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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Regierung, als ob man das nicht Morgens bei seinem Frühstück in der Zeitung lesen könnte. Ihr mäkelt an eurem Vaterlande, statt es einfach zu lieben, wie wir es geliebt in unserer Jugend. Ihr kümmert euch um Wissenschaften, in denen ihr doch nichts leistet, und weil ihr euch um das bekümmert, was nicht eures Amtes ist, vergeht ihr darüber, was euch einzig zukommt -- jung zu sein.

Diese Unzufriedenheit hielt sie aber gar nicht ab, uns allwöchentlich in ihrem schönen Hause zu versammeln, und gerade den Samstag hatte sie dazu gewählt, an dem die anderen Frauen sich's mit ihrer Reinlichkeit im eigenen Hause unbehaglich machen. Schon um vier Uhr zum Kaffee gingen wir zu ihr; später am Abende kamen die Männer uns dann nach, und um neun Uhr wurde stets soupirt, denn ihr geselliges Souper, das ließ die Tante sich von keiner Mode rauben.

Einmal im vorigen Jahre, nur wenige Monate, ehe sie uns durch ihren schnellen Tod entrissen wurde, befanden wir uns auch bei ihr. Der Kaffee war getrunken, Johann hatte die Lampen in das Zimmer gebracht, denn es war im Spätherbste, und die Dunkelheit begann schon zeitig. Wir hatten uns mit unsern Arbeiten nahe an den Tisch gerückt, und die Tante sagte: Nun, Kinder, erzählt mir, was giebt es Neues unter euch? Erzählt mir etwas Schönes! -- Ich werde diesen Winter die Vorlesungen in einem Frauenvereine besuchen, berichtete ein hübsches junges Mädchen, ihre

Regierung, als ob man das nicht Morgens bei seinem Frühstück in der Zeitung lesen könnte. Ihr mäkelt an eurem Vaterlande, statt es einfach zu lieben, wie wir es geliebt in unserer Jugend. Ihr kümmert euch um Wissenschaften, in denen ihr doch nichts leistet, und weil ihr euch um das bekümmert, was nicht eures Amtes ist, vergeht ihr darüber, was euch einzig zukommt — jung zu sein.

Diese Unzufriedenheit hielt sie aber gar nicht ab, uns allwöchentlich in ihrem schönen Hause zu versammeln, und gerade den Samstag hatte sie dazu gewählt, an dem die anderen Frauen sich's mit ihrer Reinlichkeit im eigenen Hause unbehaglich machen. Schon um vier Uhr zum Kaffee gingen wir zu ihr; später am Abende kamen die Männer uns dann nach, und um neun Uhr wurde stets soupirt, denn ihr geselliges Souper, das ließ die Tante sich von keiner Mode rauben.

Einmal im vorigen Jahre, nur wenige Monate, ehe sie uns durch ihren schnellen Tod entrissen wurde, befanden wir uns auch bei ihr. Der Kaffee war getrunken, Johann hatte die Lampen in das Zimmer gebracht, denn es war im Spätherbste, und die Dunkelheit begann schon zeitig. Wir hatten uns mit unsern Arbeiten nahe an den Tisch gerückt, und die Tante sagte: Nun, Kinder, erzählt mir, was giebt es Neues unter euch? Erzählt mir etwas Schönes! — Ich werde diesen Winter die Vorlesungen in einem Frauenvereine besuchen, berichtete ein hübsches junges Mädchen, ihre

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[0010] Regierung, als ob man das nicht Morgens bei seinem Frühstück in der Zeitung lesen könnte. Ihr mäkelt an eurem Vaterlande, statt es einfach zu lieben, wie wir es geliebt in unserer Jugend. Ihr kümmert euch um Wissenschaften, in denen ihr doch nichts leistet, und weil ihr euch um das bekümmert, was nicht eures Amtes ist, vergeht ihr darüber, was euch einzig zukommt — jung zu sein. Diese Unzufriedenheit hielt sie aber gar nicht ab, uns allwöchentlich in ihrem schönen Hause zu versammeln, und gerade den Samstag hatte sie dazu gewählt, an dem die anderen Frauen sich's mit ihrer Reinlichkeit im eigenen Hause unbehaglich machen. Schon um vier Uhr zum Kaffee gingen wir zu ihr; später am Abende kamen die Männer uns dann nach, und um neun Uhr wurde stets soupirt, denn ihr geselliges Souper, das ließ die Tante sich von keiner Mode rauben. Einmal im vorigen Jahre, nur wenige Monate, ehe sie uns durch ihren schnellen Tod entrissen wurde, befanden wir uns auch bei ihr. Der Kaffee war getrunken, Johann hatte die Lampen in das Zimmer gebracht, denn es war im Spätherbste, und die Dunkelheit begann schon zeitig. Wir hatten uns mit unsern Arbeiten nahe an den Tisch gerückt, und die Tante sagte: Nun, Kinder, erzählt mir, was giebt es Neues unter euch? Erzählt mir etwas Schönes! — Ich werde diesen Winter die Vorlesungen in einem Frauenvereine besuchen, berichtete ein hübsches junges Mädchen, ihre

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/10>, abgerufen am 22.11.2024.