"Der Wunden lacht, wer Narben nie ge- fühlt", rief Steinheim. "Wenn solch ein Springinsfeld, wie Erlau, der mit jedem Ha- sen um die Wette laufen könnte, doch nicht über die Empfindungen vernünftiger Leute spot- ten wollte, welche, ohne deshalb dick zu sein oder mißgestaltet, sich dennoch bei warmen Wetter ihres Körpers bewußt werden als ei- ner Zugabe, die sie am Laufen und Fliegen verhindert."
Jenny und Erlau lachten, und man rief Therese herbei, um sie an der Unterhaltung Theil nehmen zu lassen. Sie trat hinter Jen- ny's Stuhl und bewunderte die raschen Fort- schritte, welche die Arbeit seit einer Stunde gemacht hatte. "Du solltest Dir", sagte sie, "so lange Du noch zu Hause bist, allmälig alle Deine Lieblingspunkte zeichnen und sie zum Andenken mitnehmen, wenn Ihr einst fort- gehen werdet."
„Der Wunden lacht, wer Narben nie ge- fühlt“, rief Steinheim. „Wenn ſolch ein Springinsfeld, wie Erlau, der mit jedem Ha- ſen um die Wette laufen könnte, doch nicht über die Empfindungen vernünftiger Leute ſpot- ten wollte, welche, ohne deshalb dick zu ſein oder mißgeſtaltet, ſich dennoch bei warmen Wetter ihres Körpers bewußt werden als ei- ner Zugabe, die ſie am Laufen und Fliegen verhindert.“
Jenny und Erlau lachten, und man rief Thereſe herbei, um ſie an der Unterhaltung Theil nehmen zu laſſen. Sie trat hinter Jen- ny's Stuhl und bewunderte die raſchen Fort- ſchritte, welche die Arbeit ſeit einer Stunde gemacht hatte. „Du ſollteſt Dir“, ſagte ſie, „ſo lange Du noch zu Hauſe biſt, allmälig alle Deine Lieblingspunkte zeichnen und ſie zum Andenken mitnehmen, wenn Ihr einſt fort- gehen werdet.“
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„Der Wunden lacht, wer Narben nie ge-
fühlt“, rief Steinheim. „Wenn ſolch ein
Springinsfeld, wie Erlau, der mit jedem Ha-
ſen um die Wette laufen könnte, doch nicht
über die Empfindungen vernünftiger Leute ſpot-
ten wollte, welche, ohne deshalb dick zu ſein
oder mißgeſtaltet, ſich dennoch bei warmen
Wetter ihres Körpers bewußt werden als ei-
ner Zugabe, die ſie am Laufen und Fliegen
verhindert.“
Jenny und Erlau lachten, und man rief
Thereſe herbei, um ſie an der Unterhaltung
Theil nehmen zu laſſen. Sie trat hinter Jen-
ny's Stuhl und bewunderte die raſchen Fort-
ſchritte, welche die Arbeit ſeit einer Stunde
gemacht hatte. „Du ſollteſt Dir“, ſagte ſie,
„ſo lange Du noch zu Hauſe biſt, allmälig
alle Deine Lieblingspunkte zeichnen und ſie
zum Andenken mitnehmen, wenn Ihr einſt fort-
gehen werdet.“
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/399>, abgerufen am 22.11.2024.
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