es wird eine Zeit kommen, wo man den Acker mit einer Auflöſung von Waſſerglas (kie- ſelſaurem Kali), mit der Aſche von verbranntem Stroh, wo man ihn mit phosphorſauren Salzen düngen wird, die man in chemiſchen Fabriken bereitet, gerade ſo wie man jetzt zur Heilung des Fiebers und der Kröpfe chemiſche Präparate giebt. Es giebt Pflanzen, welche Humus bedürfen, ohne bemerk-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/185
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/185>, abgerufen am 25.11.2024.