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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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er antwortete mir immer gleich, war immer gütig in seinen Briefen, nannte mich wie früher stets sein Kind, und nur darin fand sich eine Aenderung, daß er mir befahl, Lehrer für die deutsche und für fremde Sprachen anzunehmen und mich mehr mit ernster Lectüre, die er mir anwies, als mit Handarbeiten zu beschäftigen. Ich gehorchte ihm darin zu meinem Vortheil, indeß mit jedem Tage der Trennung wurde er mir mehr zu einem mythischen Wesen. Ich sah ihn, wie den lieben Herrgott, als den unsichtbaren Schöpfer meines Wohlbefindens, als meinen unsichtbaren Herrn und Richter an, ich betete für ihn und zu ihm, aber der menschliche Zusammenhang zwischen uns trat dadurch immer noch mehr und mehr in mir zurück.

Um so schneller und leichter fand ich mich in meine gesellschaftliche Stellung. Ich hatte so gut wie die andern Frauen meinen Gatten nicht neben mir, auch sie waren allein, und wir Alle hatten um das Geschick unserer fernen Männer zu sorgen und zu zagen, wenn nicht äußere glückliche Ereignisse uns von dem Gegenstande unserer Befürchtung ablenkten und unsere patriotische Gesinnung und Freude erregten.

Solche Ereignisse waren die Entfernung der Franzosen aus Berlin, der Einzug der Russen und vollends die Ankunft des Generals York mit seinen Truppen. Es war in der Mitte des Märzmonats, und nach den Schrecken dieses eisigen Winters war die Rückkehr des Frühjahrs an sich schon ein Glück.

er antwortete mir immer gleich, war immer gütig in seinen Briefen, nannte mich wie früher stets sein Kind, und nur darin fand sich eine Aenderung, daß er mir befahl, Lehrer für die deutsche und für fremde Sprachen anzunehmen und mich mehr mit ernster Lectüre, die er mir anwies, als mit Handarbeiten zu beschäftigen. Ich gehorchte ihm darin zu meinem Vortheil, indeß mit jedem Tage der Trennung wurde er mir mehr zu einem mythischen Wesen. Ich sah ihn, wie den lieben Herrgott, als den unsichtbaren Schöpfer meines Wohlbefindens, als meinen unsichtbaren Herrn und Richter an, ich betete für ihn und zu ihm, aber der menschliche Zusammenhang zwischen uns trat dadurch immer noch mehr und mehr in mir zurück.

Um so schneller und leichter fand ich mich in meine gesellschaftliche Stellung. Ich hatte so gut wie die andern Frauen meinen Gatten nicht neben mir, auch sie waren allein, und wir Alle hatten um das Geschick unserer fernen Männer zu sorgen und zu zagen, wenn nicht äußere glückliche Ereignisse uns von dem Gegenstande unserer Befürchtung ablenkten und unsere patriotische Gesinnung und Freude erregten.

Solche Ereignisse waren die Entfernung der Franzosen aus Berlin, der Einzug der Russen und vollends die Ankunft des Generals York mit seinen Truppen. Es war in der Mitte des Märzmonats, und nach den Schrecken dieses eisigen Winters war die Rückkehr des Frühjahrs an sich schon ein Glück.

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[0074] er antwortete mir immer gleich, war immer gütig in seinen Briefen, nannte mich wie früher stets sein Kind, und nur darin fand sich eine Aenderung, daß er mir befahl, Lehrer für die deutsche und für fremde Sprachen anzunehmen und mich mehr mit ernster Lectüre, die er mir anwies, als mit Handarbeiten zu beschäftigen. Ich gehorchte ihm darin zu meinem Vortheil, indeß mit jedem Tage der Trennung wurde er mir mehr zu einem mythischen Wesen. Ich sah ihn, wie den lieben Herrgott, als den unsichtbaren Schöpfer meines Wohlbefindens, als meinen unsichtbaren Herrn und Richter an, ich betete für ihn und zu ihm, aber der menschliche Zusammenhang zwischen uns trat dadurch immer noch mehr und mehr in mir zurück. Um so schneller und leichter fand ich mich in meine gesellschaftliche Stellung. Ich hatte so gut wie die andern Frauen meinen Gatten nicht neben mir, auch sie waren allein, und wir Alle hatten um das Geschick unserer fernen Männer zu sorgen und zu zagen, wenn nicht äußere glückliche Ereignisse uns von dem Gegenstande unserer Befürchtung ablenkten und unsere patriotische Gesinnung und Freude erregten. Solche Ereignisse waren die Entfernung der Franzosen aus Berlin, der Einzug der Russen und vollends die Ankunft des Generals York mit seinen Truppen. Es war in der Mitte des Märzmonats, und nach den Schrecken dieses eisigen Winters war die Rückkehr des Frühjahrs an sich schon ein Glück.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/74>, abgerufen am 24.11.2024.