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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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des ungewöhnlichen Ereignisses eine Ausnahme. Der Minister war ein Freund meines Mannes, und seine Gemahlin bewies mir eine wahrhaft mütterliche Güte. Auch diesmal, als ich in die Loge eintrat, nahm sie mich freundlich bei der Hand und nöthigte mich, mich in der ersten Reihe niederzulassen. Ich wollte es ablehnen, sagte, ich könne ja stehen und über die Sitzenden fort noch Alles betrachten, sie wies es aber zurück.

Nein, nein! rief sie, wir müssen unsern Helden das Schönste bieten, was wir haben, und es werden nicht Viele im Theater sein, die sich heut mit Ihnen messen können. Damit ließ sie mich vortreten, und kaum hatte ich mich in meiner Verlegenheit niedergelassen, als ich hinter mir eine Stimme fragen hörte, wer ich sei. Die junge Geheimeräthin von Schlichting, sagte meine Beschützerin. Unmöglich! meinte der Andere, ich glaubte, es wäre die Braut des Assessors. -- Wie kamen Sie darauf? -- O, weil das Paar so schön ist. -- Ich wagte nicht mich umzuwenden, ich wagte nicht rechts, nicht links zu sehen. Eine quälende Verwirrung hatte sich meiner bemächtigt, das Herz schlug mir, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Ob Klemenz jene Worte vernommen, weiß ich nicht. Aber er näherte sich mir den ganzen Abend nicht ein einziges Mal. Als die Vorstellung beendet war und die Ministerin mich nach Hause fuhr, sagte er mir flüchtig gute Nacht, und es vergingen einige Tage, ohne daß er bei uns erschien.

des ungewöhnlichen Ereignisses eine Ausnahme. Der Minister war ein Freund meines Mannes, und seine Gemahlin bewies mir eine wahrhaft mütterliche Güte. Auch diesmal, als ich in die Loge eintrat, nahm sie mich freundlich bei der Hand und nöthigte mich, mich in der ersten Reihe niederzulassen. Ich wollte es ablehnen, sagte, ich könne ja stehen und über die Sitzenden fort noch Alles betrachten, sie wies es aber zurück.

Nein, nein! rief sie, wir müssen unsern Helden das Schönste bieten, was wir haben, und es werden nicht Viele im Theater sein, die sich heut mit Ihnen messen können. Damit ließ sie mich vortreten, und kaum hatte ich mich in meiner Verlegenheit niedergelassen, als ich hinter mir eine Stimme fragen hörte, wer ich sei. Die junge Geheimeräthin von Schlichting, sagte meine Beschützerin. Unmöglich! meinte der Andere, ich glaubte, es wäre die Braut des Assessors. — Wie kamen Sie darauf? — O, weil das Paar so schön ist. — Ich wagte nicht mich umzuwenden, ich wagte nicht rechts, nicht links zu sehen. Eine quälende Verwirrung hatte sich meiner bemächtigt, das Herz schlug mir, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Ob Klemenz jene Worte vernommen, weiß ich nicht. Aber er näherte sich mir den ganzen Abend nicht ein einziges Mal. Als die Vorstellung beendet war und die Ministerin mich nach Hause fuhr, sagte er mir flüchtig gute Nacht, und es vergingen einige Tage, ohne daß er bei uns erschien.

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des ungewöhnlichen Ereignisses eine Ausnahme. Der Minister war ein Freund      meines Mannes, und seine Gemahlin bewies mir eine wahrhaft mütterliche Güte. Auch diesmal, als      ich in die Loge eintrat, nahm sie mich freundlich bei der Hand und nöthigte mich, mich in der      ersten Reihe niederzulassen. Ich wollte es ablehnen, sagte, ich könne ja stehen und über die      Sitzenden fort noch Alles betrachten, sie wies es aber zurück.</p><lb/>
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[0078] des ungewöhnlichen Ereignisses eine Ausnahme. Der Minister war ein Freund meines Mannes, und seine Gemahlin bewies mir eine wahrhaft mütterliche Güte. Auch diesmal, als ich in die Loge eintrat, nahm sie mich freundlich bei der Hand und nöthigte mich, mich in der ersten Reihe niederzulassen. Ich wollte es ablehnen, sagte, ich könne ja stehen und über die Sitzenden fort noch Alles betrachten, sie wies es aber zurück. Nein, nein! rief sie, wir müssen unsern Helden das Schönste bieten, was wir haben, und es werden nicht Viele im Theater sein, die sich heut mit Ihnen messen können. Damit ließ sie mich vortreten, und kaum hatte ich mich in meiner Verlegenheit niedergelassen, als ich hinter mir eine Stimme fragen hörte, wer ich sei. Die junge Geheimeräthin von Schlichting, sagte meine Beschützerin. Unmöglich! meinte der Andere, ich glaubte, es wäre die Braut des Assessors. — Wie kamen Sie darauf? — O, weil das Paar so schön ist. — Ich wagte nicht mich umzuwenden, ich wagte nicht rechts, nicht links zu sehen. Eine quälende Verwirrung hatte sich meiner bemächtigt, das Herz schlug mir, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Ob Klemenz jene Worte vernommen, weiß ich nicht. Aber er näherte sich mir den ganzen Abend nicht ein einziges Mal. Als die Vorstellung beendet war und die Ministerin mich nach Hause fuhr, sagte er mir flüchtig gute Nacht, und es vergingen einige Tage, ohne daß er bei uns erschien.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/78>, abgerufen am 24.11.2024.