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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Liebe. Solch ein Attachement verargte man keiner unbescholtenen Frau. Indeß diese schönen Verhältnisse gingen unter mit der Zeit, die noch französisch sprach, denn sie waren das Gute, das die französische Bildung sich aus der Sinnlichkeit des achtzehnten Jahrhunderts errettet. Seit man nur deutsch sprach, seit alles pedantisch eine Freundschaft, oder sentimental eine Liebe, oder roh eine Liebschaft, oder endlich gar pathetisch eine Leidenschaft zu heißen hatte, war's mit der rechten Geselligkeit zu Ende, denn es gab keine Bezeichnung mehr für schickliche Verhältniße zwischen Mann und Weib, die nicht Freunde und nicht Eheleute waren.

Freundschaft? Sie ist viel zu trocken, als daß ein Mann sie lange für eine hübsche Frau empfinden könnte, und Keines von beiden Theilen findet dabei seine Rechnung. Die Frau muß ernst werden wie ein Mann, das beraubt sie ihrer Anmuth; der Mann muß die Herrschaft seines Geschlechts verläugnen, das nimmt ihm einen Theil seiner Energie und seiner Würde. Die Freundschaft zwischen Mann und Weib wird Liebe oder Gleichgültigkeit, und ist immer nur von kurzer Dauer.

Liebe und Leidenschaft? Welche ehrbare Frau darf und will sie empfinden und ihren Schmerz und ihre Qualen auf sich nehmen, und vor einer heimlichen Liebschaft hat jede honette Natur einen Abscheu. Ein Attachement aber, damit war es ein ganz Anderes.

Liebe. Solch ein Attachement verargte man keiner unbescholtenen Frau. Indeß diese schönen Verhältnisse gingen unter mit der Zeit, die noch französisch sprach, denn sie waren das Gute, das die französische Bildung sich aus der Sinnlichkeit des achtzehnten Jahrhunderts errettet. Seit man nur deutsch sprach, seit alles pedantisch eine Freundschaft, oder sentimental eine Liebe, oder roh eine Liebschaft, oder endlich gar pathetisch eine Leidenschaft zu heißen hatte, war's mit der rechten Geselligkeit zu Ende, denn es gab keine Bezeichnung mehr für schickliche Verhältniße zwischen Mann und Weib, die nicht Freunde und nicht Eheleute waren.

Freundschaft? Sie ist viel zu trocken, als daß ein Mann sie lange für eine hübsche Frau empfinden könnte, und Keines von beiden Theilen findet dabei seine Rechnung. Die Frau muß ernst werden wie ein Mann, das beraubt sie ihrer Anmuth; der Mann muß die Herrschaft seines Geschlechts verläugnen, das nimmt ihm einen Theil seiner Energie und seiner Würde. Die Freundschaft zwischen Mann und Weib wird Liebe oder Gleichgültigkeit, und ist immer nur von kurzer Dauer.

Liebe und Leidenschaft? Welche ehrbare Frau darf und will sie empfinden und ihren Schmerz und ihre Qualen auf sich nehmen, und vor einer heimlichen Liebschaft hat jede honette Natur einen Abscheu. Ein Attachement aber, damit war es ein ganz Anderes.

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[0024] Liebe. Solch ein Attachement verargte man keiner unbescholtenen Frau. Indeß diese schönen Verhältnisse gingen unter mit der Zeit, die noch französisch sprach, denn sie waren das Gute, das die französische Bildung sich aus der Sinnlichkeit des achtzehnten Jahrhunderts errettet. Seit man nur deutsch sprach, seit alles pedantisch eine Freundschaft, oder sentimental eine Liebe, oder roh eine Liebschaft, oder endlich gar pathetisch eine Leidenschaft zu heißen hatte, war's mit der rechten Geselligkeit zu Ende, denn es gab keine Bezeichnung mehr für schickliche Verhältniße zwischen Mann und Weib, die nicht Freunde und nicht Eheleute waren. Freundschaft? Sie ist viel zu trocken, als daß ein Mann sie lange für eine hübsche Frau empfinden könnte, und Keines von beiden Theilen findet dabei seine Rechnung. Die Frau muß ernst werden wie ein Mann, das beraubt sie ihrer Anmuth; der Mann muß die Herrschaft seines Geschlechts verläugnen, das nimmt ihm einen Theil seiner Energie und seiner Würde. Die Freundschaft zwischen Mann und Weib wird Liebe oder Gleichgültigkeit, und ist immer nur von kurzer Dauer. Liebe und Leidenschaft? Welche ehrbare Frau darf und will sie empfinden und ihren Schmerz und ihre Qualen auf sich nehmen, und vor einer heimlichen Liebschaft hat jede honette Natur einen Abscheu. Ein Attachement aber, damit war es ein ganz Anderes.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/24>, abgerufen am 23.11.2024.