erweckte in Jenny's Brust die wehmüthigsten Erinnerungen, und sobald sie sich mit Eduard allein sah, wagte sie nach Reinhard zu fragen, was sie in ihren Briefen nie gethan. Sie wußte, daß er sein Amt angetreten und die ungetheilte Liebe und Achtung seiner Gemeinde erworben hatte. Das hatte ihr Therese mit- getheilt, deren Mutter bald nach der Abreise der Meierschen Familie gestorben war. Seit aber Therese eine Gouvernantenstelle auf dem Lande angenommen, hatte Jenny auf einige Briefe, die sie ihr schrieb und in denen sie ihr die freundschaftlichsten Anerbietungen machte, keine Antwort erhalten. Um so unerwarteter traf sie die Nachricht, Therese habe durch Ver- mittelung der Pfarrerin jene Stelle, ganz in der Nähe von Reinhard's Wohnort, erhal- ten und sich vor wenigen Wochen mit ihm verlobt.
Als Jenny dies erfuhr, zog ein trübes
erweckte in Jenny's Bruſt die wehmüthigſten Erinnerungen, und ſobald ſie ſich mit Eduard allein ſah, wagte ſie nach Reinhard zu fragen, was ſie in ihren Briefen nie gethan. Sie wußte, daß er ſein Amt angetreten und die ungetheilte Liebe und Achtung ſeiner Gemeinde erworben hatte. Das hatte ihr Thereſe mit- getheilt, deren Mutter bald nach der Abreiſe der Meierſchen Familie geſtorben war. Seit aber Thereſe eine Gouvernantenſtelle auf dem Lande angenommen, hatte Jenny auf einige Briefe, die ſie ihr ſchrieb und in denen ſie ihr die freundſchaftlichſten Anerbietungen machte, keine Antwort erhalten. Um ſo unerwarteter traf ſie die Nachricht, Thereſe habe durch Ver- mittelung der Pfarrerin jene Stelle, ganz in der Nähe von Reinhard's Wohnort, erhal- ten und ſich vor wenigen Wochen mit ihm verlobt.
Als Jenny dies erfuhr, zog ein trübes
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erweckte in Jenny's Bruſt die wehmüthigſten
Erinnerungen, und ſobald ſie ſich mit Eduard
allein ſah, wagte ſie nach Reinhard zu fragen,
was ſie in ihren Briefen nie gethan. Sie
wußte, daß er ſein Amt angetreten und die
ungetheilte Liebe und Achtung ſeiner Gemeinde
erworben hatte. Das hatte ihr Thereſe mit-
getheilt, deren Mutter bald nach der Abreiſe
der Meierſchen Familie geſtorben war. Seit
aber Thereſe eine Gouvernantenſtelle auf dem
Lande angenommen, hatte Jenny auf einige
Briefe, die ſie ihr ſchrieb und in denen ſie ihr
die freundſchaftlichſten Anerbietungen machte,
keine Antwort erhalten. Um ſo unerwarteter
traf ſie die Nachricht, Thereſe habe durch Ver-
mittelung der Pfarrerin jene Stelle, ganz in
der Nähe von Reinhard's Wohnort, erhal-
ten und ſich vor wenigen Wochen mit ihm
verlobt.
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/170>, abgerufen am 10.01.2025.
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