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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich machte es im Innern meiner Mutter zu einem Vorwurf, daß sie sich dieser Heirath, in der ich das Unglück unseres treuesten Freundes werden mußte, nicht entschieden widersetzt hatte, ich war gegen Caroline erzürnt, die mich davor gewarnt, als es zu spät gewesen war, ich verargte es meinem Manne, daß er mich wie ein überflüssig Spielzeug zurückgelassen hatte, als er seinen ernsten Weg gegangen war, und neben dem Allen und über dem Allen quälte und ängstigte mich noch eine Unruhe, eine Rastlosigkeit und Beklommenheit, die ich nicht zu bannen, mir nicht zu erklären vermochte.

War ich zu Hause, so wollte ich in den Verein und an die Arbeit, hatte ich mich mit Caroline dorthin begeben, so fühlte ich mich noch mehr gepeinigt. Man behandelte mich mit jener herablassenden Nachgiebigkeit, die man kranken Kindern angedeihen läßt; das machte für mein Gefühl meine Lage nur noch schlimmer. Die Ministerin meinte, man müsse meine Reizbarkeit auf meine eigenthümliche Lage schieben, Klemenz stimmte ihr darin bei, nur Caroline behauptete, ich wisse nicht, was ich wolle, denn wenn mich Schlichting zu sich rufen sollte, würde ich dadurch nicht beruhigt und nicht hergestellt werden.

Sie verwies es Klemenz in meiner Gegenwart, daß er mich viel zu sehr beachte, ich sah, wie sie ihn abzuziehen, ihn zu unterhalten, zu beschäftigen strebte, wenn er sich mir nahte. Einmal hörte ich, wie er ihr

Ich machte es im Innern meiner Mutter zu einem Vorwurf, daß sie sich dieser Heirath, in der ich das Unglück unseres treuesten Freundes werden mußte, nicht entschieden widersetzt hatte, ich war gegen Caroline erzürnt, die mich davor gewarnt, als es zu spät gewesen war, ich verargte es meinem Manne, daß er mich wie ein überflüssig Spielzeug zurückgelassen hatte, als er seinen ernsten Weg gegangen war, und neben dem Allen und über dem Allen quälte und ängstigte mich noch eine Unruhe, eine Rastlosigkeit und Beklommenheit, die ich nicht zu bannen, mir nicht zu erklären vermochte.

War ich zu Hause, so wollte ich in den Verein und an die Arbeit, hatte ich mich mit Caroline dorthin begeben, so fühlte ich mich noch mehr gepeinigt. Man behandelte mich mit jener herablassenden Nachgiebigkeit, die man kranken Kindern angedeihen läßt; das machte für mein Gefühl meine Lage nur noch schlimmer. Die Ministerin meinte, man müsse meine Reizbarkeit auf meine eigenthümliche Lage schieben, Klemenz stimmte ihr darin bei, nur Caroline behauptete, ich wisse nicht, was ich wolle, denn wenn mich Schlichting zu sich rufen sollte, würde ich dadurch nicht beruhigt und nicht hergestellt werden.

Sie verwies es Klemenz in meiner Gegenwart, daß er mich viel zu sehr beachte, ich sah, wie sie ihn abzuziehen, ihn zu unterhalten, zu beschäftigen strebte, wenn er sich mir nahte. Einmal hörte ich, wie er ihr

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[0088] Ich machte es im Innern meiner Mutter zu einem Vorwurf, daß sie sich dieser Heirath, in der ich das Unglück unseres treuesten Freundes werden mußte, nicht entschieden widersetzt hatte, ich war gegen Caroline erzürnt, die mich davor gewarnt, als es zu spät gewesen war, ich verargte es meinem Manne, daß er mich wie ein überflüssig Spielzeug zurückgelassen hatte, als er seinen ernsten Weg gegangen war, und neben dem Allen und über dem Allen quälte und ängstigte mich noch eine Unruhe, eine Rastlosigkeit und Beklommenheit, die ich nicht zu bannen, mir nicht zu erklären vermochte. War ich zu Hause, so wollte ich in den Verein und an die Arbeit, hatte ich mich mit Caroline dorthin begeben, so fühlte ich mich noch mehr gepeinigt. Man behandelte mich mit jener herablassenden Nachgiebigkeit, die man kranken Kindern angedeihen läßt; das machte für mein Gefühl meine Lage nur noch schlimmer. Die Ministerin meinte, man müsse meine Reizbarkeit auf meine eigenthümliche Lage schieben, Klemenz stimmte ihr darin bei, nur Caroline behauptete, ich wisse nicht, was ich wolle, denn wenn mich Schlichting zu sich rufen sollte, würde ich dadurch nicht beruhigt und nicht hergestellt werden. Sie verwies es Klemenz in meiner Gegenwart, daß er mich viel zu sehr beachte, ich sah, wie sie ihn abzuziehen, ihn zu unterhalten, zu beschäftigen strebte, wenn er sich mir nahte. Einmal hörte ich, wie er ihr

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/88>, abgerufen am 24.11.2024.