sie auch kennen lernen, die Wonne, seine Nei- gung dem Glücke eines Andern zu opfern, und darin ein neues, besseres Glück zu finden." Dann nach einer Pause fuhr sie fort: "Uebri- gens, was will ich denn? Von dem Opfer einer Neigung ist ja hier die Rede nicht! Du liebst keinen Andern; Du bist frei und Walter ist Dir werth. Was drückt und ängstigt Dich denn?"
"Der Gedanke, man könne mir ehrgeizige Motive unterlegen", sagte Jenny lebhaft, "wenn ich Walter's Hand annehme; und -- daß ich es Dir gestehe -- die Möglichkeit, er könne es einst bereuen, eine Bürgerliche, eine Jüdin, ge- heirathet zu haben, wenn mir der Zutritt zu den Cirkeln des Hofes versagt bleibt, oder wenn irgend ein anderes Ereigniß ihn unangenehm daran erinnert. Ich mag nicht, wie Walter es in jenem Gleichniß nannte, die kümmerliche Pflanze sein, die sich zu einer Höhe emporrankt,
ſie auch kennen lernen, die Wonne, ſeine Nei- gung dem Glücke eines Andern zu opfern, und darin ein neues, beſſeres Glück zu finden.“ Dann nach einer Pauſe fuhr ſie fort: „Uebri- gens, was will ich denn? Von dem Opfer einer Neigung iſt ja hier die Rede nicht! Du liebſt keinen Andern; Du biſt frei und Walter iſt Dir werth. Was drückt und ängſtigt Dich denn?“
„Der Gedanke, man könne mir ehrgeizige Motive unterlegen“, ſagte Jenny lebhaft, „wenn ich Walter's Hand annehme; und — daß ich es Dir geſtehe — die Möglichkeit, er könne es einſt bereuen, eine Bürgerliche, eine Jüdin, ge- heirathet zu haben, wenn mir der Zutritt zu den Cirkeln des Hofes verſagt bleibt, oder wenn irgend ein anderes Ereigniß ihn unangenehm daran erinnert. Ich mag nicht, wie Walter es in jenem Gleichniß nannte, die kümmerliche Pflanze ſein, die ſich zu einer Höhe emporrankt,
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ſie auch kennen lernen, die Wonne, ſeine Nei-
gung dem Glücke eines Andern zu opfern, und
darin ein neues, beſſeres Glück zu finden.“
Dann nach einer Pauſe fuhr ſie fort: „Uebri-
gens, was will ich denn? Von dem Opfer einer
Neigung iſt ja hier die Rede nicht! Du liebſt
keinen Andern; Du biſt frei und Walter iſt
Dir werth. Was drückt und ängſtigt Dich
denn?“
„Der Gedanke, man könne mir ehrgeizige
Motive unterlegen“, ſagte Jenny lebhaft, „wenn
ich Walter's Hand annehme; und — daß ich es
Dir geſtehe — die Möglichkeit, er könne es
einſt bereuen, eine Bürgerliche, eine Jüdin, ge-
heirathet zu haben, wenn mir der Zutritt zu
den Cirkeln des Hofes verſagt bleibt, oder wenn
irgend ein anderes Ereigniß ihn unangenehm
daran erinnert. Ich mag nicht, wie Walter es
in jenem Gleichniß nannte, die kümmerliche
Pflanze ſein, die ſich zu einer Höhe emporrankt,
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/238>, abgerufen am 26.11.2024.
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