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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.
Erzeugung von Nahrungsstoffen für das künftige Jahr ver-
wendet; anstatt Holzfaser wird jetzt Amylon gebildet und durch
den Augustsaft (Seve d'Aout) in allen Theilen der Pflanze
verbreitet. (Hartig, in Erdmann und Schweigger-Seidels Jour-
nal V. 217. 1835.) Man kann durch gute Microscope die ab-
gelagerte Stärke, nach den Beobachtungen des Herrn Forstmeister
Heyer, in ihrer bekannten Form in dem Holzkörper sehr
leicht erkennen. Die Rinde mancher Espen und Fich-
ten *) ist so reich daran, daß sie durch Zerreiben und Waschen mit
Wasser, wie Kartoffelstärke, daraus genommen werden kann, sie fin-
det sich ferner in den Wurzeln und Wurzelstöcken perennirender
Pflanzen.

Sehr früher Winter oder rascher Temperaturwechsel hin-
dern die Erzeugung dieser Vorräthe von Nahrung für das
künftige Jahr, das Holz wird, wie beim Weinstock z. B., nicht
reif, seine Entwickelung ist das folgende Jahr in engere Gren-
zen eingeschlossen.

Aus diesem Amylon entsteht im nächsten Frühjahr der Zucker
und das Gummi, und aus diesem wieder die stickstofffreien
Bestandtheile der Blätter und jungen Triebe. Mit der Ent-
wickelung der jungen Kartoffelpflanze, mit der Bildung der
Keime nimmt der Amylongehalt der Wurzel ab; der Ahorn-
saft hört auf süß zu sein, sein Zuckergehalt verliert sich mit
der Ausbildung der Knospen, der Blüthe und der Blätter.

Ein Weidenzweig, der durch seinen ganzen Holzkörper eine
große Menge Amylonkörnchen in sich schließt, treibt in reinem
destillirten oder Regenwasser Wurzeln und Blätter, aber in dem
Grade, als sie sich vergrößern, nimmt der Amylongehalt ab;

*) Aus Fichtenrinde wird zu Zeiten der Noth in Schweden bekanntlich
Brod gebacken.
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Die Cultur.
Erzeugung von Nahrungsſtoffen für das künftige Jahr ver-
wendet; anſtatt Holzfaſer wird jetzt Amylon gebildet und durch
den Auguſtſaft (Sève d’Aout) in allen Theilen der Pflanze
verbreitet. (Hartig, in Erdmann und Schweigger-Seidels Jour-
nal V. 217. 1835.) Man kann durch gute Microscope die ab-
gelagerte Stärke, nach den Beobachtungen des Herrn Forſtmeiſter
Heyer, in ihrer bekannten Form in dem Holzkörper ſehr
leicht erkennen. Die Rinde mancher Espen und Fich-
ten *) iſt ſo reich daran, daß ſie durch Zerreiben und Waſchen mit
Waſſer, wie Kartoffelſtärke, daraus genommen werden kann, ſie fin-
det ſich ferner in den Wurzeln und Wurzelſtöcken perennirender
Pflanzen.

Sehr früher Winter oder raſcher Temperaturwechſel hin-
dern die Erzeugung dieſer Vorräthe von Nahrung für das
künftige Jahr, das Holz wird, wie beim Weinſtock z. B., nicht
reif, ſeine Entwickelung iſt das folgende Jahr in engere Gren-
zen eingeſchloſſen.

Aus dieſem Amylon entſteht im nächſten Frühjahr der Zucker
und das Gummi, und aus dieſem wieder die ſtickſtofffreien
Beſtandtheile der Blätter und jungen Triebe. Mit der Ent-
wickelung der jungen Kartoffelpflanze, mit der Bildung der
Keime nimmt der Amylongehalt der Wurzel ab; der Ahorn-
ſaft hört auf ſüß zu ſein, ſein Zuckergehalt verliert ſich mit
der Ausbildung der Knospen, der Blüthe und der Blätter.

Ein Weidenzweig, der durch ſeinen ganzen Holzkörper eine
große Menge Amylonkörnchen in ſich ſchließt, treibt in reinem
deſtillirten oder Regenwaſſer Wurzeln und Blätter, aber in dem
Grade, als ſie ſich vergrößern, nimmt der Amylongehalt ab;

*) Aus Fichtenrinde wird zu Zeiten der Noth in Schweden bekanntlich
Brod gebacken.
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[113/0131] Die Cultur. Erzeugung von Nahrungsſtoffen für das künftige Jahr ver- wendet; anſtatt Holzfaſer wird jetzt Amylon gebildet und durch den Auguſtſaft (Sève d’Aout) in allen Theilen der Pflanze verbreitet. (Hartig, in Erdmann und Schweigger-Seidels Jour- nal V. 217. 1835.) Man kann durch gute Microscope die ab- gelagerte Stärke, nach den Beobachtungen des Herrn Forſtmeiſter Heyer, in ihrer bekannten Form in dem Holzkörper ſehr leicht erkennen. Die Rinde mancher Espen und Fich- ten *) iſt ſo reich daran, daß ſie durch Zerreiben und Waſchen mit Waſſer, wie Kartoffelſtärke, daraus genommen werden kann, ſie fin- det ſich ferner in den Wurzeln und Wurzelſtöcken perennirender Pflanzen. Sehr früher Winter oder raſcher Temperaturwechſel hin- dern die Erzeugung dieſer Vorräthe von Nahrung für das künftige Jahr, das Holz wird, wie beim Weinſtock z. B., nicht reif, ſeine Entwickelung iſt das folgende Jahr in engere Gren- zen eingeſchloſſen. Aus dieſem Amylon entſteht im nächſten Frühjahr der Zucker und das Gummi, und aus dieſem wieder die ſtickſtofffreien Beſtandtheile der Blätter und jungen Triebe. Mit der Ent- wickelung der jungen Kartoffelpflanze, mit der Bildung der Keime nimmt der Amylongehalt der Wurzel ab; der Ahorn- ſaft hört auf ſüß zu ſein, ſein Zuckergehalt verliert ſich mit der Ausbildung der Knospen, der Blüthe und der Blätter. Ein Weidenzweig, der durch ſeinen ganzen Holzkörper eine große Menge Amylonkörnchen in ſich ſchließt, treibt in reinem deſtillirten oder Regenwaſſer Wurzeln und Blätter, aber in dem Grade, als ſie ſich vergrößern, nimmt der Amylongehalt ab; *) Aus Fichtenrinde wird zu Zeiten der Noth in Schweden bekanntlich Brod gebacken. 8

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/131>, abgerufen am 28.11.2024.