Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Photorin, Conrad [i. e. Georg Christoph Lichtenberg]: Timorus, das ist, Vertheidigung zweyer Israeliten, die durch die Kräftigkeit der Lavaterischen Beweisgründe und der Göttingischen Mettwürste bewogen den wahren Glauben angenommen haben. Berlin, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr, die ihr vielleicht - seht zu solchen Eröffnungen bringt ihr mich - die ihr vielleicht keine von allen dreyen besitzt. Euch zu Liebe breite ich mich über diesen Artikel nicht weiter aus, sondern lasse euch mit Fleiß diesen Dorn in eurem Gewissen und gehe weiter.

Er hat aber gestohlen, sagt ihr. Nun, gestohlen, gut - was ist denn? Seyd ihr etwa gar noch Stoiker und läugnet die Grade der Moralität? Ich weiß es so gut als ihr, daß es Diebstähle giebt, auf denen der Strang steht, und die ihn verdienen, aber ich weiß auch, daß es Diebstähle giebt, wobey man der ehrlichste Mann von der Welt seyn kann. Denkt nur selbst nach, was heist stehlen? Wenn ich nicht sehr irre, so heißt es so viel, als seinem Nächsten das Seine wider seinen Willen, ohne Gewalt entwenden. Ohne Gewalt, merkt es wohl, da sitzt der Knoten, der euch Blöde so bedüstert hat. Aber macht das unehrlich? Nichtsweniger. Denn sagt mir einmal, wie könnten so viele honette Leute bey Hofe

ihr, die ihr vielleicht – seht zu solchen Eröffnungen bringt ihr mich – die ihr vielleicht keine von allen dreyen besitzt. Euch zu Liebe breite ich mich über diesen Artikel nicht weiter aus, sondern lasse euch mit Fleiß diesen Dorn in eurem Gewissen und gehe weiter.

Er hat aber gestohlen, sagt ihr. Nun, gestohlen, gut – was ist denn? Seyd ihr etwa gar noch Stoiker und läugnet die Grade der Moralität? Ich weiß es so gut als ihr, daß es Diebstähle giebt, auf denen der Strang steht, und die ihn verdienen, aber ich weiß auch, daß es Diebstähle giebt, wobey man der ehrlichste Mann von der Welt seyn kann. Denkt nur selbst nach, was heist stehlen? Wenn ich nicht sehr irre, so heißt es so viel, als seinem Nächsten das Seine wider seinen Willen, ohne Gewalt entwenden. Ohne Gewalt, merkt es wohl, da sitzt der Knoten, der euch Blöde so bedüstert hat. Aber macht das unehrlich? Nichtsweniger. Denn sagt mir einmal, wie könnten so viele honette Leute bey Hofe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="24"/>
ihr, die ihr vielleicht &#x2013; seht zu solchen Eröffnungen bringt ihr mich &#x2013; die ihr vielleicht keine von allen dreyen besitzt. Euch zu Liebe breite ich mich über diesen Artikel nicht weiter aus, sondern lasse euch mit Fleiß diesen Dorn in eurem Gewissen und gehe weiter.</p>
        <p>Er hat aber gestohlen, sagt ihr. Nun, gestohlen, gut &#x2013; was ist denn? Seyd ihr etwa gar noch Stoiker und läugnet die Grade der Moralität? Ich weiß es so gut als ihr, daß es Diebstähle giebt, auf denen der Strang steht, und die ihn verdienen, aber ich weiß auch, daß es Diebstähle giebt, wobey man der ehrlichste Mann von der Welt seyn kann. Denkt nur selbst nach, was heist stehlen? Wenn ich nicht sehr irre, so heißt es so viel, als seinem Nächsten das Seine wider seinen Willen, ohne Gewalt entwenden. Ohne Gewalt, merkt es wohl, da sitzt der Knoten, der euch Blöde so bedüstert hat. Aber macht das unehrlich? Nichtsweniger. Denn sagt mir einmal, wie könnten so viele honette Leute bey Hofe
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0024] ihr, die ihr vielleicht – seht zu solchen Eröffnungen bringt ihr mich – die ihr vielleicht keine von allen dreyen besitzt. Euch zu Liebe breite ich mich über diesen Artikel nicht weiter aus, sondern lasse euch mit Fleiß diesen Dorn in eurem Gewissen und gehe weiter. Er hat aber gestohlen, sagt ihr. Nun, gestohlen, gut – was ist denn? Seyd ihr etwa gar noch Stoiker und läugnet die Grade der Moralität? Ich weiß es so gut als ihr, daß es Diebstähle giebt, auf denen der Strang steht, und die ihn verdienen, aber ich weiß auch, daß es Diebstähle giebt, wobey man der ehrlichste Mann von der Welt seyn kann. Denkt nur selbst nach, was heist stehlen? Wenn ich nicht sehr irre, so heißt es so viel, als seinem Nächsten das Seine wider seinen Willen, ohne Gewalt entwenden. Ohne Gewalt, merkt es wohl, da sitzt der Knoten, der euch Blöde so bedüstert hat. Aber macht das unehrlich? Nichtsweniger. Denn sagt mir einmal, wie könnten so viele honette Leute bey Hofe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-22T17:43:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T17:43:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T17:43:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lichtenberg_timorus_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lichtenberg_timorus_1773/24
Zitationshilfe: Photorin, Conrad [i. e. Georg Christoph Lichtenberg]: Timorus, das ist, Vertheidigung zweyer Israeliten, die durch die Kräftigkeit der Lavaterischen Beweisgründe und der Göttingischen Mettwürste bewogen den wahren Glauben angenommen haben. Berlin, 1773, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lichtenberg_timorus_1773/24>, abgerufen am 25.11.2024.