Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.die Großmama mit ihrem bösen, leisen Lachen, wenn du zufrieden bist, wenn du das Alles liebst, da ist's denn freilich gut. Da habe ich nichts zu sagen. -- Aber was wolltest du sagen, Mama, was könntest du auch sagen? Sprich es grad' heraus, dies Hinterhalten ist mir grundfatal. Sprich's endlich einmal aus, was hast du gegen meine Frau, was willst du ihr? Was ich gegen deine Frau habe? entgegnete die Großmutter, das will ich dir sagen, weil du's hören willst. Ich habe was dagegen, daß sie deine Frau geworden ist. Der Vater zuckte die Schultern. Immer die alte Thorheit! sagte er wie zu sich selbst, aber die scharfen Ohren der Großmutter hatten es dennoch gehört. Nein, sprach sie leise und ging dicht an ihn heran, von der alten Thorheit habe ich schweigen gelernt, obschon mein Sohn nicht der Mann war, zu dem man sich so lange bitten und nöthigen lassen mußte, wenn man ihm verlobt gewesen von Jugend an. Aber wer sein Wort schon jung nicht hält, wo Vater und Mutter noch Macht haben, der hält's nachher erst vollends nicht. Von alter Thorheit red' ich nicht, nur von der neuen. Aber wenn du zufrieden bist, dann freilich hab' ich nichts gesagt. Der Vater hielt sich nicht länger. Mutter, rief er, nun ist's genug, nun sagen Sie das letzte Wort! was ist's mit Josephinen? -- Nichts, sagte sie, nichts! Du weißt es ja und bist damit zufrieden. Aber wenn die Großmama mit ihrem bösen, leisen Lachen, wenn du zufrieden bist, wenn du das Alles liebst, da ist's denn freilich gut. Da habe ich nichts zu sagen. — Aber was wolltest du sagen, Mama, was könntest du auch sagen? Sprich es grad' heraus, dies Hinterhalten ist mir grundfatal. Sprich's endlich einmal aus, was hast du gegen meine Frau, was willst du ihr? Was ich gegen deine Frau habe? entgegnete die Großmutter, das will ich dir sagen, weil du's hören willst. Ich habe was dagegen, daß sie deine Frau geworden ist. Der Vater zuckte die Schultern. Immer die alte Thorheit! sagte er wie zu sich selbst, aber die scharfen Ohren der Großmutter hatten es dennoch gehört. Nein, sprach sie leise und ging dicht an ihn heran, von der alten Thorheit habe ich schweigen gelernt, obschon mein Sohn nicht der Mann war, zu dem man sich so lange bitten und nöthigen lassen mußte, wenn man ihm verlobt gewesen von Jugend an. Aber wer sein Wort schon jung nicht hält, wo Vater und Mutter noch Macht haben, der hält's nachher erst vollends nicht. Von alter Thorheit red' ich nicht, nur von der neuen. Aber wenn du zufrieden bist, dann freilich hab' ich nichts gesagt. Der Vater hielt sich nicht länger. Mutter, rief er, nun ist's genug, nun sagen Sie das letzte Wort! was ist's mit Josephinen? — Nichts, sagte sie, nichts! Du weißt es ja und bist damit zufrieden. Aber wenn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0039"/> die Großmama mit ihrem bösen, leisen Lachen, wenn du zufrieden bist, wenn du das Alles liebst, da ist's denn freilich gut. Da habe ich nichts zu sagen. — Aber was wolltest du sagen, Mama, was könntest du auch sagen? Sprich es grad' heraus, dies Hinterhalten ist mir grundfatal. Sprich's endlich einmal aus, was hast du gegen meine Frau, was willst du ihr?</p><lb/> <p>Was ich gegen deine Frau habe? entgegnete die Großmutter, das will ich dir sagen, weil du's hören willst. Ich habe was dagegen, daß sie deine Frau geworden ist. Der Vater zuckte die Schultern. Immer die alte Thorheit! sagte er wie zu sich selbst, aber die scharfen Ohren der Großmutter hatten es dennoch gehört.</p><lb/> <p>Nein, sprach sie leise und ging dicht an ihn heran, von der alten Thorheit habe ich schweigen gelernt, obschon mein Sohn nicht der Mann war, zu dem man sich so lange bitten und nöthigen lassen mußte, wenn man ihm verlobt gewesen von Jugend an. Aber wer sein Wort schon jung nicht hält, wo Vater und Mutter noch Macht haben, der hält's nachher erst vollends nicht. Von alter Thorheit red' ich nicht, nur von der neuen. Aber wenn du zufrieden bist, dann freilich hab' ich nichts gesagt.</p><lb/> <p>Der Vater hielt sich nicht länger. Mutter, rief er, nun ist's genug, nun sagen Sie das letzte Wort! was ist's mit Josephinen? — Nichts, sagte sie, nichts! Du weißt es ja und bist damit zufrieden. Aber wenn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
die Großmama mit ihrem bösen, leisen Lachen, wenn du zufrieden bist, wenn du das Alles liebst, da ist's denn freilich gut. Da habe ich nichts zu sagen. — Aber was wolltest du sagen, Mama, was könntest du auch sagen? Sprich es grad' heraus, dies Hinterhalten ist mir grundfatal. Sprich's endlich einmal aus, was hast du gegen meine Frau, was willst du ihr?
Was ich gegen deine Frau habe? entgegnete die Großmutter, das will ich dir sagen, weil du's hören willst. Ich habe was dagegen, daß sie deine Frau geworden ist. Der Vater zuckte die Schultern. Immer die alte Thorheit! sagte er wie zu sich selbst, aber die scharfen Ohren der Großmutter hatten es dennoch gehört.
Nein, sprach sie leise und ging dicht an ihn heran, von der alten Thorheit habe ich schweigen gelernt, obschon mein Sohn nicht der Mann war, zu dem man sich so lange bitten und nöthigen lassen mußte, wenn man ihm verlobt gewesen von Jugend an. Aber wer sein Wort schon jung nicht hält, wo Vater und Mutter noch Macht haben, der hält's nachher erst vollends nicht. Von alter Thorheit red' ich nicht, nur von der neuen. Aber wenn du zufrieden bist, dann freilich hab' ich nichts gesagt.
Der Vater hielt sich nicht länger. Mutter, rief er, nun ist's genug, nun sagen Sie das letzte Wort! was ist's mit Josephinen? — Nichts, sagte sie, nichts! Du weißt es ja und bist damit zufrieden. Aber wenn
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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