ruhig und in großer Spannung. Ihm war, als stehe er am Vorabende einer neuen Epoche seines Lebens, als erwarte er etwas, oder als müsse ihm heute irgend ein besonderes Ereigniß begegnen. Und wenn er sich fragte, was ihn so bewege, worauf er so sehnsüchtig harre: dann mußte er sich bekennen, daß er es selbst nicht wisse. Vergebens versuchte er diesen Zustand zu bekämpfen, und um endlich, wie er glaubte, eine körperliche Erregtheit durch Ermüdung ab- zustumpfen, ging er rastlos und schnell vor- wärts. So befand er sich nach kurzer Zeit am Ausgange der Lichtenthaler Allee, in der Nähe des Hauses, in dem Frau von Meining wohnte. Die Meiersche Equipage hielt noch vor der Thüre. Die Fenster der Geheimräthin waren matt beleuchtet. Zerstreut blieb Walter eine Weile stehen, sah zu den Fenstern empor und schickte sich dann plötzlich zur Rückkehr an. Kaum aber hatte er ein paar hundert Schritte
ruhig und in großer Spannung. Ihm war, als ſtehe er am Vorabende einer neuen Epoche ſeines Lebens, als erwarte er etwas, oder als müſſe ihm heute irgend ein beſonderes Ereigniß begegnen. Und wenn er ſich fragte, was ihn ſo bewege, worauf er ſo ſehnſüchtig harre: dann mußte er ſich bekennen, daß er es ſelbſt nicht wiſſe. Vergebens verſuchte er dieſen Zuſtand zu bekämpfen, und um endlich, wie er glaubte, eine körperliche Erregtheit durch Ermüdung ab- zuſtumpfen, ging er raſtlos und ſchnell vor- wärts. So befand er ſich nach kurzer Zeit am Ausgange der Lichtenthaler Allee, in der Nähe des Hauſes, in dem Frau von Meining wohnte. Die Meierſche Equipage hielt noch vor der Thüre. Die Fenſter der Geheimräthin waren matt beleuchtet. Zerſtreut blieb Walter eine Weile ſtehen, ſah zu den Fenſtern empor und ſchickte ſich dann plötzlich zur Rückkehr an. Kaum aber hatte er ein paar hundert Schritte
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[199/0209]
ruhig und in großer Spannung. Ihm war,
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ſeines Lebens, als erwarte er etwas, oder als
müſſe ihm heute irgend ein beſonderes Ereigniß
begegnen. Und wenn er ſich fragte, was ihn
ſo bewege, worauf er ſo ſehnſüchtig harre: dann
mußte er ſich bekennen, daß er es ſelbſt nicht
wiſſe. Vergebens verſuchte er dieſen Zuſtand
zu bekämpfen, und um endlich, wie er glaubte,
eine körperliche Erregtheit durch Ermüdung ab-
zuſtumpfen, ging er raſtlos und ſchnell vor-
wärts. So befand er ſich nach kurzer Zeit am
Ausgange der Lichtenthaler Allee, in der Nähe
des Hauſes, in dem Frau von Meining wohnte.
Die Meierſche Equipage hielt noch vor der
Thüre. Die Fenſter der Geheimräthin waren
matt beleuchtet. Zerſtreut blieb Walter eine
Weile ſtehen, ſah zu den Fenſtern empor und
ſchickte ſich dann plötzlich zur Rückkehr an.
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/209>, abgerufen am 23.11.2024.
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