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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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und das Alles mit ihr zu genießen, hatte
Clara immer verlegen geantwortet, sie dürfe
das nicht. Endlich hatte Jenny sie einmal be-
schworen, ihr den Grund zu sagen, warum sie
nicht zu ihr kommen könne. Da erklärte Clara
mit Thränen, sie dürfe nicht, weil Jenny's
Eltern Juden wären und ihre Eltern diesen
Umgang niemals erlauben würden. Jenny
wurde glühend roth, sprach aber kein Wort,
und gab nur schweigend der weinenden Clara
die Hand. Die nächsten Stunden saß sie so
zerstreut da, daß weder Lehrer noch Mitschüler
sie erkannten. Sie dachte über Clara's Worte
nach, und es wurde ihr klar, wie sie allein
und einsam in der Schule sei. Es fiel ihr ein,
daß Niemand, auch von den ihr befreundeten
Mädchen sie einlade, oder ihre Einladungen
annähme, außer bei solchen Gelegenheiten, wo
man die ganze Klasse einlud, und sie, ohne es
zu auffallend zu machen, nicht zurücklassen

und das Alles mit ihr zu genießen, hatte
Clara immer verlegen geantwortet, ſie dürfe
das nicht. Endlich hatte Jenny ſie einmal be-
ſchworen, ihr den Grund zu ſagen, warum ſie
nicht zu ihr kommen könne. Da erklärte Clara
mit Thränen, ſie dürfe nicht, weil Jenny's
Eltern Juden wären und ihre Eltern dieſen
Umgang niemals erlauben würden. Jenny
wurde glühend roth, ſprach aber kein Wort,
und gab nur ſchweigend der weinenden Clara
die Hand. Die nächſten Stunden ſaß ſie ſo
zerſtreut da, daß weder Lehrer noch Mitſchüler
ſie erkannten. Sie dachte über Clara's Worte
nach, und es wurde ihr klar, wie ſie allein
und einſam in der Schule ſei. Es fiel ihr ein,
daß Niemand, auch von den ihr befreundeten
Mädchen ſie einlade, oder ihre Einladungen
annähme, außer bei ſolchen Gelegenheiten, wo
man die ganze Klaſſe einlud, und ſie, ohne es
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[58/0070] und das Alles mit ihr zu genießen, hatte Clara immer verlegen geantwortet, ſie dürfe das nicht. Endlich hatte Jenny ſie einmal be- ſchworen, ihr den Grund zu ſagen, warum ſie nicht zu ihr kommen könne. Da erklärte Clara mit Thränen, ſie dürfe nicht, weil Jenny's Eltern Juden wären und ihre Eltern dieſen Umgang niemals erlauben würden. Jenny wurde glühend roth, ſprach aber kein Wort, und gab nur ſchweigend der weinenden Clara die Hand. Die nächſten Stunden ſaß ſie ſo zerſtreut da, daß weder Lehrer noch Mitſchüler ſie erkannten. Sie dachte über Clara's Worte nach, und es wurde ihr klar, wie ſie allein und einſam in der Schule ſei. Es fiel ihr ein, daß Niemand, auch von den ihr befreundeten Mädchen ſie einlade, oder ihre Einladungen annähme, außer bei ſolchen Gelegenheiten, wo man die ganze Klaſſe einlud, und ſie, ohne es zu auffallend zu machen, nicht zurücklaſſen

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/70>, abgerufen am 24.11.2024.