gekommen, sie fühlte ihn jetzt schon lebhaft, ob- gleich eine Art von Beruhigung für sie in dem Akte der Großmuth lag, den sie gegen ihre Nebenbuhlerin ausüben wollte. Sie stellte sich den Kummer vor, in dem sie die schönsten Jahre ihres Lebens fern von Reinhard vertrauern würde, der ihrer an Theresens Seite vielleicht bald vergessen könnte, und noch heißer und bit- terer flossen ihre Thränen. Was würden ihre Eltern sagen? Was würde man in den Kreisen ihrer Bekannten denken? Welch' widersprechende, tadelnde und nachtheilige Gerüchte könnten sich über sie verbreiten! Während sie ihr höchstes Glück einer religiösen Überzeugung mit bluten- dem Herzen opferte, würden Neid und böser Wille sich in die innersten Verhältnisse ihres Lebens drängen und Motive zu dieser Hand- lung suchen, von denen keine Spur in ihrer Seele war. Könnte nicht selbst Therese bereit sein, Reinhard zu beweisen, daß Mangel an
gekommen, ſie fühlte ihn jetzt ſchon lebhaft, ob- gleich eine Art von Beruhigung für ſie in dem Akte der Großmuth lag, den ſie gegen ihre Nebenbuhlerin ausüben wollte. Sie ſtellte ſich den Kummer vor, in dem ſie die ſchönſten Jahre ihres Lebens fern von Reinhard vertrauern würde, der ihrer an Thereſens Seite vielleicht bald vergeſſen könnte, und noch heißer und bit- terer floſſen ihre Thränen. Was würden ihre Eltern ſagen? Was würde man in den Kreiſen ihrer Bekannten denken? Welch' widerſprechende, tadelnde und nachtheilige Gerüchte könnten ſich über ſie verbreiten! Während ſie ihr höchſtes Glück einer religiöſen Überzeugung mit bluten- dem Herzen opferte, würden Neid und böſer Wille ſich in die innerſten Verhältniſſe ihres Lebens drängen und Motive zu dieſer Hand- lung ſuchen, von denen keine Spur in ihrer Seele war. Könnte nicht ſelbſt Thereſe bereit ſein, Reinhard zu beweiſen, daß Mangel an
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gekommen, ſie fühlte ihn jetzt ſchon lebhaft, ob-
gleich eine Art von Beruhigung für ſie in dem
Akte der Großmuth lag, den ſie gegen ihre
Nebenbuhlerin ausüben wollte. Sie ſtellte ſich
den Kummer vor, in dem ſie die ſchönſten Jahre
ihres Lebens fern von Reinhard vertrauern
würde, der ihrer an Thereſens Seite vielleicht
bald vergeſſen könnte, und noch heißer und bit-
terer floſſen ihre Thränen. Was würden ihre
Eltern ſagen? Was würde man in den Kreiſen
ihrer Bekannten denken? Welch' widerſprechende,
tadelnde und nachtheilige Gerüchte könnten ſich
über ſie verbreiten! Während ſie ihr höchſtes
Glück einer religiöſen Überzeugung mit bluten-
dem Herzen opferte, würden Neid und böſer
Wille ſich in die innerſten Verhältniſſe ihres
Lebens drängen und Motive zu dieſer Hand-
lung ſuchen, von denen keine Spur in ihrer
Seele war. Könnte nicht ſelbſt Thereſe bereit
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/36>, abgerufen am 24.11.2024.
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