Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Am folgenden Tage war Alles wieder vorüber; aber erst nach langen Jahren habe ich erfahren, was damals sich ereignet. Sobald mein Vater mit der Großmutter wegen Carolinens Bevorzugung und wegen des üblen Einflusses gesprochen hatte, den derselbe auf sie üben mußte, war die Großmutter sehr heftig geworden. Ich bin mein eigener Herr! rief sie aus. Du hast dein Vatertheil erhalten, du wirst auch bekommen, was Recht und Gesetz dir von dem Meinen zuerkennen: was aber darüber ist, was ich erspart mit meinem eigenen Leibe all die langen Jahre, darüber hat kein Mensch ein Recht, als ich, und wem ich das lassen will, der soll es haben, und es soll nicht verpraßt werden und nicht verschwendet. Der Vater war auch nicht der Gelassenste, und ungerechte Vorwürfe erträgt kein Mann, auch nicht von einer Mutter. Ich verschwende nicht, sagte er und wollte hinzusetzen, daß auch er und meine Mutter gearbeitet hätten und ihr Vermögen selbst vergrößert. Die Großmutter ließ ihn aber gar nicht zu Worte kommen. Nein! rief sie, von dir will ich nichts sagen, von dir will ich nichts gesagt haben. Aber deine Frau, die thut's, die soll nicht. -- Was thut meine Frau? was soll sie nicht? fragte der Vater. Wer hat sie zu beaufsichtigen, wer hat ihr zu befehlen außer mir? Und wenn ich billige, was sie thut, wenn ich sie liebe, zufrieden bin -- Ja, meinte Am folgenden Tage war Alles wieder vorüber; aber erst nach langen Jahren habe ich erfahren, was damals sich ereignet. Sobald mein Vater mit der Großmutter wegen Carolinens Bevorzugung und wegen des üblen Einflusses gesprochen hatte, den derselbe auf sie üben mußte, war die Großmutter sehr heftig geworden. Ich bin mein eigener Herr! rief sie aus. Du hast dein Vatertheil erhalten, du wirst auch bekommen, was Recht und Gesetz dir von dem Meinen zuerkennen: was aber darüber ist, was ich erspart mit meinem eigenen Leibe all die langen Jahre, darüber hat kein Mensch ein Recht, als ich, und wem ich das lassen will, der soll es haben, und es soll nicht verpraßt werden und nicht verschwendet. Der Vater war auch nicht der Gelassenste, und ungerechte Vorwürfe erträgt kein Mann, auch nicht von einer Mutter. Ich verschwende nicht, sagte er und wollte hinzusetzen, daß auch er und meine Mutter gearbeitet hätten und ihr Vermögen selbst vergrößert. Die Großmutter ließ ihn aber gar nicht zu Worte kommen. Nein! rief sie, von dir will ich nichts sagen, von dir will ich nichts gesagt haben. Aber deine Frau, die thut's, die soll nicht. — Was thut meine Frau? was soll sie nicht? fragte der Vater. Wer hat sie zu beaufsichtigen, wer hat ihr zu befehlen außer mir? Und wenn ich billige, was sie thut, wenn ich sie liebe, zufrieden bin — Ja, meinte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0038"/> Am folgenden Tage war Alles wieder vorüber; aber erst nach langen Jahren habe ich erfahren, was damals sich ereignet.</p><lb/> <p>Sobald mein Vater mit der Großmutter wegen Carolinens Bevorzugung und wegen des üblen Einflusses gesprochen hatte, den derselbe auf sie üben mußte, war die Großmutter sehr heftig geworden. Ich bin mein eigener Herr! rief sie aus. Du hast dein Vatertheil erhalten, du wirst auch bekommen, was Recht und Gesetz dir von dem Meinen zuerkennen: was aber darüber ist, was ich erspart mit meinem eigenen Leibe all die langen Jahre, darüber hat kein Mensch ein Recht, als ich, und wem ich das lassen will, der soll es haben, und es soll nicht verpraßt werden und nicht verschwendet.</p><lb/> <p>Der Vater war auch nicht der Gelassenste, und ungerechte Vorwürfe erträgt kein Mann, auch nicht von einer Mutter. Ich verschwende nicht, sagte er und wollte hinzusetzen, daß auch er und meine Mutter gearbeitet hätten und ihr Vermögen selbst vergrößert. Die Großmutter ließ ihn aber gar nicht zu Worte kommen. Nein! rief sie, von dir will ich nichts sagen, von dir will ich nichts gesagt haben. Aber deine Frau, die thut's, die soll nicht. —</p><lb/> <p>Was thut meine Frau? was soll sie nicht? fragte der Vater. Wer hat sie zu beaufsichtigen, wer hat ihr zu befehlen außer mir? Und wenn ich billige, was sie thut, wenn ich sie liebe, zufrieden bin — Ja, meinte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Am folgenden Tage war Alles wieder vorüber; aber erst nach langen Jahren habe ich erfahren, was damals sich ereignet.
Sobald mein Vater mit der Großmutter wegen Carolinens Bevorzugung und wegen des üblen Einflusses gesprochen hatte, den derselbe auf sie üben mußte, war die Großmutter sehr heftig geworden. Ich bin mein eigener Herr! rief sie aus. Du hast dein Vatertheil erhalten, du wirst auch bekommen, was Recht und Gesetz dir von dem Meinen zuerkennen: was aber darüber ist, was ich erspart mit meinem eigenen Leibe all die langen Jahre, darüber hat kein Mensch ein Recht, als ich, und wem ich das lassen will, der soll es haben, und es soll nicht verpraßt werden und nicht verschwendet.
Der Vater war auch nicht der Gelassenste, und ungerechte Vorwürfe erträgt kein Mann, auch nicht von einer Mutter. Ich verschwende nicht, sagte er und wollte hinzusetzen, daß auch er und meine Mutter gearbeitet hätten und ihr Vermögen selbst vergrößert. Die Großmutter ließ ihn aber gar nicht zu Worte kommen. Nein! rief sie, von dir will ich nichts sagen, von dir will ich nichts gesagt haben. Aber deine Frau, die thut's, die soll nicht. —
Was thut meine Frau? was soll sie nicht? fragte der Vater. Wer hat sie zu beaufsichtigen, wer hat ihr zu befehlen außer mir? Und wenn ich billige, was sie thut, wenn ich sie liebe, zufrieden bin — Ja, meinte
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