aber kehrte er wieder zu den Damen zurück, weil, wie er behauptete, da, wo die Männer säßen, ein furchtbarer Zugwind wehe, von dem man in dieser Witterung den Tod haben könnte. Man lachte ihn aus, und doch war er heute Clara willkommen. Seine Anwesenheit, seine Unterhaltung, die freilich nur sein geliebtes "Ich" betraf, zog die Aufmerksamkeit von ihr ab; und je größer der Zirkel wurde, um so ungestörter konnte sie sich in die Erinnerung alles Dessen versenken, was sie in diesem Kreise erlebt hatte, und was sich heute unwillkürlich ihrem Geiste aufdrängte.
"Sehen wir Sie vor Ihrer Hochzeit noch?" fragte Madame Meier, als sie später schieden.
"O, gewiß!" antwortete Clara, "ich komme noch Abschied von Ihnen Allen zu nehmen, da wir gleich nach der Trauung abreisen. Denken Sie unser, wenn wir nicht mehr hier sein wer- den", bat sie mit kaum unterdrücktem Weinen
aber kehrte er wieder zu den Damen zurück, weil, wie er behauptete, da, wo die Männer ſäßen, ein furchtbarer Zugwind wehe, von dem man in dieſer Witterung den Tod haben könnte. Man lachte ihn aus, und doch war er heute Clara willkommen. Seine Anweſenheit, ſeine Unterhaltung, die freilich nur ſein geliebtes „Ich“ betraf, zog die Aufmerkſamkeit von ihr ab; und je größer der Zirkel wurde, um ſo ungeſtörter konnte ſie ſich in die Erinnerung alles Deſſen verſenken, was ſie in dieſem Kreiſe erlebt hatte, und was ſich heute unwillkürlich ihrem Geiſte aufdrängte.
„Sehen wir Sie vor Ihrer Hochzeit noch?“ fragte Madame Meier, als ſie ſpäter ſchieden.
„O, gewiß!“ antwortete Clara, „ich komme noch Abſchied von Ihnen Allen zu nehmen, da wir gleich nach der Trauung abreiſen. Denken Sie unſer, wenn wir nicht mehr hier ſein wer- den“, bat ſie mit kaum unterdrücktem Weinen
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aber kehrte er wieder zu den Damen zurück,
weil, wie er behauptete, da, wo die Männer
ſäßen, ein furchtbarer Zugwind wehe, von dem
man in dieſer Witterung den Tod haben könnte.
Man lachte ihn aus, und doch war er heute
Clara willkommen. Seine Anweſenheit, ſeine
Unterhaltung, die freilich nur ſein geliebtes
„Ich“ betraf, zog die Aufmerkſamkeit von ihr
ab; und je größer der Zirkel wurde, um ſo
ungeſtörter konnte ſie ſich in die Erinnerung
alles Deſſen verſenken, was ſie in dieſem Kreiſe
erlebt hatte, und was ſich heute unwillkürlich
ihrem Geiſte aufdrängte.
„Sehen wir Sie vor Ihrer Hochzeit noch?“
fragte Madame Meier, als ſie ſpäter ſchieden.
„O, gewiß!“ antwortete Clara, „ich komme
noch Abſchied von Ihnen Allen zu nehmen, da
wir gleich nach der Trauung abreiſen. Denken
Sie unſer, wenn wir nicht mehr hier ſein wer-
den“, bat ſie mit kaum unterdrücktem Weinen
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/120>, abgerufen am 24.11.2024.
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