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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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"Er ist todt!" -- rief Jenny überwältigt
von dem jähen Schreck.

"Nein, er lebt!" antwortete Eduard, "aber
er ist schwer verwundet auf der Jagd, und
auf seinen Wunsch hat man ihn hierher ge-
bracht!"

Wenig Augenblicke darauf kniete Jenny an
dem Lager des Geliebten. Er kannte sie noch,
dies bewies der Blick voll Liebe und Trauer,
mit dem er sie begrüßte, die matte Bewegung,
mit der er seine Hand auf ihr Haupt legte,
als sie neben ihm niedersank. Aber der Jam-
mer auf den Gesichtern der Anwesenden, die
Ruhe und Unthätigkeit, welche in dem Zimmer
herrschten, sagten ihr deutlich, daß hier keine
Hoffnung sei, daß sie an einem Sterbebette
stehe. Walter's müdes Haupt ruhte wieder
an ihrer Brust, unverwandt hing ihr Blick
an den Zügen des Geliebten, keine Thräne
kam in ihre Augen, keine Klage entschlüpfte

„Er iſt todt!“ — rief Jenny überwältigt
von dem jähen Schreck.

„Nein, er lebt!“ antwortete Eduard, „aber
er iſt ſchwer verwundet auf der Jagd, und
auf ſeinen Wunſch hat man ihn hierher ge-
bracht!“

Wenig Augenblicke darauf kniete Jenny an
dem Lager des Geliebten. Er kannte ſie noch,
dies bewies der Blick voll Liebe und Trauer,
mit dem er ſie begrüßte, die matte Bewegung,
mit der er ſeine Hand auf ihr Haupt legte,
als ſie neben ihm niederſank. Aber der Jam-
mer auf den Geſichtern der Anweſenden, die
Ruhe und Unthätigkeit, welche in dem Zimmer
herrſchten, ſagten ihr deutlich, daß hier keine
Hoffnung ſei, daß ſie an einem Sterbebette
ſtehe. Walter's müdes Haupt ruhte wieder
an ihrer Bruſt, unverwandt hing ihr Blick
an den Zügen des Geliebten, keine Thräne
kam in ihre Augen, keine Klage entſchlüpfte

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[302/0312] „Er iſt todt!“ — rief Jenny überwältigt von dem jähen Schreck. „Nein, er lebt!“ antwortete Eduard, „aber er iſt ſchwer verwundet auf der Jagd, und auf ſeinen Wunſch hat man ihn hierher ge- bracht!“ Wenig Augenblicke darauf kniete Jenny an dem Lager des Geliebten. Er kannte ſie noch, dies bewies der Blick voll Liebe und Trauer, mit dem er ſie begrüßte, die matte Bewegung, mit der er ſeine Hand auf ihr Haupt legte, als ſie neben ihm niederſank. Aber der Jam- mer auf den Geſichtern der Anweſenden, die Ruhe und Unthätigkeit, welche in dem Zimmer herrſchten, ſagten ihr deutlich, daß hier keine Hoffnung ſei, daß ſie an einem Sterbebette ſtehe. Walter's müdes Haupt ruhte wieder an ihrer Bruſt, unverwandt hing ihr Blick an den Zügen des Geliebten, keine Thräne kam in ihre Augen, keine Klage entſchlüpfte

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/312>, abgerufen am 12.12.2024.