weil er weltklug genug ist, Niemand beleidigen zu wollen. Er erscheint feig und arrogant zugleich."
Frau von Meining lächelte und stimmte dem Grafen bei, auch Jenny schien seine An- sicht zu theilen.
"Dergleichen Reden hören sich gut an, doch hat es allerlei Bedenkliches damit!" sagte Steinheim. "Vor Allem vergessen Sie nicht, daß Nathan, der Unterdrückte, der verachtete Jude, zu seinem Herrn und Unterdrücke spricht. Das mag die bescheidene, fast furchtsame Weise seines Auftretens bei aller seiner Selbstschätzung entschuldigen."
"Im Gegentheil!" rief Jenny. "Wenn er es fühlt, daß er ein freier Mensch ist vor den Augen des Schöpfers, wenn er die Qual em- pfindet, unterdrückt, verachtet zu sein, so muß ihn das nur stolzer gegen seinen Unterdrücker machen. Was kann ein Mann wie Nathan
weil er weltklug genug iſt, Niemand beleidigen zu wollen. Er erſcheint feig und arrogant zugleich.“
Frau von Meining lächelte und ſtimmte dem Grafen bei, auch Jenny ſchien ſeine An- ſicht zu theilen.
„Dergleichen Reden hören ſich gut an, doch hat es allerlei Bedenkliches damit!“ ſagte Steinheim. „Vor Allem vergeſſen Sie nicht, daß Nathan, der Unterdrückte, der verachtete Jude, zu ſeinem Herrn und Unterdrücke ſpricht. Das mag die beſcheidene, faſt furchtſame Weiſe ſeines Auftretens bei aller ſeiner Selbſtſchätzung entſchuldigen.“
„Im Gegentheil!“ rief Jenny. „Wenn er es fühlt, daß er ein freier Menſch iſt vor den Augen des Schöpfers, wenn er die Qual em- pfindet, unterdrückt, verachtet zu ſein, ſo muß ihn das nur ſtolzer gegen ſeinen Unterdrücker machen. Was kann ein Mann wie Nathan
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0261"n="251"/><lb/>
weil er weltklug genug iſt, Niemand beleidigen<lb/>
zu wollen. Er erſcheint feig und arrogant<lb/>
zugleich.“</p><lb/><p>Frau von Meining lächelte und ſtimmte<lb/>
dem Grafen bei, auch Jenny ſchien ſeine An-<lb/>ſicht zu theilen.</p><lb/><p>„Dergleichen Reden hören ſich gut an, doch<lb/>
hat es allerlei Bedenkliches damit!“ſagte<lb/>
Steinheim. „Vor Allem vergeſſen Sie nicht,<lb/>
daß Nathan, der Unterdrückte, der verachtete<lb/>
Jude, zu ſeinem Herrn und Unterdrücke ſpricht.<lb/>
Das mag die beſcheidene, faſt furchtſame Weiſe<lb/>ſeines Auftretens bei aller ſeiner Selbſtſchätzung<lb/>
entſchuldigen.“</p><lb/><p>„Im Gegentheil!“ rief Jenny. „Wenn er<lb/>
es fühlt, daß er ein freier Menſch iſt vor den<lb/>
Augen des Schöpfers, wenn er die Qual em-<lb/>
pfindet, unterdrückt, verachtet zu ſein, ſo muß<lb/>
ihn das nur ſtolzer gegen ſeinen Unterdrücker<lb/>
machen. Was kann ein Mann wie Nathan<lb/></p></div></body></text></TEI>
[251/0261]
weil er weltklug genug iſt, Niemand beleidigen
zu wollen. Er erſcheint feig und arrogant
zugleich.“
Frau von Meining lächelte und ſtimmte
dem Grafen bei, auch Jenny ſchien ſeine An-
ſicht zu theilen.
„Dergleichen Reden hören ſich gut an, doch
hat es allerlei Bedenkliches damit!“ ſagte
Steinheim. „Vor Allem vergeſſen Sie nicht,
daß Nathan, der Unterdrückte, der verachtete
Jude, zu ſeinem Herrn und Unterdrücke ſpricht.
Das mag die beſcheidene, faſt furchtſame Weiſe
ſeines Auftretens bei aller ſeiner Selbſtſchätzung
entſchuldigen.“
„Im Gegentheil!“ rief Jenny. „Wenn er
es fühlt, daß er ein freier Menſch iſt vor den
Augen des Schöpfers, wenn er die Qual em-
pfindet, unterdrückt, verachtet zu ſein, ſo muß
ihn das nur ſtolzer gegen ſeinen Unterdrücker
machen. Was kann ein Mann wie Nathan
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/261>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.