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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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chen ihm von dem Kreuz, das aus ihrem Holze
gezimmert worden .."

"Uns uns" fragte Jenny lebhaft.

"Uns weisen sie hinauf in die Region der
Klarheit, uns predigen sie Freiheit und Licht
mit ihren himmelan strebenden Zweigen", sagte
Walter mit schöner Erhebung. Dann, als er
sah, daß Jenny ihm erfreut zuhörte, fuhr er
nach einer Weile fort: "Wie Heine das Meer,
so hat Carl Beck die Baumwelt begriffen. Er
versteht, was jetzt in den Aesten rauschet und
aus dem Gelispel der Zweige tönt, und ich
halte ihn für einen Dichter, weil ihm die Na-
tur nicht jene alten längst vergessenen Ammen-
märchen, sondern die großen Gedanken unserer
Tage vertraut. Das scheint überhaupt bei ei-
nigen der jüngern Talente der Fall zu sein.
Es ist, als wolle ein neues, kräftiges Leben in
der Poesie sich entfalten, und ich hoffe, wir
werden nun endlich eine Menge veralteter, ste-

chen ihm von dem Kreuz, das aus ihrem Holze
gezimmert worden ..“

„Uns uns“ fragte Jenny lebhaft.

„Uns weiſen ſie hinauf in die Region der
Klarheit, uns predigen ſie Freiheit und Licht
mit ihren himmelan ſtrebenden Zweigen“, ſagte
Walter mit ſchöner Erhebung. Dann, als er
ſah, daß Jenny ihm erfreut zuhörte, fuhr er
nach einer Weile fort: „Wie Heine das Meer,
ſo hat Carl Beck die Baumwelt begriffen. Er
verſteht, was jetzt in den Aeſten rauſchet und
aus dem Geliſpel der Zweige tönt, und ich
halte ihn für einen Dichter, weil ihm die Na-
tur nicht jene alten längſt vergeſſenen Ammen-
märchen, ſondern die großen Gedanken unſerer
Tage vertraut. Das ſcheint überhaupt bei ei-
nigen der jüngern Talente der Fall zu ſein.
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der Poeſie ſich entfalten, und ich hoffe, wir
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[170/0180] chen ihm von dem Kreuz, das aus ihrem Holze gezimmert worden ..“ „Uns uns“ fragte Jenny lebhaft. „Uns weiſen ſie hinauf in die Region der Klarheit, uns predigen ſie Freiheit und Licht mit ihren himmelan ſtrebenden Zweigen“, ſagte Walter mit ſchöner Erhebung. Dann, als er ſah, daß Jenny ihm erfreut zuhörte, fuhr er nach einer Weile fort: „Wie Heine das Meer, ſo hat Carl Beck die Baumwelt begriffen. Er verſteht, was jetzt in den Aeſten rauſchet und aus dem Geliſpel der Zweige tönt, und ich halte ihn für einen Dichter, weil ihm die Na- tur nicht jene alten längſt vergeſſenen Ammen- märchen, ſondern die großen Gedanken unſerer Tage vertraut. Das ſcheint überhaupt bei ei- nigen der jüngern Talente der Fall zu ſein. Es iſt, als wolle ein neues, kräftiges Leben in der Poeſie ſich entfalten, und ich hoffe, wir werden nun endlich eine Menge veralteter, ſte-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/180>, abgerufen am 24.11.2024.